Ein ganzes Volk sperrt keiner ein oder: Der Taksim-Platz ist überall

Werden unsere Herrscher niemals lernen?
Wenn sie sich vom Volk entfernen,
den Volkswillen nicht mehr respektieren,
nur noch nach Machterhaltung streben,
dann muss das Volk doch reagieren
und notgedrungen sich erheben.

Aber Bürger, gebt stets gut Acht,
denn Herrscher kleben an der Macht.
Die geben kampflos niemals auf,
und so beginnt fataler Lauf:

Der erste Funke wird durch ein paar Mutige entfacht,
schnell wird die Idee anderen näher gebracht,
schon hört man auch die ersten Parolen,
die Sympathisanten wiederholen,
und trau'n sich die ersten auf Straßen und Plätze,
dann setzt sie ein, die politische Hetze.

Bleibt ruhig - ihr könnt euch sicher sein,
ein ganzes Volk sperrt keiner ein.

Jetzt heißt es solidarisieren,
Twitter hilft beim Organisieren.
Der revolutionäre Geist muss Feuer fangen,
auch wenn Demonstranten bangen,
weil der Staat in seiner Not,
massiv nun mit Sanktionen droht.

Bleibt tapfer – ich schwöre Stein und Bein,
ein ganzes Volk sperrt keiner ein.

Die nächste Stufe der Eskalation,
die alte Leier kennt man schon,
die Staatsgewalt agiert nun schärfer,
mit Tränengas und Wasserwerfer,
wahllos werden Menschen festgenommen,
der Traum vom friedlichen Wandel – zerronnen.

Gemeinsam stark – ihr seid nicht allein,
ein ganzes Volk sperrt keiner ein.

Ein paar hundert Protestler sind noch schwach,
die hält die Staatsmacht noch in Schach,
doch wenn tausende sich zusammenballen,
dann können erste Schüsse fallen,
doch gerade jetzt darf man nicht verzagen,
Revolten müssen auch Tote ertragen.

Doch die kriegen euch nicht klein,
ein ganzes Volk sperrt keiner ein.

Rollen selbst Panzer und Armeen,
weicht nicht und bleibt doch einfach steh'n,
bildet lebende Menschenwälle,
so siegt man auf alle Fälle,
denn kein Soldat ist so verroht
und fährt Mitbürger einfach tot.

Lasst Herrscher Zeter und Mordio schrei'n,
ein ganzes Volk sperrt keiner ein.

Denn zieht auch dieser Sturm vorüber,
dann laufen oft Soldaten über.
Ihr siegt, denn danach kommt nichts mehr,
wie '89 in der DDR.
Mit der Staatsmacht ist es dann vorbei,
Und das Volk ist endlich frei.

Zuletzt könnt ihr nur Sieger sein,
denn ein ganzes Volk sperrt keiner ein.


P.S. Friedliche Standhaftigkeit der Massen scheint ein einfaches Erfolgsrezept bei Demonstrationen. Beispiel dafür ist die friedliche Revolution 1989 in der DDR (die einzige erfolgreiche in der deutschen Geschichte), oder auch zuletzt jene in Tunesien oder Ägypten.
Erfolglos waren Demonstrationen, Revolten oder sogar Revolutionen immer dann, wenn die Solidarität an irgendeinem Punkt des Machtkampfes auf Seiten der Demonstranten zusammenbrach, zumeist aus Angst: Angst vor Drohungen (Gefängnis, Berufsverbot etc.), Angst vor Polizeigewalt, Angst vor Gewehrkugeln und Panzern, also Angst um Leib und Leben, so wie 1953 in der DDR, 1968 in Prag oder auch 1989 in Peking. Wird diese Angst überwunden und einfach friedlich in Massen immer weiter demonstriert, dann kann man nur gewinnen, denn wie gesagt: ein ganzes Volk sperrt keiner ein.

© Pedda/gog 19.06.2013

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Beschreibung des Autors zu "Ein ganzes Volk sperrt keiner ein oder: Der Taksim-Platz ist überall"

Mal ein politisches Gedicht von mir - ganz selten. Anlass waren die jüngsten Demonstrationen auf dem Taksim-Platz in Istanbul und in anderen türkischen Städten.

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Kommentare zu "Ein ganzes Volk sperrt keiner ein oder: Der Taksim-Platz ist überall"

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