Am Ende

Die Wohnung ist nun meine Welt.
Was ist nur aus mir geworden?
Ich fühle mich hier eingesperrt,
allein mit meinen Sorgen.

Damals war es wunderbar,
da war ich sehr begehrt.
Doch heute, krank und unbrauchbar
bin ich nichts mehr wert.

Man lud mich ein um Spaß zu haben.
Ich half stets in großer Not.
Doch heute stell‘ ich mir die Frage.
Wo sind sie hin? Da jetzt mein Ende droht.

Habt keine Zeit mich zu besuchen
und wenn, dann nur aus Plicht.
Schaut auf die Uhr, schlingt euren Kuchen.
Nein, solch‘ Besuch den will ich nicht.

Mit mir ist nichts mehr anzufangen.
Könnt meinen Anblick nicht ansehen
meinen Verfall und auch mein Bangen
ist auch wirklich nicht sehr schön.

So warte ich weiter, meist vergebens,
auf einen Besuch, ein nettes Wort.
Doch jetzt am Ende meines Lebens.
bin ich allein an diesem Ort.

Ich stell mir vor, sie stehen am Grabe,
natürlich nur aus Pflichtgefühl,
es werden sich dann alle sagen,
er bedeutete mir viel.

„Er war so nett, war immer da,
war für alle stets bereit.“
Doch als mein Ende schon ganz nah‘
hatte niemand für mich Zeit.


© Michael Jörchel


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Kommentare zu "Am Ende"

Re: Am Ende

Autor: Poetintf   Datum: 21.05.2021 19:53 Uhr

Kommentar: Mein lieber Michael! Es ist so direkt und unglaublich traurig. So hoffe ich doch, dass es nicht die galt.

Vg Tabea

Re: Am Ende

Autor: Jens Lucka   Datum: 21.05.2021 21:43 Uhr

Kommentar: Darüber dachte ich sehr oft nach, wenn ich mein e Mutter besuchte , was sich wohl in ihrem Kopf abspielt. Du bringst hier eine sehr realistisch ,traurige Seite zur Schau, die im nachhinein Wehtut.

Liebe Grüße von Jens

Re: Am Ende

Autor: Michael Jörchel   Datum: 21.05.2021 21:53 Uhr

Kommentar: Habt Dank für eure wohlwollenden Worte. Auch wenn es mich (noch) nicht persönlich betrifft so kenne ich einige denen es so ergeht.
Und auch gerade jetzt in diesem Zeiten ist es leicht, sich zu distanzieren.
Man möchte ja die Menschen schützen. Was einerseits Wichtig aber auch in manchen Fällen zwiespältig ist.

Man möchte oder gibt vor, dass die Person geschützt wird zu einem Preis der schwer zu bezahlen ist.

"Wir wollen, dass du länger lebst aber dafür darfst du die Wohnung nicht verlassen und musst für den Rest deines Lebens auf Besuche deiner Freunde und deiner Familie verzichten."

Re: Am Ende

Autor: Verdichter   Datum: 23.05.2021 0:46 Uhr

Kommentar: Puh, da schnürt es mir die Kehle zu.
Der Inhalt geht so unter die Haut, da mag ich fast gar nicht mehr sagen, dass mir auch deine Reimschmiedekunst gefallen hat. Dennoch: beides super.

Gruß, Verdichter

Re: Am Ende

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 23.05.2021 23:42 Uhr

Kommentar: Lieber Michael,
sorry, ich habe meine Augen im Augenblick auf so vielen Sachen hier im Forum, dass mir dieses Gedicht von dir fast durch die Lappen gegangen wäre.
Es ist sehr gefühlvoll, ja traurig, da ich auch Parallelen bei Verwandten und Bekannten von mir sehe.
Liebe Grüße Wolfgang

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