Mich ereilte die Jahrhundertmitte.
Ich lebte, doch ich lernte, nicht zu sein.
Der Tod war mir ein Familienmitglied
Und nahm den größten Teil der Wohnung ein.
Ich hab ihn mit der Zeit etwas gezähmt,
Bat ihn zudem, er soll mich nicht berühren,
Frühmorgens sah ich eine Stadt , so schön
Wie keine sonst in Osteuropa, schien mir,
Wo stets das Eisen auf der Lauer liegt,
Im Nebel Schilfrohr raschelt und vermodert,
Wo es den Schlagring, Steine, Dampfloks gibt
Und bestenfalls vielleicht Benzin auflodert.
Ich schlief und ich trank und ich aß im Tod,
Versuchte, Zweck und Sinn in ihm zu sehen,
Vergaß ihn sogar ab und zu. Und doch
Kann sich der Mensch an ihn fast nicht gewöhnen.
Ich schloß die Tür zu meiner Wohnung auf.
Mein Herzschlag stockte, in der Brust ein Stein.
Der Tod in diesem Staat, man glaubt es kaum,
Er konnte wirklich reiner Zufall sein.
Beschreibung des Autors zu "Nel Mezzo del Cammin di Nostra Vita von Tomas Venclova"
Tomas Venclova: " Gespräch im Winter." Gedichte.
Aus dem Litauischen von Claudia Sinnig und Durs Grünbein.
Mit einem Nachwort von Durs Grünbein. Suhrkamp Verlag, Berlin 2007.
132 S. , geb., 19,80 E.
Gefühlsduseleien
Ein Tag brachte Enttäuschungen.
Gescheiterte Versuche,
warfen kalten Schnee auf die Gedanken.
Träume sprangen aus den Wolken,
sie brachen sich beinahe das Genick,
doch sie [ ... ]
Wir sind beauftragt gar nichts zu erreichen.
Wir leben nur, damit halt Leben ist –
Wir kriechen feige, lassen uns erweichen
und sehen zu, daß man so schnell [ ... ]