Geplagt von Sorge, Schiller eilt,
den Regen im Gesicht,
durch leere Strassen, windgebeugt -
verworfen jed`Gedicht.

Die Heimstatt hütet Goethe schon
seit Wochen, unverändert.
Beim letzten Treff er schwach und blass,
die Augen schwarz gerändert.

Nach halbem Weg und ganz durchnässt
gefriert sein steter Gang.
In einer dunklen Nische steh`n
Gestalten, ihm wird bang.

Im Schutz von bergendem Gesims
bringt ihm ein günstig Wind
das leise Schnattern zweier Frauen -
ihn schaudert wer sie sind. . .

" Zeig her den Krautwurz" spricht die Grete
und weiße Hände reichen sich
die wöchentliche gift`ge Knolle.
Der Wind fleht pfeifend: Tut es nicht!

" Kaum zu glauben, diesem Zwerg
die Säge für die Keule schlummert.
Ihm bald die Rammelei verhagelt
und die Frauenwelt entkummert!"

Lucil, verhüllt in schwere Robe,
lässt Leinentuch darin verschwinden.
Dann kosen die Komplizen sich,
bevor sie ihre Wege finden. . .

S. schlurft nun weiter, Pfützensprung,
erreicht die trock`nen Mauern,
mit ihm sein frisch gestohl`nes Wissen,
der Mann ist zu bedauern.

Auf jeder Stufe, die er steigt,
bleibt Stück um Stück sein Wille.
Was gäb`er drum, es ungehört !
Tritt ein und bricht die Stille . . .

S: Ihr glaubt nicht wessen Gang ich kreuzte,
beim Hasten duch die dunklen Gassen . . .

G: Ganz sicher werdet ihr mich gleich
auch daran teilhab lassen.

Beim Anblick des so wortgewalten
erschrickt er, unbemerkt.
Durch Siechtum zwar ins Bett verbannt -
sein Spitzfind doch bestärkt !

S: So wie die Physis geht abhanden
euch Grünstich ins Geicht geschrieben.
Euer Schiff darf jetzt nicht stranden,
besser segeln als getrieben.

G: Ihr habt Talent mich aufzurichten
und euer Mitgefühl im Griff.
Da wollen wir dem Kahn mal wünschen,
daß nicht im Weg ein garstig Riff.
Wen traft ihr nun, so sprecht es aus !
Wer überraschte mit Präsenz ?
Ihr tanzt verzweifelt um die Wahrheit,
nun endlich her mit der Essenz !

So schlecht er aussieht geht`s ihm nicht
und Schiller, mutgedüngt,
jongliert die tragisch Offenbahrung
ins Licht, was leicht misslingt . . .

S: Obschon die Stadt in nasser Trübnis-
vermied ich`s dennoch mich zu zeigen,
lieber unentdecktes Hören,
um dem Argwohn vorzubeugen . . .

G: Wenn ihr nicht bald Substanz bemüht
beim Faseln über euer Tun,
überlasst mich der Genesung.
Schlaf von Nöten, ich muss ruhn !
Umreißt zum Teufel jetzt konkret,
worum es euch im Kern denn geht !

Trotz der nicht weichen woll`nden Schwäche
zwingt Goethe sich zum Sitz.
Er lehnt sich in die klammen Kissen,
sein Lächeln schmal und spitz.

S: Natürlich, richtig - seht`s mir nach
euer Befinden ungemach.
Lucil und Grete, jene Mägde,
schwatzten von Familienkrach . . .

G: So haltet ein ! Familie ? Welche ?

S: Fällt euch nicht auf, wenn losgelöst
von allem - ein Vergleich,
den Mundpartien besagter Frauen
viel Ähnlichkeit gereicht ?
Form und Stuktur, mein Aug`ist Zeuge,
gleich wie Eier einer Henne.
Die beiden sind sich so verwandt,
dass ich sie Schwestern nenne.
Auch mir erwuchs die Überraschung,
denn einen Vater teilen sie,
trotz schwarz und weiß an Wesenheit -
bestach ihr Plausch durch Harmonie.

In Goethes Antlitz scheint ein Wesen
gepeitscht von Panik Raum zu greifen.
Unstet wandern seine Blicke,
dahinter ihm Gedanken reifen . . .

G: Münder haben sie , gewiß,
mit recht charmantem Überbiss . . .

Er liegt ja schon,nun wohlgetan,
setzt Schiller zum Finale an . . .

S: Die Mundpartien sind so charmant
weil ihr euch selbst darin erkannt.

Entgeistert starrt er Schiller an
als säh er ihn ein erstes Mal . . .

G: Mich selbst erkannt,
ein Mund , ein was . . .?

nun restlos grün, was grad noch blass . . .

Die Schultern sacken ihm hernieder
und faktisch wird was lang verneint.
Die Mütter trennt der Raum , die Zeit,
doch seine Töchter sich vereint!

Erinnerungen, nebulös,
zwei Kurzweilfrauen - Mutterglück.
Die Mädchen klein, er stahl sich fort,
nun greift`s ihm ins Genick. . .

Zu allem Unbill gibt der Schiller
den düst`ren Dialog nun wieder,
der Zeugnis gibt warum so krank
der Dichter liegt danieder.

S: Dann wog sie noch mit bösen Augen,
soweit mich meine nicht getrogen,
den Toxling, und verstaute ihn.
Euer Schicksal abgewogen !

Nun ist`s vollbracht und Schiller hofft,
der Boden nähm`ihn auf,
gelähmt steht er vor Goethes Bett,
der wirr die Haare rauft . . .

G: Die Eine fremdelt in der Küche,
der And`ren schaurig Aura eigen,
auch sind beide keck im Ton
und zu Widerworten neigen . . .
Bloß was ihr lauschtet - ungeheuer !
So nah die Schmach, so bös`der Plan!
Da brodelt in den eig`nen Töpfen
der Grund warum ich`s nicht mehr kann !
Gift und Galle hat die Taufe
derer Hinterlist getrimmt ?
Vergiften ihren eig`nen Vater,
den doch die Natur bestimmt !

Noch Stunden nachdem Schiller geht
schwingt er im Geist den Degen,
verstaut und richtet, voll der Wut . . .
Obliegt ihm abzuwägen ?

Ein schlechter Vater . . .deucht`s dem Dichter.
Sind mir die Töchter rechte Richter ?

So schläft er ein,
um ihretwillen,
der Läuterung anheim.
Ein Tuch aus Demut, Zorn und Liebe
umhüllt den neuen Keim.


© Ralf Risse Alle Rechte vorbehalten, besonders das Recht auf Vervielfältigungund Verbreitung, sowie Übersetzung.Kein Teil des Textes darf ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder verarbeitet werden.


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Kommentare zu "Familiär ( Kreative Pause 4)"

Re: Familiär ( Kreative Pause 4)

Autor: simon   Datum: 30.06.2013 21:28 Uhr

Kommentar: alle Achtung!
LG Simon

Re: Familiär ( Kreative Pause 4)

Autor: Ralf Risse   Datum: 30.06.2013 21:44 Uhr

Kommentar: Vielen Dank, Simon.
LG Ralf

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