Tanz der Toten (1)

Mein ganzes Leben nun
tanze ich
auf diesem Grab
mein Loch schaufelnd
tiefer und tiefer
getrieben
von trügerischer Gewissheit
als könne nur
andauernder Fall
bedeuten
nie aufzuschlagen
beschwingt von den Liedern
all derer
die unter mir singend
begraben liegen
beflügelt von den Trieben
all derer
die emporschiessend einst
Farben trugen
als könnten sie
auf fruchtbarem Boden
tränengetränkt
durch den kommenden Winter
leuchten

Doch schon im Spätspommer
begannen die ersten Blätter
zu fallen
genährt von düngenden Giften
werfen sie sich gegenseitig
des Winters langen Schatten voraus
verwurzelt in Angst
vor der bitteren Kälte
gehen sie ein
in den frostigen Böen
flüstert der Wind uns bereits
er wird bald kommen
um ewig zu bleiben
während ich
verwesend
eins werde
mit dem braunen Morast
unter mir
über mir
die Geier längst greisen
weil kein Hahn mehr
nach mir
kräht
nach all den Nächten
die ich vor Angst
nicht schlafen konnte

Fühle ich nun
meine Zeit ist gekommen
kurz vor´m Ziel
völlig am Ende
werde ich mich
ein letztes Mal erheben
um in der Melodie
fallender Blätter
auflebenden Windes
aufkeimender Hoffnung
ein letztes Mal
zu tanzen
den letzten Tropfen
Herzblut
zu vergießen
auf den im Herbst
welkenden Frühling

Um sie fühlen zu lassen
sie stehen nur noch
wahre Liebe
Hand in Hand geht sie
unzertrennlich
mit der Erinnerung
an all jene
die zu wunderbar waren
sie je zu vergessen
um sie sehen zu lassen
sie stehen nur noch
wahre Hoffnung
Seite an Seite kämpft sie
mit unschuldigen Opfern
brennender Leidenschaft
für den Wunsch
sie zu rächen
die zu wunderbar waren
sie je zu vergessen
sie begreifen zu lassen
sie stehen nur noch
denn wahrer Glaube

Stück um Stück versinkt er nur
weil er der Hand
so sehr vertraut
die ihn halten wird
ihm zu zeigen
was Hier und Heute
bedeutet
deinem Herz
das in diesem Moment
erfährt
was auf immer und ewig
bedeuten könnte
unseren Augen
die sich schließen
um Schulter an Schulter
für das Leben zu kämpfen
bis wir sie
erst wieder öffnen
um zu sehen
der letzte Schnee
ist vorerst geschmolzen

Um zu erwachen
mit der Kraft
Samen zu suchen
die es im Spätsommer
einst hinaustrug
um mit Freude
sie diesmal so lange
zu setzen
auf das dieser Frühling
ewig
überwintert


© Sebastian Deya


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