oder
Sehnsucht nach Zuhause

Bei vielen alten Leuten
bin ich in einem Altersheim,
dass meine Kinder sich nicht scheuten
und brachten ihre alte Mutter da hinein.

Ein alter Baum lässt sich nicht gern versetzen.
Er zieht dann keine Wurzeln mehr.
So geht es mir, ich wollt‘ Euch nicht verletzen,
doch ich muss sagen: „Es fällt mir schwer.“

Ich kann Euch nun halt nichts mehr nützen
und fall‘ Euch höchstens noch zur Last.
Doch Eure Kinder könnt‘ ich schützen
und wäre gern einmal bei Euch zu Gast.

Als Ihr noch klein ward, was war das ein Leben.
Ich hätte nicht im Traum daran gedacht,
Euch in irgendein Heim abzugeben,
so wie Ihr’s mit Eurer alten Mutter macht.

Man trug mir den geliebten Mann zu Grab.
Ich hab gedacht, die Welt bleibt für mich stehn.
Ach, war das ein schwerer Schicksalsschlag.
Und Ihr wolltet mit mir gemeinsam gehn.

Doch ach, wie bald war das vergessen.
Die Mutter musste allein zuhause sein.
Auf jede noch so kleine Bitte,
sagtet Ihr dann immer wieder nein.

Hab ich es nicht verdient bei Euch zu sterben?
Ist es so schwer, einmal nach mir zu sehn?
Ich will Euch nicht den Tag verderben,
nur bei Euch sein, dass wär‘ so schön.

Es ist ein Wunsch, den Ihr mir nicht erfüllt.
Ich muss mich fügen, denn ich bin nun alt.
Und meine Sehnsucht bleibt wohl ungestillt.
Oh kommt doch einmal nur, oh kommt doch bald.

Man ist hier gut zu mir, ich will nicht klagen.
Doch wie daheim wird’s nirgends sein.
Drum möcht‘ ich noch einmal fragen:
„Holt Ihr mich niemehr wieder heim?“

Ich weiß, es ist zuviel verlangt.
Ihr habt ja immer keine Zeit.
Was hab ich früher oft um Euch gebangt.
Doch das liegt weit zurück, unendlich weit.

Ich mach‘ mir halt so oft Gedanken,
und es bereit mir gar großen Schmerz.
Es bringt mein Innerstes so oft ins Wanken:
„Haben meine Kinder denn kein Herz?“

Ihr wollt ja auch mal älter werden.
Dann soll’s Euch nicht wie mir ergehn.
Ich wünsch Euch alles Glück auf Erden,
und später werdet Ihr mich wohl verstehn.

Es wird auch nicht mehr lange dauern
und Gott, der Vater holt mich heim.
Ihr braucht nicht um mich zu trauern.
Ihr brachtet mich ja ins Altersheim.

(Autorin unbekannt)


© Cornelia G. Becker


8 Lesern gefällt dieser Text.





Unregistrierter Besucher
Unregistrierter Besucher
Unregistrierter Besucher
Unregistrierter Besucher


Beschreibung des Autors zu "Eine Oma aus dem Altersheim"

Das habe ich in meinen alten Unterlagen wiedergefunden.
Eine alte Frau hat es vor 35 Jahren in der Kur geschrieben.
Es macht mich heute noch traurig und sehr nachdenklich.

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Eine Oma aus dem Altersheim"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Eine Oma aus dem Altersheim"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.