Da ist Sehnsucht in mir.
Ein großes Loch, das mich zerfrist.
Ein gähnendes Nichts, das gefüttert werden will.
Ein Loch, das die Leere in mir nur noch verstärkt.

Die Wege, auf denen mich meine Füße tragen, sind nur vom nächtlichen Straßenlaternenlicht beleuchtet.

Du fehlst mir.
Ich sehne mich danach, dich wieder zu sehen.
Dich zu spüren.
Dich zu umarmen und dabei die Welt um mich herum zu vergessen.
Will von dir gehalten werden und meinen Kopf in dir vergraben.
Will dich halten und dich schützen.
Will mich umdrehen und nach dir greifen...
.....aber du bist nicht da.

Meine Füße treiben mich weiter.
Werden immer schneller.

Du fehlst.
Und ich kann nichts dagegen tun.
Meine Sehnsucht ist so stark, dass ich jederzeit mein Leben tauschen würde, nur um einen einzigen letzten Tag mit dir verbringen zu dürfen.
Selbst, wenn es bloß Stunden sind.
Oder Minuten.
Ja gar Sekunden.
Nur eine einzige Umarmung.
Oder ein bloßer Blick von dir.
Ein einziger geflüsteter Satz.
Ein einziges geschriebenes Wort....
....ja, ich würde sogar alles geben für einen einzigen Gedanken von dir an mich.
Mehr verlange ich nicht.
Still schreie ich deinen Namen in den Himmel...
....aber du bist immernoch nicht da.

Meine Füße tragen mich wie von selbst.
Ich spüre sie nicht mehr.
Der Wind küsst mein Gesicht und ich bekomme Gänsehaut.

Wenn wahre Liebe bedingungslos ist,
wieso tut es dann so weh, wenn sie nicht erwidert wird?
Wieso zerfrisst es mich, wenn du nicht da bist?
Wieso tut es so verdammt weh, zu lieben?

...und da, ganz leise und unbemerkt, aus dem Schatten der Sehnsucht, kriecht er hervor.
Mein alter Bekannter.
Der Schmerz.
Er tarnt sich und trägt viele Gesichter.
Einmal versteckt er sich hinter der Traurigkeit.
Ein anderesmal kriecht er im Schatten der Sehnsucht.
Und öfter noch entschlüpft er aus der Einsamkeit.

Der Schmerz wird grösser.
Er nährt sich von meinen Gedanken und diesem Loch in mir drinnen,
dieser Halunke.
Er wächst immer weiter in mir.
Tausend Nadelstiche treffen mein Herz, bevor es von ihm umschlungen wird.

Ich bin dir egal, flüstert mir der Schmerz ins Ohr.
Ich war dir schon immer egal.
Du willst mich nicht.
Jedes nette Wort von dir war gelogen.
Du hast mein Herz betrogen.
Mich verlassen.
Mich fallengelassen....
....und ich habe es verdient.

Mit einem weiteren Stich verschlingt er schließlich mein Herz endgültig.
Er wächst und wächst, bis er jeden Zentimeter meines Körpers umschlungen hat.

Ich laufe.
Vorbei an Laternen. Bäumen. Häusern.
Türen. Stiegen. Stufe für Stufe ins nächste Stockwerk.

Ich habe es verdient, weil ich dich verletzt habe.
Weil ich selbst Schuld daran trage.
Weil ich zu nichts gut bin.
Vollkommen wertlos.
Niemand will mich.
Niemand braucht mich.

Mittlerweile bin ich auf dem Dach angekommen.
Der Wind hat zugelegt.
Hier, auf dem Flachdach des sieben stöckigen Hauses, wird mich niemand suchen.
Niemand wird sich dafür interessieren, was mit mir passiert.
Niemand wird mich abhalten.
Niemand wird sich an mich erinnern.
Niemand wird mich vermissen.

Wie in Trance nähere ich mich dem Rand des Daches.
Bis meine Zehenspitzen den Abgrund küssen.
Der warme Sommerwind umarmt mich.
Ich schaue zurück.
Hinter mir wartet der Schmerz.

Und vor mir wartet der Abgrund.
Freundlich winkt er mir zu.
Du wirst frei sein, flüstert er.
Und leicht, wie eine Feder.
Du wirst springen, und deine Seele wird fliegen.
Weit, weit weg.
Wohin auch immer sie will.
Nie wieder Schmerz...
Nie wieder Traurigkeit...

Ich schließe die Augen und stelle mir vor, wie meine Seele davon fliegt.
Wie sie mit dem Wind von dannen zieht,
und mit Leichtigkeit die Welt erkundet.
Eine warmes Gefühl breitet sich in mir aus.
Freude.
Geborgenheit.
Ich lächle....
...und öffne meine Augen.
....Was mache ich hier eigentlich?
Nachdenklich starre ich noch eine Zeit lang in den Abgrund,
bevor ich einen Entschluss fasse.

"Heute nicht", sage ich, als ich mich entschieden umdrehe.
Der dort wartende Schmerz empfängt mich herzlich.
Ich umarme ihn.
"Auch, wenn ich alleine bin - immerhin habe ich noch dich, mein alter Freund.", sage ich.
Und mit ihm an der Hand verlasse ich das Dach.


© Amygdala


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Beschreibung des Autors zu "Heute nicht"



(Triggerwarnung an Menschen in akut emotional instabiler Lage.

Dieser Test ist rein fiktiv und nicht wirklich so passiert.)




Kommentare zu "Heute nicht"

Re: Heute nicht

Autor: l.Maja   Datum: 13.08.2023 20:14 Uhr

Kommentar: 8 Milliarden Menschen - macht es da Sinn, einem nachzuweinen?
Erkenne deinen Wert, nur du kannst das!

Re: Heute nicht

Autor: Hannah   Datum: 14.08.2023 11:18 Uhr

Kommentar: Schön wäre es, wenn nicht der Schmerz sondern die Liebe dich umarmt hätte
LG

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