Das Glück zu Leben er wollt' teilen.
Gewahr der Schrecken dieser Welt
Des Nachts durch dunkle Täler eilend
Zur heißgeliebten Frau daselbst.

Der wehrte Herr mit Namen Albert -
Im Geiste Ihnen nun erscheint:
Mit goldenem Haupt und grünen Augen
Am liebsten schaut er bloß und schweigt.

In seinem Antlitz: tiefe Falten.
Die Wangen: hohl. Die Lippen: schmal.
Trotz starkem Sturm kann er sich halten.
Sein Trieb in ihm ist infernal.

Und um die Augen blaue Wuhnen.
Ein scheinbar kränklicher Gesell,
Denn lastet auf ihm: ein Jahrhundert -
Das Schicksal einer ganzen Welt.

Sein Blick entzieht den Seelen Wärme
Und seine Worte machen blind.
Er steht vor uns in weiter Ferne
Doch muss so leben, wie wir sind.

Über sein Leben lässt sich sagen:
Er war ein ungescheiter Mann.
Und nun mit fünfundzwanzig Jahren
Läuft er sich fest auf schiefer Bahn.

Doch dieser Weg war ihm stets eigen.
Ihn reizt das Elend dieser Welt,
Und Schritt um Schritt an jeder Ecke:
Nur Böses – denn er sucht es selbst.

Sein Stolz – er war schon längst gebrochen:
Als ihn der Hochmut überkam,
Ward ihm das Ehrgefühl genommen,
Mit einem Schlag, wie auch die Scham.

Doch Gott war stets sein treuer Richter.
Sein Freund und Helfer in der Not.
Er macht die Menschenseele lichter,
Klärt den Verstand und gibt ihm Brot.

Doch wirkt auf ihn dies' Bild berauschend:
Die Ausgeburt der Welt zu sein!
Zwar mag die Woge machtvoll brausen -
Zerschellt sie doch am Felsgestein.

Zerschellt ist Albert an dem Glauben,
An Gottes Güte, seiner Macht.
Er blickt auf´s Kreuz mit großen Augen -
Zur Demut hat er nicht die Kraft.

In seinem Herzen: List und Tücke,
Torheit, Frust und Heuchelei.
Drum sein Bewußtsein ist zerstückelt.
Er ist gewillt ein Tier zu sein.

Ist doch der Mensch sein Leben lang Heuchler
Und eitel all' sein freies Werk.
Zu stopfen aller Menschen Mäuler
Der Teufel hat dies' Tier bekehrt.

Weshalb ihn Azazil erwählte?
Wir Gleißner bleiben der Antwort fern.
Und als der Dämon ihn beseelte
Ward leibeigen sein Wesenskern.

Nun wird er gehen bis zum Ende,
Durchschauen jeden Lug und Trug.
Das Endziel liegt in naher Ferne -
Zum Sieg bedarf es nur noch Mut.

Er macht zunichte all' die Werte
Und die Moral, die man erkor.
Er stürzt die Menschheit ins Verderben -
Der Antichrist steht vor dem Tor.

Dank Gottes Freiheit sich erhebte
Über die Würde das Getier.
Und auf den Nacken es sich setzte
Die Hure Babylon zur Zier.

Die Hure Babylon – Superbia.
Sie zähmt das Tier, dem Tier sie droht.
Durch Sinnlichkeit es überwältigt.
Nach einem Jahr leidet sie Not.

Der Hure satt und überdrüssig
Bäumt sich das Tier nun machtvoll auf.
Der Sinnlichkeit es geht verlustig.
Die Grobheit nimmt nun ihren Lauf.

Die Menschheit, von der Pracht geblendet
Sie unterwirft sich seiner Last.
Sogleich auch ihre Freiheit endet.
Der Teufel treibt sie voller Hast.

Die Sklaverei wird sie begreifen,
Die sie sich selbst hat auferlegt.
Von diesem Weg wird sie nicht weichen,
Denn dazu ist es schon zu spät.

Es wird der Mensch daran verzweifeln,
Ersehnt er doch die alte Zeit,
Zu der sie alle glücklich waren:
In Freiheit, Recht und Einigkeit.

Man sieht den Teufelskreis sich bilden.
Der Mensch ersehnt erneut das Glück.
Umkämpft es, strebt, doch lässt sich leiten:
Von bösen Geistern, blinder Wut.

Doch nun erscheint der Mammondiener.
Unser Erlöser, unsren Bluts.
Er stürzt die Menschheit ins Verderben
Und allen geht es wieder gut.

Erhebe dich, oh Antichristus,
Der Du uns zyklisch neu erscheinst.
Der Du zur ewigen Seligkeit führest -
Aus der Beschränktheit uns befreist.

Es steigt zu Kopfe uns die Freiheit.
Erlöse uns von dieser Last.
Wir lassen schmieden uns zur Einheit.
Zwietracht sei allen uns verhasst.

Und wenn die Tücke wir durchschauen,
Durch die du alle hast geeint,
Ans Kreuz erneut wir werden hauen
Des Antichristen Opferfleisch.

Kein Dank wird dir zuteil mehr werden.
Nur Schmach nach deinem Opfergang.
Einsicht ist teurer als das Leben -
Zu der du alle hast gebracht.

Du bist des Christus Marionette.
Dereinst den Teufel er besiegt -
Du nun musst Menschheitssünden sühnen,
Auf dass der Herr erneut obsiegt.

So richte nun in seinem Dienste -
Auf dass du immer uns erscheinst:
Beizeiten Rauschgetränke lieferst -
Vor Leibesqualen Opium reichst.

Und wenn wir aus dem Rausch erwachen
Im Welten oder Himmelreich -
Werden dem Herrn wir dankbar sagen:
Wir brauchen Leid zur rechten Zeit.

Es ruft der Antichrist: "So sei es!"
Und aus dem Schlaf sein Weib erweckt
Und sie sich fragend an ihn wendet:
Wozu der Ausruf? Zu welchem Zweck?

Und er umarmt die dicke Hildrun,
Ihm über alles teure Frau.
Er schaut ihr tief in ihre Augen.
War dies' denn alles nur ein Traum?

Sind es denn Freiheit und der Despotismus,
Die sich im Wechsel gegenüberstehen?
Und sich der Mensch nach beiden sehnet -
Tagein, Tagaus – sein ganzes Leben?

Nein, Adam, sinne nicht die Sünde zu erneuern,
Denn schon bei einer du nicht straflos kommst davon -
Zum Vorbild, Albert, hat den Mammon sich genommen,
Der Torheit hat gedient – des Teufels Sohn.


04.Februar2017


© Artur Gromoff


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Kommentare zu "Der letzte Antichrist"

Re: Der letzte Antichrist

Autor: Michael Dierl   Datum: 27.09.2023 9:59 Uhr

Kommentar: Wooowwww.....das ist ja mal ein echtes Gedicht! Gratulation! Perfekt! Gern gelesen trotz der Länge!

lg Michael

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