Irgendwie hasst sie ihn. Leichtfüßig war er, schaute sie damals durch seine nackten Zehen an und es entschwanden ihm Wörter aus seinem Mund, die nach Honig und Minze schmeckten.

Sie schnappte mit der offenen Hand nach ihnen, fing sie in ihrer Faust auf. Sie zuckten, wollten wegfliegen. Stattdessen aß sie diese auf - Buchstabe für Buchstabe. Die gefangenen Silben lagen dann in ihrem Bauch - zwei Monate lang. Und er verschwand in der Sandhöhle.

„Schlucke deine Sätze runter oder verschlucke dich dran.“ Schrieb sie ihm und legte den Zettel am Eingang seines Verstecks.

In ihrem Kopfraum verflechten sich Bilder mit Vokalen, dem Geruch nach morschen Felsblättern und verwachsen zu uneindeutigen Situationen. Manchmal macht sie einfach so ihren gemeinsamen virtuellen Zwischenraum auf und schaut sich die tanzenden, schwirrenden Buchstaben an. Damals atmete sie diese ein, kaute sie oder klebte sie auf ihrer Brust. Nun würde sie diese am liebsten zerhacken.

Buchstabenleichen. Buchstabenfetzen.

Der Postbote überreicht ihr gerade eine Postkarte. Ein Tränenvorhang verdeckt ihr Gesicht. So wie die Regengardine damals den Transitbahnhof beschützte, der sie später trennte.

Seine geschriebenen Zeilen sind so schwerelos und entwertet, dass sie nach Kaktusmilch und Sandkörner schmecken.

Sie spuckt sie aus.


© zwischenraum


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Kommentare zu "Wörter leben Wörterleben"

Re: Wörter leben Wörterleben

Autor: Mark Gosdek   Datum: 29.06.2014 6:33 Uhr

Kommentar: wunderbare Wortbilder. Vielen Dank. Mark

Re: Wörter leben Wörterleben

Autor: zwischenraum   Datum: 03.07.2014 16:03 Uhr

Kommentar: freut mich, dass es dir gefällt, Mark.

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