Das große Problem unserer Gesellschaft ist die fehlende Liebe zum Besitz! Nein, nein, ich weiß wohl, daß es die meisten liebend bevorzugen, besitzend zu sein – ihren Besitz als Ding aber lieben sie nicht. Sie wollen Dinge haben die sie gar nicht lieben! Und so finden sie weder die Seelen der Dinge, noch die Seelen von Dingen, die als solche bezeichnet werden, aber in Wirklichkeit gar keine sind!

Bäume zum Beispiel! Bäume sind keine Dinge, fallen aber, im Rahmen von Gartenbauplänen, einfach unter die Rubrik „Vorhandenes Inventar“. Damit darf mit ihnen umgegangen werden wie es beliebt. Ihre Seelen bleiben unbeachtet! Andere Dinge, Bücher eventuell, haben natürlich wirklich keine Seele – es sei denn die Fantasie des Lesers würde ihnen eine verleihen. Meistens sind sie jedoch nur Gebrauchsgegenstände.

Gebrauchsgegenstände erfahren, nachdem sie ihren Zweck erfüllt haben, keine weitere Beachtung. Das Leben geht über sie hinweg, „es geht weiter“, sagt man – und auch das schließt die Liebe aus! Was einfach „weiter“ geht, lässt keine Bindungen zu! Man hat was man wollte und nun möchte man eben etwas Neues. Möbelstücke werden ausgewechselt, Geschirr, Bestecke, Gläser, ganze Häuser und manchmal sogar Familien…

Die Industrie ist darauf nicht nur eingerichtet, sie darauf ausgerichtet! Was produziert worden ist, hat sozusagen die „Pflicht“ nach einer gewissen Zeit kaputt zu gehen, sonst funktioniert die Wirtschaft nicht mehr. Eine Wirtschaft auf das Prinzip „Liebe“ auszurichten ist nicht vorgesehen! Selbstverständlich hinterlässt eine solche Grundeinstellung tiefe Spuren, im Gesamtverhalten der Bevölkerung – die Ideale verschieben sich, vom Gefühlten ins „Praktische“.

Wer sich dem allgemeinen Trend nicht anschließt, gilt als Weichei, als Naivling, manchmal sogar als Pflichtverweigerer. Leute, die denken, Möbelstücke, interessante Bilder, „ausgelesene“ Bücher könnten einen Menschen, notfalls auch über mehrere hundert Jahre – lebten sie nur so lange – begleiten, stehen in dem Geruch, realitätsferne Träumer zu sein, denen, beim besten Willen, nicht mehr geholfen werden kann.

Denn alles ist nichts als nur eine Aktie! Aktien werden benötigt zum spekulieren, um Geschäfte zu machen. Sie stellen Anteile dar, die jemandem dazu verhelfen Anteil zu nehmen, an einem Aufschwung, der immer nur den Blick nach vorne zulässt. Die Liebe aber kommt immer von „hinten“, aus der Gewöhnung, aus der Faszination, die einmal stattgefunden hat, und die einen weiter begleiten sollte.

Ein anderes Wort für diese Liebe lautet „Kultur“! Kultur ist eine Bewahrung der Werte, die man geschaffen hat und in die man sich verliebt haben sollte, wollte man etwas besitzen, das man allem verleihen sollte: eine Seele. Denn nur im Bewahren der Seele liegt die wahre und die einzige Kraft, die imstande ist, ein Innerstes zusammen zu halten, aus dem nicht nur die eigene Identität entsteht, sondern auch die Hoffnung auf eine sinnvolle Zukunft!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Die Seele des Staates 87"

Re: Die Seele des Staates 87

Autor: axel c. englert   Datum: 16.01.2016 19:36 Uhr

Kommentar: "Kultur" scheint heute negativ -
Man gibt sich lieber primitiv...

LG Axel

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