Europa 2015 - Brauchen wir eine Neue Aufklärung? Vier Philosophen im Gespräch

© Pepito

Im Separee eines kleinen Berliner Lokals treffen sich 4 der wichtigsten Vordenker und Autoren der Aufklärung die dem Zahn der Zeit widerstanden haben: Immanuel Kant, Gotthold Ephraim Lessing, Voltaire und Montesquieu. Zusammen spreche sie über die Aufklärung:

Voltaire: Haben die Menschen überhaupt etwas seither gelernt? Obwohl sich die Menschheit weiterentwickelt hat und unsere Werke seit über 250 Jahren gelesen werden, erkenne ich nicht, welche Ideen der Aufklärung überlebt haben.

Kant: fangen wir erst einmal damit an: Was war denn die Aufklärung?

Voltaire: Die Epoche der Aufklärung die ungefähr vom 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ging, gilt als großer Epochenumbruch in West- und Mitteleuropa. Es kam ein Verlangen des Bürgertums nach Chancengleichheit, Freiheit im Denken sowie nach wirtschaftlichem Handeln auf, was zur Ablösung von der von der Kirche geleiteten ständisch-gegliederten Gesellschaft führte.

Montesquieu: Dazu kommt aber auch das Durchsetzen der bürgerlichen Welt- und Gesellschaftsvorstellungen, die den Idealen des Adels entgegengesetzt wurden. Nach den Idealen der Bürger macht nicht die Herkunft den Wert eines Menschen aus, sondern die Entwicklung seiner intellektuellen, psychischen und physischen Fähigkeiten.

Kant: Ein sehr wichtiger Punkt der Aufklärung ist der Rationalismus, der im Gegensatz zum Empirismus, die Vernunft anstatt die Sinnliche Wahrnehmung als Mittel zur Erkenntnisgewinnung verlangt. Der Schwerpunkt liegt also in der logischen Schlussfolgerung.

Lessing: Diese Ideen und eure Denkweise waren ja schön und gut, aber sie wurden schließlich mit Hilfe von Büchern und Theaterstücken der Bevölkerung übermittelt. Die meist verwendeten literarischen Ausdrucksweisen, die dort ihren Höhepunkt erreichten, waren Fabel, Roman und Drama.

Voltaire: Da haben sie Recht. Mit der Aufführung von Dramen war es möglich, diese Denkweisen den Analphabeten beizubringen, die natürlich die Mehrheit der Bevölkerung darstellte, und man konnte die Zuschauer sozusagen besser „erziehen“ als mithilfe literarischer Werke. Die Fabeln wiederum dienten zunächst der Veranschaulichung unserer Ideen, später auch der Kritisierung der Gesellschaft, wodurch sie gegen Ende des Jahrhunderts zur Satire wurden. Der Roman, eine bis dahin als unbedeutend und verachtenswürdig geltende literarische Gattung, haben wir genutzt, um die Ausrichtung vom höfischen Leben auf das bürgerliche umzulenken, bei dem dann der Bürger der Held der Geschichte war.

Montesquieu: Meine Herren, wieso hatte den die Dichtung keinen so großen Erfolg wie vergleichbaren literarische Ausdrucksweisen?

Lessing: Das, mein Herr liegt an den damaligen Umständen und der Bedeutung die, die Dichtung erfüllen sollte. Durch die Aufklärung durchfuhr die Dichtung einen Wandel in ihrem Zweck, denn das bürgerliche Leben und deren Aufklärung traten an Stelle der höfischen Unterhaltung. Trotz der Nähe zum Bürgertum fand die Dichtung nur eine kleine Leserschaft, da weite Teile der Bevölkerung weder lesen noch schreiben konnte. Zudem wurde aufgrund ihres Inhaltes eine strenge Zensur darüber verhängt. Am Ende jedoch konnte sie sich durchsetzen.

Kant: Soweit ich mich erinnern kann, entstanden auch neue Arten der literarischen Gattungen, z.B. eines ihrer berühmtestes methodischen Werke, Herr Lessing, die „Hamburgische Dramaturgie“. Sie entwickelten dabei eine neue Art der Dramentheorie.

Montesquieu: Wie bitte meinen sie?

Kant: Die Dramentheorie beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern Inhalt, Struktur und Darstellungsform für ein Drama charakteristisch sind.

Lessing: Unter meinen bekanntesten Werken ist auch Emilia Galotti, ein Trauerspiel, in dem ich, wie typisch für diese Zeit, die Ständegesellschaft kritisiere indem die Hierarchiestruktur des Hofes durch kriminelle Handlungen negativ dargestellt wird. Kant, haben sie nicht auch berühmte Werke geschrieben?

Kant: So ist es, das vielleicht berühmteste ist die „Kritik der reinen Vernunft“. Das Buch handelt vom Denken, von der Selbsterkenntnis der Vernunft in deren Mittelpunkt immer die zentrale Frage steht, wo die Grenzen der menschlichen Vernunft und wo die Grundlagen menschlicher Erkenntnis liegen. Auch in den anderen beiden Werken „Kritik der praktischen Vernunft“ und „Kritik der Urteilskraft“ widmete ich mich den Fragen der Grenzen der Erkenntnis, den Grenzen einer vernunftorientierten Ethik und der Bedeutung von Glaube und Phantasie.

Voltaire: An ihren Werken erkennt man schon, dass sie ein sehr guter Philosoph sind, Herr Kant. Doch meine berühmten Lettres philosophiques, auf deutsch Philosophischen Briefe, sind eine Abrechnung mit den Zuständen in Frankreich, wo die katholische Kirche das kulturelle Leben im Würgegriff hielt und Adelscliquen in einer Art von Arbeitsteilung Gesellschaft und Ökonomie zugrunde richteten. Ja meine Herren, dies war der damalige Status Frankreichs.

Montesquieu: Meine Herren, vergessen sie nicht meine damals sehr berühmten Lettres Persanes, die Persischen Briefe. Das Buch handelt von 2 Perser die ihre Heimat Verlassen und über die Türkei und Italien nach Frankreich gelangen, wo sie sich bis 1720 vor allem in Paris aufhalten und Briefe mit Daheimgebliebenen wechseln. In Form eines Briefromans decke die ganze politischen und Kirchliche Wahrheit auf. Ich fand aber auch Gelegenheit aus den unterschiedlichen Perspektiven meiner Briefschreiber und auch der Antwortenden weitere wichtige Themen der Aufklärung zu behandeln, wie Religion und Priestertum, Sklaverei, u.a.

Kant: so weit ich mich erinnern kann, wurde sich während der Aufklärung erstmals seit längerer Zeit mit der Geschichte befasst.

Voltaire: So war es Herr Kant, insbesondere Das Kapitel „Die Geburt der Geschichte“ beleuchtet das neue historische Bewusstsein im 18. Jahrhundert. In Klassizismus oder Ruinenromantik spiegelte sich die Begeisterung für die Antike, aber auch die eigene Geschichte wurde als Thema der Kunst entdeckt. Ein bekanntes Gemälde war doch..., erinnert sich einer von ihnen an dessen Namen

Lessing: Es hieß „Die Pyramide im Park von Mauperthuis“, aus dem Jahr 1780 von Hubert Robert, hier ist eine Kopie davon.

Voltaire: Gut, also nun zu meiner Frage vom Anfang, Haben die Menschen überhaupt etwas seither gelernt?

Kant: Ich bin der Meinung, wir sollten uns vor allem mit dem Phänomen der Konsumgesellschaft befassen. Die Mehrheit der Menschen bevorzugt es, zu konsumieren, anstatt den eigenen Verstand zu gebrauchen. Obwohl heute viel mehr Menschen lesen und schreiben können, machen sie doch nur wenig davon Gebrauch, um Wissen zu erwerben und weiterzugeben. Die meisten bevorzugen aus Bequemlichkeit, andere für sich denken zu lassen. Damit geben sie die Möglichkeit zur Freiheit auf.

Montesquieu: Ein gutes Beispiel dafür ist das Fernsehen. Die Menschen werden von Kindheit an zum unkritischen Konsumieren erzogen. Ein Großteil des Programms dient nur dazu, Konsumgüter anzupreisen, ein anderer der sinnleeren Unterhaltung. Nur ganz selten kommt es unter den Fernsehzuschauern einmal zu einem Austausch von Gedanken, eigenen Ideen oder der Benutzung der Vernunft.
Ein anderes Problem betrifft die Überlegungen zum Staatsaubau, die wir damals diskutiert haben. Die Gewaltenteilung, die ich als Grundlage der Demokratie und der Freiheit definiert hatte, ist in den meisten Staaten und auch in den Europäischen Demokratien nur unvollständig umgesetzt worden. Man bevorzugt Machterhalt und politische Stabilität, wenn man beispielsweise die Unabhängigkeit von Legislative und Exekutive beschränkt, statt die Gewalten sich gegenseitig effizient kontrollieren zu lassen.

Lessing: Ein weiterer wichtiger Grundgedanke unserer Zeit war die Entwicklung und Förderung der Toleranz. Denken Sie etwa an die Behandlung dieses Themas in meinem „Nathan der Weise“. Hier gibt es sicherlich eine ganze Menge Fortschritte, obwohl man sehr genau unterscheiden muss, ob es sich um tatsächlich gelebte Toleranz oder nur um eine ideologisch motivierte Ausbeutung des Schlagworts handelt.

Voltaire: Dann, meine Herren, sind wir uns wohl einig, dass das Licht der Aufklärung zwar keinesfalls verloschen ist, den heutigen Menschen jedoch immer noch ein steiniger und langer Weg bevorsteht, bis unsere Ideen und Ideale eines Tages Gemeingut werden.


© Pepito


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Kommentare zu "Europa 2015 - Brauchen wir eine Neue Aufklärung? Vier Philosophen im Gespräch"

Re: Europa 2015 - Brauchen wir eine Neue Aufklärung? Vier Philosophen im Gespräch

Autor: Uwe   Datum: 14.01.2015 13:34 Uhr

Kommentar: Oh Pepito, deine Zeichnung und diesen Text hab ich mir sofort kopiert.
Und ich hoffe, du hast die Frage gestellt, weil wir sehr dringend Aufklärung brauchen? Alle, die noch im Altertum denken und leben - wie auch diejenigen, die sie als Mittel zum Machterhalt verstehen.
Herzl. Gruß
Uwe

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