Es war stockfinster. Kalt. Er hastete über den Hof, seine Schritte schienen ohrenbetäubend laut in der nächtlichen Stille. Die letzten paar Meter bis zu seinem Ziel, wäre er beinahe gerannt. Schnell öffnete er die Flügeltür, deren Knauf kalt und schwer in seiner Hand lastete und schloss sie wieder hinter sich. Um ein Haar wäre er mit seinem Stiefel bei den ersten Schritten unter dem hohen Gewölbe weggerutscht, so zittrig war sein Gang. Und noch unruhiger seine Gedanken. Es dauerte nicht lang, dann hatten sich seine Augen an das unbeleuchtete Gemäuer der Kirche gewöhnt. Seine Anspannung ließ nicht nach, sein Herz schlug schneller, mit jedem Schritt den er in Richtung Kirchenschiff ging. Unweit des steinernen Altars blieb er stehen, verharrte einen Atemzug lang, ehe er seine Waffe zu Boden legte und Sekunden später neben der Klinge auf die Knie sank. Tief einatmend schloss er die Augen, atmete aus und öffnete sie wieder. Seine Augen richteten sich auf das Kreuz. Und dann kamen die Tränen.
Ja, er liebte das Kind. Jetzt schon. Aber ihm waren die Konsequenzen bewusst, die ihnen jetzt blühten. Die dem Kind blühen würden. Er hatte sich einzig und allein von seinen Gefühlen leiten lassen, in dieser einen Nacht...
Erst als die Tür auf der anderen Seite des Altars geöffnet wurde, hob Elyar den Kopf und wischte sich über die Augen, um eine klare Sicht zu haben. Ein betagter Mann mit dünnem grauem Haar, faltigem Gesicht und mit vor dem dünnen Körper gefalteten Händen, trat die wenigen verbleibenden Schritte auf den jungen Mann zu und schaute ihn ruhig und gelassen an.
“Was führt dich zu so später Stunde hier her? Was lastet dir auf den Schultern?”
Seine Finger verkrampften sich am Boden, als wollten sie sich durch das Gestein graben. “Ich brauche Euren Rat.”
“Sonst wärst du nicht zu mir gekommen, nicht mitten in der Nacht. Was ist los?”
“Ich habe einen unverzeihlichen Fehler begangen...”
“Du allein oder noch ein anderer?”
Sein Herz zog sich zusammen. Sie traf keinerlei Schuld. Hätte er sie nicht gefragt, ob sie ihn in den Wald begleiten wolle, wäre das alles nicht passiert...
“Ich allein.”
Schweigen. Abwartend und unverändert gelassen wartete der Mann, dass Elyar fortfahren würde. Aber er bekam keinen Ton mehr über die Lippen. So kniete er stumm vor dem Priester und schloss erneut die Augen. Minutenlag harrten sie so aus, bis er durch ein leises Rascheln wieder hochsah und nun direkt in die Augen seines Gegenübers blickte. Er hatte sich ebenfalls hingekniet und legte seine raue Hand auf Elyars.
“Was immer auch passiert ist, nichts ist so unverzeihlich, als dass du den Rest deines jungen Lebens in Buße wirst leben müssen. Rede mit mir. Was ist geschehen?” Conrad drückte leicht seine Hand.
“Ich kann das nicht.” Kaum merklich schüttelte er den Kopf und stand abrupt auf. Während er seine Waffe wieder an sich nahm wiederholte er noch zweimal leise denselben Satz. Dann verbeugte er sich leicht vor dem Geistlichen und lief strammen Schrittes Richtung Ausgang.
“Was kannst du nicht?”
Seine nachgerufene Frage verhallte im Klang der zuschlagenden Türen und entfloh. Wieder ohne eine Antwort zu bekommen.


© MajaBerg


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