Kapitel 1 – Daddy mag Mommy nicht mehr
Ich habe Hunger, ganz großen Hunger, aber es ist wieder nichts da. Daddy sitzt im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Er hat nur ein Unterhemd und eine Boxershort an. Sein Unterhemd ist dreckig, er hat gestern gebrochen und lag darin. Mommy liegt auch immer in ihrem Erbrochenen. Ich muss Beide immer raus ziehen, damit sie nicht ersticken. Ganz langsam gehe ich zu Daddy und stupse ihn an „Was willst du?“ knurrt er. „Ich habe Hunger.“ flüstere ich, „Du hast immer Hunger. Sehen wir aus als hätten wir so viel Geld.“ schreit er mich an, ich renne sofort weg und in mein Zimmer. Mein Zimmer ist ganz klein und nur eine kleine Matratze und ein Karton mit ein paar Kleidungsstücke für mich passt da rein. Wir haben keine schöne Sachen, alles bei uns ist dreckig und stinkt. Mommy und Daddy mögen nur ihren Alkohol und das weiße Pulver. Mommy spritzt sich das immer und Daddy nimmt es in die Nase.
Daddy ist immer Zuhause und Mommy geht auf der Straße arbeiten. Sie geht immer mit Männern mit ins Auto. Manchmal bringt Mommy mir Toastbrot mit, aber oft hole ich mir Obst von Bäumen, weil sie mir nichts zum Essen geben. Mein Bauch tut immer so weh, weil ich so großen Hunger habe. Durst habe ich auch oft und das Wasser aus dem Wasserhahn schmeckt nicht so gut und ich bekomme oft Bauchweh davon und muss mich übergeben, deswegen trinke ich das Wasser aus dem Brunnen. Davon bekomme ich nur ein bisschen Bauchweh, aber muss mich nicht übergeben. Manchmal gehe ich auch in den Supermarkt und nehme einfach Toastbrot mit. Keiner entdeckt mich, weil keiner denkt, dass so ein kleines Mädchen wie ich stiehlt. Ich bin erst vier Finger alt.
Ich ziehe meine kaputten und zu kleinen Schuhe an und meine kaputte Jacke, ich habe keine ganzen Sachen. Vorsichtig schleiche ich mich zur Tür und nehme den Schlüssel mit als ich gehe. Wir wohnen in einem ganz hohen Haus und ganz viele Leute leben hier, aber fast keine Kinder. Draußen sind immer die bösen Männer, die haben Waffen und verkaufen das weiße Pulver. Ich gehe an denen vorbei und zum Park. Vom Park aus kommt man in eine ganz schöne Gegend und dort gibt es Gärten mit Obstbäumen. Ich klettere immer über den Zaun und sammele das Obst vom Boden auf. Heute liegt aber nichts auf den Boden, ich muss am Baum hochklettern und mir die runden roten Früchte, ich weiß nicht wie das heißt. Mommy und Daddy sagen immer ich nerve, wenn ich frage und Daddy hat mich schon mal gehauen, als ich ihn gefragt habe deswegen frage ich nicht mehr. Ich sitze auf den Baum und esse drei von den Früchten und dann schmeiße ich noch ein Paar herunter. Vorsichtig klettere ich herunter, aber falle das letzte Stück herunter. „Aua.“ jammere ich. Mein Popo tut weh, ich stehe wieder auf und nehme die vier Früchte und packe sie in meine großen Taschen von der Jacke und gehe zum Zaun und klettere wieder darüber und renne weg als ich jemanden sehe, der aus dem Haus kommt und mich sehen könnte.
Im Park sind wieder ganz viele Menschen, es ist heute auch schönes Wetter. Dort sind ganz viele junge Menschen und die haben Bücher und Essen, das lecker aussieht. So was habe ich noch nie gegessen, ich kenne nur das Obst und Toastbrot. Ich beobachte die Menschen kurz, aber dann muss ich nach Hause, bevor Daddy merkt das ich weg bin und böse wird.
Als ich nach Hause komme schreien Daddy und Mommy sich an. Das passiert oft und dann schlägt Daddy Mommy und danach machen die aber nackt komische Geräusche, da haben die sich dann wieder lieb. In meinem Zimmer ziehe ich mir wieder die Schuhe und Jacke aus und verstecke mein Obst. Daddy und Mommy stehlen es mir sonst. Dieses Mal streiten die ganz lange und sehr laut. Daddy macht wieder Flaschen kaputt. Plötzlich schreit Mommy, das macht Mommy oft, aber dieses Mal hört sich das so schmerzerfüllt an. Ich bekomme Angst und schleiche mich aus dem Zimmer und beobachte Mommy und Daddy. Daddy hat eine kaputte Flasche in der Hand und sticht damit Mommy. Mommy blutet und schreit und versucht Daddy zu schlagen, aber irgendwann kippt sie einfach um und Daddy sticht immer wieder ein. Mommy bewegt sich nicht mehr und der ganze Boden färbt sich rot. „Mommy.“ schluchze ich leise, aber Daddy hört mich nicht, aber er hört auf und fällt auf die Knie und fängt an zu weinen. Ich verstecke mich vor Daddy, aber so das ich immer noch alles beobachten kann. Ganz lange sitzt Daddy da und weint und dann steht er auf und zieht den Teppich vom Boden weg und legt Mommy da rein und wickelt sie ein. Was macht er mit Mommy? Ich halte mir den Mund zu, als ich anfange zu weinen. Daddy mag es nicht wenn ich weine, da wird er böse. Er bindet Seile um den Teppich in dem Mommy ist. Er zieht Mommy mit dem Teppich in die Küche und schließt die Tür dort ab. Nachdenklich steht er da und nimmt die Flasche „Enya?“ ruft er. Ich komme aus meinem Versteck „Ja?“, „Komm her Schatz.“ befiehlt er mir. Zögerlich gehe ich zu ihm, er geht vor mir in die Hocke und streichelt mir über die Wangen und küsst mich auf die Stirn „Tut mir leid.“ sagt er und dann tut mein Bauch plötzlich ganz dolle weh. Ich blicke ihn, er hat mir die Flasche rein gestochen und zieht sie wieder raus und will nochmal rein stechen, aber ich drehe mich um und renne weg. Sofort rennt er mir hinterher und packt mich, er sticht mir in den Rücken, es tut so weh. Ich beiße ihn in den Arm, ganz fest und er lässt los und ich kann zur Tür rennen und öffne sie und renne die Treppen herunter. Ich höre ihn, er folgt mir, aber dann ist er weg. Ganz lange renne ich barfuß und ohne Jacke durch den Park. Mein Bauch und Rücken tut so weh, aber ich will nicht stehen bleiben sonst macht mir Daddy noch mehr weh. Irgendwann bin ich aus dem Park draußen und auf der Straße, es ist schon dunkel. Plötzlich kann ich nicht mehr und falle auf die Knie. Es tut einfach so weh, mein ganzes T-Shirt ist rot von meinem Blut. Ein Auto hält neben mir, ich versuche auf zu stehen, aber es geht nicht. Ich falle wieder hin. Jemand nimmt mich in seine Arme, ängstlich sehe ich den an. Er hat so eine komische Marke um den Hals und ein anderer Mann ist bei ihm. „Ganz ruhig Kleines, wir sind von der Polizei und helfen dir. Was ist passiert?“ fragt er mich und hebt mein Shirt hoch und drückt seine Hand auf die Wunde, „Daddy ist böse geworden.“ sage ich leise. Er steigt mit mir ins Auto „Jack ins Krankenhaus. Schnell.“ sagt der Mann zu dem anderen Mann. Ganz schnell fährt Jack los und macht eine Sirene auf das Dach. Meine Augen werden ganz schwer „Mommy ist im Teppich. Daddy hat geweint und dann hat er mich gerufen und gesagt es tut ihm leid und mir weh gemacht.“ flüstere ich. „Wo wohnt dein Daddy?“ fragt er mich uns drückt ganz fest meine Wunde. „Hinter dem Park in dem großen Haus. Das erste große Haus und im 8. Stock, die dritte Tür auf der Seite von der Hand.“ sage ich und hebe meinen Arm, aber er fällt sofort wieder herunter. Jack sagt irgendwas durch ein Gerät. Meine Augen fallen zu und alles wird ganz dunkel.


© R.S.


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Kommentare zu "Ein Lachen das zusammenführt. (Teil 1)"

Re: Ein Lachen das zusammenführt. (Teil 1)

Autor: Uwe   Datum: 30.10.2014 16:50 Uhr

Kommentar: LEMONTREE, mir fehlen Worte. Was du "erleben" musstest, da hätte deine Seele "ersterben" können. Aber wie du es beschreibst, zeigt, dass sie am Leben blieb.
Wenn nicht du, sondern andere Menschen so versagen - vermagst du, deren Gemeinheiten (und vielleicht deren Not) wegzuschieben? Ich bin

"Ich war erst vier Finger alt", schreibst du, und ich mag als gestandener Kerl weinen.
Liebe Grüße
Uwe

Re: Ein Lachen das zusammenführt. (Teil 1)

Autor: noé   Datum: 30.10.2014 17:22 Uhr

Kommentar: Siehst Du wohl, Lemontree, so geht es doch besser, Kapitel für Kapitel. Da kann ich dann ja mal gleich vier "gefällt mir" nacheinander geben, denn so weit reichte es gestern. Erst im fünften Kapitel kam es zum "Datenstau".
Prima! Danke!
noé

Re: Ein Lachen das zusammenführt. (Teil 1)

Autor: Mark Gosdek   Datum: 01.11.2014 9:36 Uhr

Kommentar: Das ist unglaublich eindringlich und direkt geschrieben. Vielen Dank für´s teilen. Mark

Re: Ein Lachen das zusammenführt. (Teil 1)

Autor:   Datum: 07.11.2014 21:46 Uhr

Kommentar: : , ( wahnsinnig gut, aber tief traurig
verbeugend deines Schaffens
cortuumest

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