Bank im Wald

Sie ist das Ziel. Ein zu erkämpfendes Ziel, bei der Kurzatmigkeit des Mannes. Fast jeden Tag, bei jedem Wetter, kämpft er sich den Berg hinauf. Muss oft stehen bleiben, sich nach vorn beugen, mit den Händen über den Knien, den Oberkörper abstützen. Die Lunge verlangt mehr Luft als sie aufnehmen kann.
Und immer wieder gewinnt er den Kampf. Wird belohnt mit diesem Siegesgefühl, mit dem schönen Ausblick über den kleinen Fachwerkort und der vielsagenden Stille. Der Mann hat einen Einkaufsbeutel aus Stoff in der Tasche, den legt er bei schlechtem Wetter unter, bevor er sich setzt.
Kira, die braun-weiße Hündin, eine Kreuzung aus furchtbar lieben Kampfhund und noch was, hat Verständnis für den Alten. Für sie ist die Umgebung der Bank auch voller Überraschungen und ohne jede Einschränkung. Stöcke zerfetzen, Mäuse unter der Erde verfolgen, Gerüche lesen und deuten, alles das kann sie hier ungestört. Diese Hündin hat was Besonderes, sie hebt zum Pinkeln das linke Hinterbein. Nicht so hoch wie ein Rüde, aber immerhin. Das ist wichtig, zum Verständnis des weiteren Verlaufs dieser Geschichte.
Manchmal, ganz selten, kommen Menschen vorbei. Irgendwie stört das den Hund. Das ist der Platz des Alten und ihr Forschungsgelände.
Einmal bei hohem Schnee, standen zwei Leute vor der Bank, sahen auf den Ort. Der Alte schleppte sich gerade die letzten Meter. Kira wollte wohl verhindern, das die Fremden die Bank einnahmen. Rannte vor und pinkelte fast auf die Schuhe eines der Menschen. Die waren pikiert, suchten das Weite.
Nach Wochen die gleiche Situation: Da steht eine Frau, den rechten Fuß auf die Bank gestützt und schaut in die Ferne. Der Hund rennt wieder vor, geht halb unter die Beinbrücke, hebt das linke Bein und pinkelt den menschlichen Brückenpfeiler an. Die Frau schreit, „iiih, so was hab ich ja überhaupt noch nicht erlebt!“ Geht entrüstet weiter.
Ein kluger Tierpsychologe hätte gesagt: „Der Hund markiert sein Revier, legt seinen Anspruch fest.“
Als sich aber der Alte gesetzt hat und den zierlichen Rauch der Zigarette in die Landschaft kräuseln lässt, sieht er wie Kiras Augen sagen: Bin nun mal ganz viel Kampfhund, und kämpfe zeitgemäß für uns, weil du´s dich nicht traust.


© grauschimmel


4 Lesern gefällt dieser Text.





Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Bank im Wald"

Re: Bank im Wald

Autor: noé   Datum: 30.04.2014 10:54 Uhr

Kommentar: So einen "Kumpel" braucht man manches Mal.
noé

Kommentar schreiben zu "Bank im Wald"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.