Der Park ist verlassen und der Spielplatz leergefegt. Die Umgebung wirkt dunkel und kalt- es ist Winter. Der Schnee ist unberührt und glänzt im fahlen Mondlicht, so als ob die Kristalle weinen. Die Ferne wird von Nebelschwaden umgeben und doch leuchtet sie.
Die Schaukel im Park wirkt einsam, trotz des Klettergerüsts in der nahen Umgebung. Ganz leicht bewegt sie sich vor und zurück. Kein Wind weht und die Schaukel bewegt sich.
Seltsam, findet das Mädchen am Rand des Parks, ist sich dieser Anomalität bewusst und macht sich trotzdem keine weiteren Gedanken darüber. Sie bewegt sich langsam zur Schaukel, der Schnee knirscht nur ganz leise, kaum hörbar, unter den nackten Füßen.
Sie setzt sich auf die Schaukel und schaut zurück. Das Mädchen sieht keine Spuren im Schnee, dort, wo welche sein müssten, dort wo sie lang gelaufen ist.
Seltsam, findet das Mädchen auf der Schaukel. Nicht weiter darüber nachdenkend, stößt sie sich mit ihren Füßen vom Boden ab und beginnt zu schaukeln. Immer höher und höher. Dann springt sie ab.
Leichtfüßig landet sie im weißen Meer. Man hört den Wind in der Ferne leicht aufheulen, dann ist es windstill. Die Schaukel bewegt sich weiter, wird nicht langsamer, hält die konstante Geschwindigkeit.
Seltsam, findet das Mädchen neben dem Klettergerüst. Sie läuft zur Mitte der Parks. Ihr Blick richtet sich zum Mond. Vergessend, was gerade passiert war, starrt sie ihn an.
Dann zuckt ihr Kopf nach links. Ein Rosenbusch, wo Rosen blühen. So rot, so stechend, im Winter.
Seltsam, findet das Mädchen und starrt auf die roten Rosen. Langsam geht sie zum Busch, hockt sich nieder und ist mit ihm auf Augenhöhe.
Zitternd streichen ihre Finger von der Blüte hinunter zum Stängel. Mit einer Bewegung pflückt das Mädchen die rote Blume. Die Rose in der Hand haltend steht sie auf. Die Blütenfarbe wechselt von rot zu weiß.
Seltsam, findet das Mädchen und betrachtet die Schönheit der Rose. Sanft fährt sie mit ihrem Zeigefinger den Stängel entlang. Ein stechender Schmerz dringt in die Nervenbahn ein. Die weiße Rose hat Dornen.
Das Mädchen nimmt die Rose in die andere Hand und betrachtet ihren blutenden Zeigefinger, hält ihn auf Augenhöhe. Es fängt an zu schneien. Langsam läuft die rote Träne aus der Wunde heraus und rollt über den Finger. Mit einem kleinen Platsch landet die Träne auf der Rose.
Die Rose färbt sich rot.
Die Ferne färbt sich rot, die Bäume färben sich rot, die Schaukel und das Klettergerüst färben sich rot, der Schnee färbt sich rot. Ein Meer aus rot.
Das Mädchen wird in einen Strudel aus Schmerzen gezerrt. Nichts außer der roten Rose kann sie sehen.

Schreiend erwacht ein Mädchen. Ihre Kleidung durchgeschwitzt. Zittrig steht sie auf, entledigt sich ihrer Schlafsachen und zieht Unterwäsche, einen Pullover und eine Jeans an. Traurig starrt sie auf den Nachtschrank.
Sie nimmt eine Rose aus der Vase und geht hinaus. Sie ist barfuß.
Das Mädchen braucht nur ein paar Minuten zum Park. Schnell Geht sie zur Schaukel, bleibt davor stehen und legt die rote Rose ab.
„Ich vermisse dich, große Schwester.“
Sie setzt sich auf die Schaukel und beginnt zu schaukeln.


© Vantro


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Beschreibung des Autors zu "Rote Rose"

Eine Rote Rose galt im Mittelalter für Hurerei..




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