du hast mir einen fuchs aus plüsch auf die schulter gesetzt.
der auslöser fiel.
den fuchs wollte ich nicht, auch nicht die qual, dieses tier immer wieder am ohr reibend zu spüren.
das bild, was entstand, hängt heute an der wand. es ist 44 jahre alt.
was man darauf nicht sieht, ist das gefühl, was ich damals mit vier hatte und an das ich mich so gut erinnern kann.
der fotograf war gekommen, sollte uns auf zelluloid bannen.
frische kleider. gezwungene fröhlichkeit.
das verbinde ich mit diesem bild, obwohl der moment etwas anderes zu zeigen scheint.


im letzten sommer sass ich bei strahlender sonne in dieser so vertrauten stadt in den bergen an einem surrealen ort.
vor deinem sarg aus schlichtem holz, ein foto von dir gerahmt darauf; vier jahre zuvor hab ich selbst es von dir gemacht.

in mir wird wut laut, dass du fort bist, dass ich jetzt älter werden kann als du.
uns trennten viereinhalb jahre, deine schwester ist meine mutter.
sie übte mit dir mutter sein, bevor sie selbt mutter wurde, mit achtzehn.

du riefst mich an im februar " mich hats erwischt ", waren deine worte.
mein sternzeichen begann dich aufzuzehren.
ich war im märz bei dir, wie lange zuvor geplant.
wir sahen uns, hielten uns im arm, länger als sonst.
ich wollte dir von meiner energie soviel geben, wie du brauchtest, du hast sie genommen, weil ich sie gerne gab und doch es sollte nicht reichen.

du gingst zur nächsten ebene, zurück zum sternenstaub, in den armen meiner mutter, deiner schwester.

so wie nur frauen empfangen können, so lies sie dich gehen.


ich war die ersten sechs lebenjahre wie dein bruder bei deinen eltern, meinen grosseltern, aufgewachsen. du warst der onkel und eigentlich der grosse bruder.
wir liefen ski, trainierten und gewannen, wir fuhren rad und bauten baumhäuser, wir kletterten und fielen runter, wir waren zusammen krank und haben zusammen gekocht und getrunken.

deine freundinnen weinten an meiner seite über dich und dir nach.

du warst mein katalysator zum erwachsenwerden, oft vorbild, auch zum andersmachen.
wir waren immer beieinander, auch wenn wir uns monate nicht sahen.
wir haben wetten gewonnen, mit unserem familienband, wir waren auf dem motorrad unterwegs, musiziert, getanzt, gesungen und sehr, sehr viel gelacht.

du lebtest nach dem lustprinzip, ich hatte familie.

als ich vierzig zählte, schriebst du mir diese karte, auf der ich las : du neidest mir den mut zu meinem engagement im leben, verantwortung für menschen zu übernehmen, sich an nur eine frau zu binden, kinder zu erziehen.
ich dankte dir für deine offenheit und ehrlichkeit, was unsere bruderliebe nur noch grösser machte.

kurz darauf hattest du dich getrennt und hast in den bergen was neues begonnen.

dort nahm ich nun abschied von dir und trage heute deine jacke, als zeichen, dass ich die flamme weitertrage und nicht die asche bewahre.

meinen kindern halte ich dich wach, mit den spielen deines letzten sommers.

ein jahr und noch mehr ist vorbei und die zeit läuft anders.
meine frau ist gegangen, nahm dein adieu zum anlass für veränderung.

der mann deiner schwester, mein vater hätte dich beinahe dort getroffen, wo du jetzt bist.

du hinterlässt mich und doch nicht allein.

ich trage dich dort, wo nur wenige hinsehen und seit ein paar wochen das licht wieder heller wird.
in meiner seele, in meinem herzen, in meinem leben.

bis bald in den sternen.


© Luv


1 Lesern gefällt dieser Text.


Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Dich hats erwischt."

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Dich hats erwischt."

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.