Und Watson, Zeitung unter’m Arm,
fleht Sherlock an: „Herrgott erbarm!
Er hat schon wieder zugeschlagen,
und das schlägt mir jetzt auf den Magen.
Verbreitet Schrecken schon seit Jahren,
es ist zum Aus-der-Haut-zu-fahren.
Doch so schlimm war’s bisher noch nie,
`ne wahre Massenhysterie
ist inzwischen ausgebrochen,
wird Zeit, dass wir den Kerl einlochen.“

„Sprechen Sie etwa voller Schreck
Von diesem sprunggewalt’gen Jack?“

„Ja, ja, der Kerl ist echt gemein,
er soll ein wahrer Teufel sein.
Wenn man ihn sieht, bricht aus der Schweiß,
als Finger Klingen, kalt wie Eis,
Kapuzenumhang trägt der Schelm,
darunter auch noch einen Helm,
die Augen glühen rot wie Feuer,
er ist ein wahres Ungeheuer.
Doch nicht genug, denn dieser Hund
speit auch noch Flammen aus dem Mund,
und seltsam ist – bitte nicht lachen –
der Kerl kann Riesensprünge machen.
Daher kommt ja auch sein Name,
verschreckte schon so manche Dame.“

„Hab’s auch gehört, sehr sonderbar,
als man ihm auf den Fersen war,
sprang er vom Boden bis auf Dächer,
und so entkam er, der Verbrecher.
Inzwischen kennt ihn jedes Kind,
wenn Gören ungezogen sind,
droh’n Eltern nun - das ist kein Gag:
„gleich kommt der sprunggewalt’ge Jack!“
Der Unsinn geht zu lange schon.
Auf! Auf! Wir fangen den Dämon!“

„Ja, bravo, Holmes, gesagt – getan,
doch brauchen wir nicht einen Plan?“

„Watson, Sie geistig armer Tropf,
den Plan, den hab‘ ich schon im Kopf:
Mit einem Netz fang ich den Jack,
sonst springt er uns gleich wieder weg.
Den Frauen scheint er zugetan,
dann locken wir ihn damit an.
Sie haben doch `ne hübsche Nichte,
so denke ich mir die Geschichte:

Sie soll ihr Zimmer nachts erhellen
und sich dann nackt ans Fenster stellen.
Der Dachfirst, der sei mein Versteck,
und wenn er auftaucht, dieser Jack,
werf‘ ich das Netz gleich über ihn,
so kann der Schurke nicht entflieh’n.
Sie müssen dann die Hufe schwingen
und nur den Kerl noch niederringen.“

Fünf Nächte liegt man auf der Lauer,
und Sherlock Holmes wird langsam sauer.
Die Nichte zeigt sich nackt am Fenster,
doch weit und breit keine Gespenster.

Doch in der sechsten Nacht, oh Graus!
Ein schwarzer Schatten springt vors Haus,
springt rauf bis in den ersten Stock
und blickt durchs Fenster – geiler Bock!
Doch Sherlock Holmes, herab vom Haus,
gekonnt wirft er sein Netzt schnell aus,
und Watson stürzt sich ungestüm
sogleich aufs schwarze Ungetüm,
das Feuer spuckt und zischt und raucht,
wild um sich schlägt und tritt und faucht.
Holmes sieht, als er zu Hilfe fliegt,
wie Watson da am Boden liegt.

„Er ist entfloh’n, der konnt' sich wehren,
zerschnitt das Netz mit Fingerscheren.
Ich sprang ihm nach und packte zu,
griff dieses Cape und einen Schuh.
Ich hielt ihn schon an seinem Zopf,
dann traf mich etwas hart am Kopf.“

„Die Schuh, das ist ja kolossal,
bestückt mit Sprungfedern aus Stahl.
Der Feuertrick war auch nicht dumm,
fand's Fläschchen mit Petroleum.
Wir wissen jetzt, und das ist gut,
er ist ein Mensch aus Fleisch und Blut.
Und wenn ich mir sein Cape anseh‘,
dies Wappen mit gesticktem „W“,
kenn‘ ich sehr gut, geb‘ hier mein Wort,
ist vom Marquis von Waterford,
als Säufer, Raufbold wohl bekannt,
der "Mad Marquis“ wird er genannt.
Frau‘n haben seinen Hass entfacht,
weil eine ihn mal ausgelacht.
Das wird er sicher bald bereu’n,
und Scotland Yard, kann sich jetzt freu’n.“


P.S. Bei „Spring Heeled Jack“ (dem sprunggewaltigen Jack) handelt es sich in der Tat um eine historische Figur, nach Jack the Ripper wohl der bekannteste Verbrecher im viktorianischen London. Der dritte Marquis von Waterford geriet wirklich in Verdacht, man konnte ihm aber nichts nachweisen. Spring Heeled Jack wurde daher nie gefasst.


© Pedda/gog 18.06.2015


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