Es ist Freitag, der 23. Dezember 2016 abends und schmücken gerade den Christbaum da lief in meinem Inneren ein Film ab, den ich zu Papier bringen musste.

Auf den Tag genau vor 56 Jahren hat es sich so zugetragen.

Schon um 9:00 Uhr war die Schule aus und ich ging schnellen Schrittes nach Hause. Mutter war in der Arbeit, kein Christbaum weit und breit. Also schrieb ich ihr einen Zettel, dass ich zum Elternhaus des Vaters gehe und vielleicht einen kleinen Christbaum zu bekommen.
Gesagt, getan. Nach eineinhalb Stunden kam ich dann völlig durchgekühlt an. Es gab dann Tee für mich und dann kam die Frage, ob wir schon einen Christbaum haben, was ich verneinte, und dann kam das Folgende

Als ich mit meinem Onkel Christbaumholen war

Ein Dezembertag eisig und kalt
Da ging der Bauer in den Wald
Dick angezogen, fast vermummt
An seiner Seit` der treue Hund

Wir schritten schnell den Berg hinan
Zu sehen schon der dunkle Tann
Mir wurde innerlich ganz kalt
Gibt’s Hexen dort in diesem Wald

Angekommen dann am Rand
Nahm mich der Onkel an der Hand
Sagte dann ganz leis zu mir
Sei still und bleibe hinter mir

Denn hier in diesem großen Forst
Begegnet man bei strengem Frost
So allerlei ganz scheu Getier
Vielleicht ist auch der Biber hier

Mit schwerem Schritt und Tritt für Tritt
Stapft durch den tiefen Schnee er mit
Mir der in seine Stapfen trat
Es war beschwerlich, in der Tat

Wir gingen weiter, wortlos, schweigend
Blieb stehen er, nach vorn sich neigend
Und winkt zu sich mich schnell heran
Und zeigte in den tiefen Tann

Ich schlich mich dann zum Onkel hin
Und traute kaum dem Augensinn
Denn was zu sehen ich bekam
Das legte fast die Atmung lahm

An der Futterkrippe wie ich seh`
Tut gütlich sich ein schönes Reh
Es schaut herüber immer wieder
fährt wohl Angst in seine Glieder

Und Tasso, unser treu Begleiter
Er will plötzlich nicht mehr weiter
Schaut gebannt und setzt sich hin
Ihm kommt nichts Böses in den Sinn

Der Onkel sagt dann leis zu mir
Die stille Zeit gibt`s auch beim Tier
Friede wünschen nicht nur Menschen
Auch die Tiere kennen Grenzen

Und weiter ging es durch den Wald
Ich hoff, wir finden jetzt doch bald
Ein Bäumchen das das Zimmer schmückt
Und den Mensch dadurch beglückt

Nach langem Suchen war`s so weit
Ein Baum der reichlich angeschneit
War des Onkels klare Wahl
Hat viele Zweiglein, ohne Zahl

Der richt`ge Baum ist ausgewählt
Der Onkel auf die Knie jetzt fällt
Er auf die Stirn ein Kreuz sich macht
Und schneid`t den Baum jetzt ganz ganz sacht

Ganz langsam dann der Baum sich neigt
Und wieder seine Schönheit zeigt
Dann fällt er in den tiefen Schnee
Es tat ihm hoffentlich nicht weh

Zurück zum Hof mit schnellem Schritt
Ich komm mit Onkel kaum mehr mit
Und dann im Hof den Baum verpackt
Sind fertig, als der Onkel sagt

Ich fahr dich mit dem Traktor heim
Der Weg mit Baum zu lang wird sein
Doch in die Stube erst wir gehen
Um aufzuwärmen Hand und Zehen

Es roch nach Keksen Tee und Kuchen
Und wir daran zu laben suchen
Dann der Onkel plötzlich sagt
Die Heimfahrt ist jetzt angesagt

Die Tante kommt mit großer Tasche
Als ich dann einen Blick erhasche
Seh` ich drinnen was zum Schlemmen
Sie mußt` sich wohl vom Hühnchen trennen

Auf den Traktor schnell hinauf
Angestartet, lauf, lauf, lauf
Und siehe da, nach kurzer Zeit
War ich zu Hause, welche Freud

So war Weihnachten zumindest mit dem Baum gerettet. Mutter und ich haben ihn dann am nächsten Tag geschmückt und dann schweigend zusammengesessen. Es waren wohl die besinnlichsten und traurigsten Weihnachten, die ich je erlebt habe. Vater hatte uns im Mai für immer verlassen, Hilde hatte Nachtdienst im OP und Hermi war weit weit weg zur Arbeit am Genfer See. Es wollte keine richtige Weihnachtsstimmung aufkommen. Wir gingen noch zur Mette und dann schlafen, um wenigstens für kurze Zeit alles zu vergessen.


© hapesto


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