- I - Frauensteiner Kirsche

- 1 -
Die Kirschen strahlen rot in Laubgewänder.
Die Frauensteiner Täler wiegen sich im Grün.
Die bittre Tränen tropfen und erglühn...
Ratlosigkeit prägt deine Stimmenbänder.

Du gehst mit mir, doch innerlich – abhanden!
Was soll ich machen, dass dein Schmerz vergeht?
Famieliensorgen treffen dich konkret.
Ich aber bleibe irgendwie am Rande.

Die Pflicht des Vaters ist mir zwar bewusst,
doch bleiben meine großen Augen trocken...
Vielleicht bin ich dickhäutig und robust?

Nun küss ich dich spontan. Oh, Überraschung!
Du bist zwar traurig – Lippen deine – süß!
Dazu die Kirschen reichlich zum vernaschen..


- 2 -
Nach sieben Tagen sind wir angelangt,
wo du so bitterlich geweint am Waldeshänge.
Die selbe Bank und bunte Gräser große Menge.
Einst blasse Kirschen – dunkelrot verbrannt.

Die Tüte kostet immer noch Mark sechs.
Doch die gedämpfte Stimmung weht ganz milde...
Die Wiesenblumen prägen dein Gebilde.
Rotnelken, Glockenblau, Mech-Mech.

Ach ne! Das letzte Kraut ist nirgends im Visier!
Doch sehe ich es sinnlich vor mir blühen.
Und zwar in schwarzen Locken nur bei dir!

Ein altägyptisches Wahrzeichen der Begehrten.
Es leuchtet grell und droht vollständig zu erglühen!
Oh bleib, oh bleib in Flammen Unversehrte!


- 3 -
Der grelle Blitz mit trocknem Donner
reißt launisch uns aus süßem Schlaf.
Großäugig schnallt der Kater brav
ins Wohnzimmer. Der Samstag hat begonnen.

Du springst vom Bett und schließt die Tür,
damit die Träume nicht entweichen können...
Doch sowieso sind welche uns entronnen
und spielen in den Wolken Ouvertüre...

Und da, in schwindeligen Höhen, die Fluidums,
als Matrize von unsren luzid Teilen,
entfalten sich wie freie Individuums...

Es wimmelt nur von leichten Kreaturen!
Sie schaukeln sich auf Regenbogenseilen:
"Hallo, hallo, da unten auf den Fluren!"


- 4 -
Am dritten Juli war es dann so weit.
Traf Plasma- Stoss die beide Gegensätze.
Beim Aufprall flogen nur die Fetzen.
Plus-Minus-Pole wurden nun vereint.

Nach Stillung schrie der herbe Wirbeldrang!
Umhüllt von Hitze, schmolz Gewebewelle,
und schoss empor die Salve aus der Quelle.
Zwei Grenzen sprengten sich für ein Empfang.

In einem schlossen sich zwei Kreise.
Ein neues Reich, verlockend, opulent,
verlangte dringlich einzureisen.

Schnell, schnell, bevor die Tore schließen!
Begegnet da das wilde Element.
Die Knospen brechen und entsprießen!


- 5 -
Der grelle Blitz mit trocknem Donner
reißt launisch uns aus süßem Schlaf.
Großäugig schnallt der Kater brav
ins Wohnzimmer. Der Samstag hat begonnen.

Du springst vom Bett und schließt die Tür,
damit die Träume nicht entweichen können...
Doch sowieso sind welche uns entronnen
und spielen in den Wolken Ouvertüre...

Und da, in schwindeligen Höhen, die Fluidums,
als Matrize von unsren luzid Teilen,
entfalten sich wie freie Individuums...

Es wimmelt nur von leichten Kreaturen!
Sie schaukeln sich auf Regenbogenseilen:
„Hallo, hallo, da unten auf den Fluren!“


- 6 -
Am zehnten Juli – Kirschenblütenstrasse.
Gesättigt von dem Obst zum Schluss,
verspürten wir ein herrlichen Genuss
auf unsrer Bank am Waldrand, wo wir saßen.

Die jungen Eichen hat die Försterei
gerodet. Schwindet Blütenpracht.
Blauglocken – Sommer ist vollbracht!
Durchstöbernde Heuwolken. Raserei!

Nicht alles heute war so gut gelaufen.
Bespritzt mit Kirschsaft sind nun meine Hose...
Dies war vielleicht ‚ne Art moderner Taufe.

So ungewollt ergötzen uns die kleinen Scherze.
Die Sinne schweben transparent und lose...
Du weinst und lachst aus übervollem Herze!



- 7 -
Die Wiederholung schien unmöglich, doch
wir wagten es nochmals zu wiederhohlen,
den Kirschrausch letztens nachzuholen.
Verschlang uns Waldes grünes Loch...

Es spuckte uns heraus bei Frauenstein.
Vorfreude trieb uns zu der Einkaufsschlange,
im Garten der Begierde und Verlangens.
Vier letzte Pfund und ab in Horst hinein!

Die selbe Stunde, nur die Schatten länger...
Bekannte Eichen bieten Unterkunft.
Es wird auf unserer Bank ja immer enger...

Nur teilt uns die verdammte Früchtetüte.
Und hält uns ab der wachsame Vernunft.
Berühren sowieso paar Blüten Gegenblüten!



- 8 -
Das rote Obst erzeugt ‚ne Euphorie
der Indianer Freiheit auf der Heide.
Wir rupfen herbe Beeren ungekauft
und ungefragt. Noch ahnen nichts die Wirten.

Statt dessen brummen bunte Wespen ‚rum –
die Konkurrenz macht ihre Stacheln scharf
und sticht uns mit Vergnügen in die Finger.
Was soll’s! Je mehr begehren wir die Frucht.

Die launische Gedanken im Gebüsch
rechtfertigen die unerlaubten Taten,
verharmlost das Gesetz des Eigentums.

Uns kann der Wirt zu jeder Zeit verhaften.
Dagegen haben Wespen freien Flug.
Beschützt sind sie von „Bündnis 90 die grünen“.



- 9 -
Saftige Sonne gespeichert im Tal.
Tal der Erkenntnisse – steinigen Hang.
Rheinblick als Durchfahrt zum ZDF-Turm.
Bröckelt und schwindet das Wellen-Draht-Team.

Sternenpartikel gehänselt am Ast,
(Ast, der verschont von der Säge und Beil)
zeitlich und emsig gewogen in Sicht,
werden vermarktet am Frauensteinrand.

Luftschlangen winden sich auf dem Asphalt.
Tauziehen führt zu Erschöpfung und Frust.
Wiegt sich die neblige Sehnsucht im Trance...

Formen verformen Erwartungen prompt.
Der umso länger bleibt öfter am Ball,
wer sich verbissen die Krümeln verscharrt.



- 10 -
Scherben von Glocken erklingen Alarm.
Nelken bespritzen die Leinwand der Lichtung.
Knorrige Eichen – Blechblätternetz scharf
Packen dem fallenden Helium-Arm.

Hämmert und donnert das Wolkengehirn.
Schauer begießt die unlösbaren Fragen,
nagelt sie hartnäckig fest an dem Nacken.
Fraglich, unfraglich – da hilft Aspirin.

Leierbach treibt hin und her seinen Schwindel.
Schwebende Zungen geformt im Refrain
schlürfen den Tau von den Wiesen-Geschirre.

Frauenstein ballert mit Kirschen-Kartätschen.
Kauende Kiefern geformt im Refrain:
Schluck’ die Umhüllung – die Kerne spuck’ aus!



-11-
Fühlen wir uns irgendwie überfordert,
von den frustrierenden Sorgen geplagt.
Möchten wir flüchten in südliche Gegend,
wo die Exotik vielleicht gibt uns Trost.

Finden wir hier in der nördlichen Sphäre,
in den alltäglichen Trott keine Ruh.
Frauenstein hat ihre Kirschen verballert.
Nun wehen Winde befremdet im Tal.

Um die Gemüter erneut zu erfrischen,
nach Andalusien möchten wir schnell!
Nur ich und du für acht Tage zu zweit!

Lassen wir uns diese Rundreise buchen,
die unsre Sehnsüchte sicher erfüllt!
Was danach kommt, werden wir ja mal sehen...



- II - Eine Andalusien-Rundreise


1
Der Flug nach Malaga schoss über Pyrenäen
zur Sicherheit zehntausend Meter hoch.
Der Abendstrahl versprach uns Wohlergehen.
Der Himmel wirkte trügerisch jedoch.

Den Kapitän besorgte die Vorahnung.
Ein Feuerball erschien auf dem Radar.
„Gewitterfront. Ich bitte um Anschnallung,
für zehn Minuten!“, – war sein Kommentar.

Vor uns lag eine Riesenwolke auf der Lauer,
die unsre Flughöhe weitgehend übertraf –
‚ne schwarze Donner-Blitzschlag-Mauer!

Durch enge Spalte schlüpfte Dural-Fliege*
und flog nur etwas wacklig, aber brav!
Frontal wirkt cool, doch lieber eine Biege!


*- Dural-Fliege – ein Flugzeug besteht aus Duralalu
- 2 -
Nach Landung ging es nach Torremolinos.
Zypressenharz verströmte straken Duft.
Durch Brillenschriften strahlten die Casinos.
Der rote Mond vesank in Meereskluft.

Die engen Gassen führten zu Cervantes,
zu seinem Erbgut – Sterne-Vier-Hotel.
Man hörte Trab des treuen Rosinante.
Da herrschte Don Quijote, der Rebell.

Rezeption bsetzt von Sancho Panza.
Er gab uns Schlüssel zu dem Doppelzimm.
Durchdrungen von der spanischen Romanze,

die Grillen warben schrill wie Kavaliere
um Dolcineas Seele. Welch ein Grimm!
Die irren sich! Die schönste ist Elvira!



- 3 -
Auf Kalksteinfestung thront die runde Ronda,
‚ne Stadt durch eine tiefe Schlucht getrennt.
Die Aussicht rätzelhaft, sie ähnelt La Gioconda,
da Vinci Bild: Mehrdeutigkeit, latent.

Damit die Macht auf beiden Seiten sich vollstreckte,
den schmalen Spalt hat man mit Bogen überbrückt.
Auf allen Vier erprobten Stier und Ross die Bindungstrecke.
Auf ihren Zwei – die heiße Carmen, feiner Rilke voll entzückt.

Von beiden Seiten türmte sich Gestein.
Erstarrte Zellen – Weisheit des Präkambriums.
Entblößtes Innere nimmt man in Augenschein.

Vernunft und Vision geteilt durch tiefe Lücken...
Die Gegensätze bilden sich im Embryo...
Zwei Hälften des Gehirns verbinden schmale Brücken.

4
Vom Felsen runter fällt der Serpentin.
Zwei Farben können wir dabei erkunden.
Der Kalk und Pinien beeinflussen die Sinne –
Lebloses Weiß mit saftig Grün verbunden.

Webschützen-Bus webt Ornament am Hang.
Bis Estepona faltet sich das Tuch,
wo Palmen-Fransen zieren Meeresbucht.
Nach La Linea geht es da entlang.

Costa del sol: die Strände - Augenbauen.
Die Brandung – Perlenkette Andaluz.
Unendlich weit der Horizont in blauen.

Die bunten Welten sind zu allgemein!
Ganz in der Nähe – du, mein Licht, la luz.
Ich bin recht scharf auf dich allein!


5
Nach La Linea glänzt der Giblartar,
am Unterleib Iberiens – Karfunkel.
Wie ein Appendix schwebt im Meer bizarr -
durchlöchert halb und halb versunken.

Ein lustig’ Brite fuhr uns zu den Höhlen hopp, hopp
und quatschte fuchtelnd mit den Händen:
"Das deutsche Bier steigt mir zum Kopf!"
Er war beschwipst und konnte kaum noch wenden...

Form Höhleneingang warfen wir ein Blick aufs Meer.
Die Nebelschwaden zogen nach Marokko.
Verwöhnte Affen stellten sich uns quer.

Mich stachen fleißig Mücken Giblartars.
Elvira tröstete mich locker.
Ade an frischen Morgen, „Rocamar“*!

* - Hotel

6
Gewundene Eichen entblößt bis zum Nabel
tanzen entlang der Stierkampfstraße Flamenco.
Wenn Blut die zerfetzten Bahnen verlässt,
in wildem Rausch die glühende Wüste tränkt,

bevor die Dürre haucht – ballt Quintessenz
‚ne schwarze Plasma-Blitzstoß – Hörner toro*,
zerspaltet die Membrane – Feuerball!
Explosion gebärt "Jerez de la Frontera"!

Die neue Quell’ tränkt unsere durstig’ Zellen
Mit freiem Blut der würzig’ Reben – Sherry.
Flamenco-Eichen prägen Andalusischen Dreizack.

Ich trinke für das Sternenbild, das vor mir da
erstrahlt schrägäugig und es heißt Elvira.
Erstmals entdeckt – Patent gehört nun mir!



7
Nach Cadiz kamen wir um Mittagszeit.
Die Oleandern spendeten kein Schatten.
Die Hochseedampfer dar den Staaten.
Sein weißer Bord wirkt wie verschneit.

Panierte Fische gingen alle holen,
wie Reiseleiter Julio empfohlen.
Ich und Elvira wollten nur noch Kuchen.
Bald unterlagen wir der süßesten Versuchung!

Genossen wir den Überblick aufs Meer.
Die Mädchen an dem Strand da trugen mini.
Die Baderegel: weniger – ist mehr.

Ruht Cadiz auf dem Schnecken-Felsen-Brocken,
ein Rest von der Atlantis – schrieb so Plinij...
Geschichte träumt, da wir im Busse hocken.



8
„La Macarena“ – Sterne Vier, Sevilla.
Verglaster Innenhof scheint grell und imposant.
Am Abend geht es zu dem grande rio,
Guadalquivir mit Harfenbrücke überspannt.

Moderne Brücke führt zu Weltausstellung.
Die EXPO-zweiundneunzig zeigt ihr Geist.
Skurrile Bauten einsame Erhellung
Gesichter aller Länder lobt und preist.

Verbrannt Gebäude steht surrealistisch –
Pavillon Entdeckungen weltweit.
Skelett verkohlter wirkt auf uns sehr mystisch.

Hat Feuerbiest gesorgt für Überraschung!
In wenigen Minuten – Nichtigkeit!
Die Zeugnisse der Menschheit – Schutt und Asche!



9
Bei Nacht Jasmine schwärmen von Elvira.
Verrückt nach sie Hibiskus in der Nacht.
Sevillas Gärten wogen Palmentracht.
Da können wir auf immer sich verlieren.

Die Donnen und die Granden defilieren
als Reisegruppe durch die engen Gassen.
Auf Innenhöfen prachtvolle Terrassen.
Das Eingangsschild: "Ceramica Elvira".

Mein Schatz sieht ihren Name überall.
Es lauern hier bestimmt viel Kavalieren.
Die Dunkelheit verschleiert uns total,

sodass ich fürchte keine Konkurrenz.
Wenn Don Juan rasiert wird von Barbieren,
bleibt uns erspart die wilde Turbulenz!



10
In Sicht kommt Plaza de Espana –
Da wird gezeigt Geschichten-Panorama.
Die Spanische Ereignisse in Dramen
Den strammen Bogen überspannen...

Bei grellem Monde und bei Feuerregen
Asturiens Prinz trug den Santa Cruz.
Von Nord nach Süd zog er nach Andaluz
und brachte als Erlöser Gottessegen.

Keramikpuzzeln bilden die Fassade.
Im Fordergrund – Palacio Central.
Kolumbus Schritte – stolze Kolonnade

verkünden Springe über die Atlantik.
Eroberung Amerikas real!
Das Licht und Schatten – pro und anti...



11
Es nieselt in Sevilla im August.
Es tröpfelt auf dem heißen Pflaster.
Elviras Augen sprühen voller Lust -
ob schlagen Kätzchen auf die Tasten.

Sie spielen die verrückte Ouvertüre.
Flamenco abgefeuert aus Triana,
ein Wirbeltanz mit singenden gitanos.
Rastloser Abend krönt die Abschiedstour.

Verwandlungen verschlingen die Exotik.
Gehört die Tabakfabrik einer Uni.
Verkündet Carmen Lehre – nicht Erotik.

In diese Lücke springt Elvira rein.
Ihr Anmut prägt el amor und la luna.
Wirkt heißes Lispeln stärker als ein Wein!



12
Der Garten del Alcazar,
Plaz der Donna Elvira.
Bekommen wir Glück in bar,
in dem wir die Sorgen verlieren.

Allee de Cristobal,
Park der Maria Luisa.
Die Aussichten spezial
wir rastlos andauernd genießen

bei Morgen und bei Nacht.
Siesta bringt uns nur Kummer,
da Ruhe angebracht...

Mari Trinis CD
beim müden Einkaufsbummel.
Ade! Sevilla, ade!



13
Nun genug hat über mich erzählt Enrique.
Ich, Elvira, schreibe weiter den Bericht.
Schwarze Kreisen bilden tausende Partikel.
Sperren sie der breiten Äckern weite Sicht.

Die verkohlten Untertassen rollen, rollen
reife Sonnenblumen ohne Kronenblätter.
Heiße Busen-Kegelfeldern sind geschwollen.
Richtung Cordoba bei vorgeheiztem Wetter.

Unseren Bus als Fahrer ohne Zweifel prima
Draußen glühen fünfundvierzig Grad.
Uns umgibt im Raum jedoch ein kühles Klima.

Es erzählt uns unterdessen Reiseleiter,
wie die Spanier nun leben ganz privat.
Wohnen sie in eignen Häusern froh und heiter.



14
Über Rio springt die alte Romain-Brücke.
Jemand spielt auf heißen Steinen auf Schalmei.
Asubio, kleine Flöte kauft Enrique.
Er versucht es: kommen Töne allerlei...

Wie ein Kind benimmt er sich, obwohl schon lange
hat sein Jugendalter er bereits verlebt.
Oft versteh' ich nicht sein seltsames Verlangen
nach den Dingen, die er selber nicht versteht.

Nach dem Kauf des Souvenirs kommt Kathedrale,
die in Säulen-Wald-Moschee ist eingepflanzt.
Die Rundbögen teilen sich durch goldne Strahlen.

Hören wir da viele SOS Signalen –
Mittelalterliche Qualen-Resonanz.
Die erworbene Schalmei ertönte Klagen...



15
Alcazar des Rois verbirgt ein Jardin,
ein Garten, der einst von Kalifen erbaut.
Den Liebenden sind hier die Hecken vertraut.
Versetzt uns ins Schwärmen Jasmin.

Fontäne in blumigen Rahmen prunkvoll
erzeugen ein' Traum-Widerschein.
Fließt Wasser in Eden wie Wein.
Es singen die Huri wie Engel lustvoll.

Ich schaue Enrique begeistert nun an.
Erwidert er schmelzend mein Blick.
Was hat dieser Garten uns bloß angetan!

Wir sind nicht dieselben – Erneuerung pur!
Juventus kehrt eilig zurück...
Es atmen die Götter, es lacht Sonnenuhr!



16
Der glühender Stern beraubt uns die Schatten.
Es brodelt in Adern und dämpft das Gemüt.
Enrique sonst lebhaft wirkt äußerst ermattet.
Ich spüre wie brennt es und duftet und brüht.

Da draußen am Tore träumt zaghafter Schimmel.
Und neben ihm flötet ein Grand-Vagabund.
Hier hinter den Mauern gab’s klagende Stimmen,
ob griff Inquisitor den Ketzer am Schlund.

Nach 500 Jahren ist alles verstummt...
Nur steht die verlassene alte Kapelle,
wo nachts huschen Geistergestalteten vermummt...


17
Wir sind im Palast des Marquis de Moncera,
der einst Vizekönig mal war in Peru.
Ihm brachten das Gold viele stolze veleros*.
Er griff nach den Schätzen und kam nicht zu Ruh’.

Der geizige Herrscher verdächtigte jeden
und zog sich in seinem Palast dann zurück...
Entleerte er völlig den Indios Eden.
Doch fand er im Reichtum kein eigenes Glück.

Langweiliges Leben floss still in Ubeda.
Da weilte, gesättigt von Wünschen, Marquis...
Geblieben ist heute von ihm nur Gerede,

bestäubte, vergoldete dunkle Gemächer.
Nur fühlen die adlige Mäuse sich mies.
Verhungerte Geister erzeugten Gelächter...


* - Segelschiffe
18
Unweit von Ubeda liegt gelbe Baeza.
Springbrunnen mit Löwen, die Durstigen stillt.
Nostalgische Sehnsüchte schmieden Synthese
der blonden Oliven mit Eichen im Bild.

Enrique wird hungrig – wir essen conejo*.
Die Mahlzeit schmeckt lecker mit heimischen Öl.
Uralte Gerichte, das Altertums Echo...
Dann geht unser Bus in das weite Geröll.

Verlassen wir bucklige Gegend La Loma.
Da ist für Wildnis ist Freiheit gelungen –
Da laufen die Hirsche und flattern palomas**.

Die gelbgrüne Hänge verziert von Oliven
sind mehrfach von Brüdern Machado besungen.
Die spanische Wehmut in starken Motiven...

* - Kaninchen
* *- Tauben
19
Landen wir im Gran Hotel „Luna de Granada“.
Glasaufzug zum Holodeck wie im Enterprise.
Für Enrique heilig ist dieser Ort – sagrado*.
Federico Garcia Lorkas Wendekreis...

Auf der Karte sein Museum liegt von hier nicht weit.
Mein Enrique aufgeregt, möchte jetzt dahin…
Ihn zu folgen hat vielleicht einen wahren Sinn.
Solch’ spontan Erlebnisse erfahren wir zu zweit.

Schnell am späten Nachmittag – zu den Heiligtümern!
Hitze reizt und treibt uns weiter gnadenlos.
Mag Enrique Poesie dauernd an zu rühmen...

Schließlich auf dem Gartenplatz finden blanco Casa**.
Aber das Museum schmückt ein schwarzes Schloss.
Ruhetag! Erwartungen müssen nun verblassen...

* - heilig, sakral
** - weißes Haus

20
Als die Nacht Granadas einbrach,
fuhren wir nach Albaicin.
Von da aus sieht man Alhambra
wie ein aufgeplatzter Apfel.

Julio erzählte kurz
von den Dynastie Nasriden,
unter deren Höhepunkt
die Granada einst erreichte.

Leider ging es dann bergab,
als die Königskasse leer war.
Ferdinand und Isabell
Drohten mit der Übernahme...

Kleiner König Boabdil,
letzter Herrscher von Granada,
floh verschüchternd in die Berge,
schaute weinend dann sich um...

Seine Mutter warf ihm vor:
„Du, mein Sohn, bist selber schuld!
Kampflos hast die Stadt verlassen.

Ziehe jetzt in den Exil!
Und verlass’ dich auf dein Schicksal!
Ende ruhmlos in Marokko!“


21
Nächster Tag bei Tageslicht
nochmals wurde von Touristen
Die Alhambra unterworfen.
Platzten fast die stolzen Mauern...

Alle Sprachen in der Welt
hörten wir in Sultans Bädern...
Schöne Frauen des Harems
flogen klagend ‚rum als Tauben.

Es war eng im Paradies,
im Palacio del Generalife.
Oleandern und Zypressen
wogten sich im Menschenmeer…

das Gedränge flaute ab...
Weiter gab’s ein Einkaufsbummel
im modernen Supermarkt.

Morgens ging es nach Motril
durch die Schlucht Sierra Nevadas.
Dann nach Frankfurt von Malaga...


III - Schiersteiner Gärten


- 1 -
Von Andalusien ging’s wieder nach Wiesbaden.
Im Rückblick toll die Rundfahrt uns erschien.
Von maurischen Ereignissen geladen,
im Inneren entfaltet sich Jasmin...

Und locken nochmals frisch uns zu verlieben
Sevillas Fluten von Guadalquivir,
ergänzt am Rheingau -Tälern von den Trieben
der Rieslings-Reben – Quelle der Begier.

Der Weinberg neigt sich tief zum Leierbach.
Der Traubensaft berieselt unsre Gaumen.
Der Wein berauscht und hält uns lange wach.

Die Laune treibt uns unbekümmert weiter.
Verirrte Traube hängt am Erlenbaume.
Sie schmeckt zu herb. Wir gehen weiter...



2
Es wuchern Gärten nahe Schierstein
Umrankt, durchflochten im Gebüsch.
Subtropengrün wirkt lustig im September.
Ein Papagei verflogen schreit und huscht.

Es stammt aus Indien und lebt im Rheingau.
Ein fremder Vogel bittet um Asyl...
Und du, mein Schatz, bist eine Lotosblume,
die in sich birgt exotisches Gefühl.

Ich möchte dieses Wunder nicht verpassen!
Verlebe lieb in steigender Frequenz,
um die gereizte Quanten zu erfassen!

Wir sind in Wirklichkeit zwei wilden schrillen Wellen.
Das Treffen bildet die Interferenz –
bizarres Muster der vereinten Quellen.



3
Und wieder geht es Richtung Rhein.
Die Laubgewänder feurige Blechtrommel
verkünden: „Sein oder nicht Sein!“
Der herbe Herbst statt weicher Sommer.

Wir sind ein Paar vereinten Gegensätze.
Ein ew'ges ringen um das Glück.
Und ständig tauschen wir die Plätze.
Es funkt ein Kurzschluss klick auf klick.

Da vorne bei der Trauerweide
entspringt ein wundersamer Born.
Sein Wasser – ungenießbar leider...

Zum schauen fließt es – nicht zum trinken.
Die Durstigen empfinden Zorn
und geht davon andauernd hinkend...



4
Was uns gefällt, das möchten wir verzehren.
Egal auf welcher Weise und wie viel.
Den Magen und die Augen soll man ehren!
Die Nahrung stimuliert und macht mobil...

Als wir entlang der Gartenstraße gingen,
ergötzte uns die Frucht an jedem Ast.
Prunkbirnen hinter hohen Zäunen hingen
und fielen unerreichbar in das Gras.

So taumelten wir in die falsche Richtung,
durch Bilder der Begierde abgelenkt.
Schon nichts für Gaumen – nur die freie Dichtung!

Die Sinnlichkeit verzehrt die Lüftungsnahrung.
Der Traumweg ward von Autobahn beengt...
Dann kam die Sackgasse – ‚ne tolle Offenbarung!



5
Das ist kein Baum in herbstlicher Verkleidung.
Hier jedes Blatt – ein leuchtendes Gesicht.
Von oben strömt ‚ne zärtliche Zuneigung.
Sie sehen gleich aus – sind sie aber nicht.

Das bunte Laub enthält auch deine Züge.
Somit erscheint am Baum von dir ein Bild.
Das Wetter tut uns aber kein Genüge .
Rundum dir Winde blasen rau und wild.

Betrachten uns von oben fremde Welten.
Dimensionen brüchig und labil...
Der nackte Wald gekrümmt von nasser Kälte

verliert die letzten blättrige Gesichter.
An langen Ästen schlummern Knospen still.
Bewahren sie für Frühling grüne Lichter.



6
Der transparente Wald versinkt in Träumen.
Die Frosten-Botschaft fällt schon auf dem Boden.
Geäst wie ein Skelett hängt an den Bäumen.
Es ähnelt nicht an Sommerantipoden.

Dazu kommt noch ein nebliger Cocktail.
Der bringt all unsre Wünsche zum Erliegen.
Ein schwacher Trost, dass dies nur temporal,
und irgendwann die Trübheiten versiegen.

Nicht alles in den Winden möchte knarren –
Der Baum vor unserem Fenster ganz in rosa
macht einen Streich und möchte nicht ausharren.

Ein zartes Wunder – die Dezemberblüten.
Der selig ist, wer hasst das karge bloße
Und schafft verschwenderisch reale Mythen!

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© Heinrich_Rahn


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