Das Amt

Ich komme also aus dieser sicheren, gut sortierten Umgebung, die man gemeinhin als Realität bezeichnet. Hier weiß ich wenigstens was mich erwartet. Klare Regeln: Wer den miesesten Charakter hat, steigt am Höchsten. Je ferner die Taten der eingeborenen Moral sind, desto dichter rückt der Erfolg. Ich weiß, dass wenn ich ehrlich bin, das gnadenlos von jedem ausgenutzt wird und Neid ein zuverlässigerer Begleiter ist als Liebe. Auch ist ganz klar, dass die Starken die Schwachen dominieren und die Schafe mit Präzision eines Uhrwerks an die Schlachtbank geführt werden. Unumstößlich fest steht auch, dass das Geld der Motor aller guten und schlechten Taten ist. Falschheit und Heuchelei gehören zum guten Tun. Mit Demut ist nichts anzufangen. Diese Realität belohnt mit Schlägen für den falschen Blick und reichert das Dasein mit Abschätzigkeit und Egoismus an. Die Lüge heiligt alle Mittel. Betrug und Intrige sind gefeierte Künste. Kurz: Alles ist in bester in Ordnung und wie für den Menschen in seiner Natürlichkeit gemacht.
Doch dann betrete ich das Amt und mit einem Mal ist meine gewohnte Sicherheit dahin. Plötzlich wird mir die goldene, um die Kurve geschwungene Tür aufgehalten. Ein einäugiger Pförtner im Lendenschurz mit antiken Säulenbeinen hebt die lederne Kappe und wispert mir ein freundliches Willkommen entgegen...

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