Wie ein Junkie jage ich dem nächsten Kick hinterher, lediglich um mich wieder lebendig zu fühlen. Paradoxerweise ist es die Leere, die die Drogen hinterlassen, die mich vollzufüllen scheint, doch sehnt es mich paradoxerweise trotzdem nach der Aufregung und der Intensivierung. Immer weiter ins Extrem hinein, sodass ich nicht mal mehr einem Tier ähnele, das frisst, um satt zu werden, denn das Gefühl der Sättigung habe ich bereits verloren. Doch wenn es meine Ethik ist, die mich abhält, endlich an die Befriedigung meiner unnatürlichen Intensivierungssucht zu gelangen, muss meine Ethik zuerst sterben! Wie scharfe Klauen eines Fleischfressers, zerfetzen meine Hände die Haut der jungfräulichen Gestalt meiner reinen Ethik, unter mir, und besudeln meine einst reine Welt mit warmem Blut. Und wie meine Zähen länger wachsen und zu rasiermesserscharfen vergilbten Weiß mutieren, bohren sie sich in das bereits zerfetzte Fleisch meiner wehrlosen Beute. Der Geschmack des Blutes lässt mein gebrochenes Herz hochschlagen und kommt der Befriedigung meiner Perversionen näher, als alles zuvor Erlebte. Adern versteifen sich und bilden sich unter meiner blutbefleckten vampirgleichen weißen Haut ab, als sie immer weiter pressen und drücken, während ich mich immer stärker in meine Ethik bohre. Nicht mehr ansatzweiße einem Menschen ähnelnd, reiße ich ein großes Stück meiner Beute aus ihrem verunstalteten Körper heraus und blicke ihr dabei in die verblassenden, zuvor himmelblauen Augen, in denen ich einst eine sorglose Zukunft zu sehen vermochte. Der Tod kam rasch, doch reicht mir der Kick noch immer nicht. Die verzweifelte Gegenwehr der freigelegten Knochen überwunden, brechen sie, während die Stimme der immer wiederkehrenden Lache in meinem Kopf zu schreien beginnt. Ein Kreischen aus den Tiefen meiner bröckelnden Seele lässt den Durst nach mehr explodieren und den abgeschälten Schädel in meiner Hand knacken. Wenn mein Herz schon gebrochen ist, weshalb sollte ich es dann jemals wieder öffnen? Wie aus einem Albtraum, schlage ich auf die Leiche unter mir ein und zerstückele sie, bis ein Blutbad zurückbleibt, dass jedem Menschen die Galle hochtreiben würde. Meine Ethik zerstückelt, sollte ein Leben in Freiheit auf mich warten, doch was bleibt, ist weder länger Ich, noch ein Mensch. Kein Grab widme ich ihr, stattdessen schaufele ich den ersten Teil meines eigenen Lochs. Denn wenn kein Kick der Welt mich mehr auf Dauer befriedigen kann, muss ich jeder Möglichkeit auf mehr nachjagen, selbst wenn ich dabei verloren gehen sollte. Ein Leben ohne Kick – ein Leben ohne Perspektive.


© Feeling Mask


1 Lesern gefällt dieser Text.





Kommentare zu "Ein Psychopath wurde geboren"

Re: Ein Psychopath wurde geboren

Autor: NERVENSCHMIED   Datum: 16.02.2022 8:19 Uhr

Kommentar: Na Bumm! Haut mich echt aus den Socken,extrem gut geschrieben!
LG Nervenschmied

Re: Ein Psychopath wurde geboren

Autor: Daniel   Datum: 08.03.2022 17:10 Uhr

Kommentar: Lieber Nervenschmied, vielen lieben Dank fürs Lesen! Schön zu hören, dass dich der Text umhaut. ;)

LG Daniel

Kommentar schreiben zu "Ein Psychopath wurde geboren"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.