Es sollte nicht soweit kommen. Also naja eigentlich schon, aber das Ende war mehr als ungeplant. Wie glücklich sie doch gemeinsam waren. Vor drei Jahren, als sie geheiratet hatten. Es ist überstürzt, haben die meisten gefürchtet, doch sie wollten das Gegenteil beweisen. Wahre Liebe erkennt man, wenn man vor ihr steht, hat er immer behauptet. Doch momentan scheint es ihm, als wären keine seiner Behauptungen wahr. Als wäre alles, an das er je geglaubt hatte, eine Lüge.

Der Gedanke quält sie, aber sie sieht keinen Ausweg. Tausendmal hat sie sich schon ein glückliches Ende erträumt, ein kleines Wunder. Wie in einem Film, wenn sich in den letzten fünf Minuten alles doch noch zum Guten wendet, und sie vor dem Fernseher sitzt und sich ärgert, weil sie ja eigentlich weiß, so spielt das Leben nicht. Aber die Hoffnung, die ist noch immer da, wie ein sanfter Lichtstrahl der ein vom Erdbeben zerstörtes Haus durchleuchtet. Doch es droht ganz in sich zusammenzufallen, wenn sie es nicht aufhält.

Und heute, zwei Wochen nach ihrem fünften Kennenlern-Tag, ja heute ist ihr erster Scheidungstag. Aufgebracht fährt er durch die Stadt. Zu schnell, wie immer, weil er zu spät dran ist, wie immer. Ein viel zu schöner Tag, für das was heute noch passiert. Aber wer plant das schon. An jedem Tag, an dem jemand stirbt, müsste es regnen. An den schönen Frühlingstagen, sollte neues Leben entstehen. Er liebt es über die Rätsel des Lebens zu phantasieren. Sie schaut ihn immer nur an, mit diesem Blick, der Skepsis, der Verachtung.

Sie ist pünktlich, wie immer. Auch wenn sie das Gefühl hat, das es falsch ist, will sie es richtig machen. Ehrgeiz, Perfektionismus, all das woran es ihm fehlt. Er sieht sie immer nur an, mit diesem Blick, der Verträumtheit, der Naivität.

Vielleicht können wir noch reden, alles ist noch nicht entschieden. Die Tatsache, dass er bald da ist, verunsichert ihn.

Bitte, lass es ihn nicht vermasseln. Sie will es nur hinter sich bringen. Nichts ist qualvoller als ein Feuer das langsam erlischt, aber noch immer ein bisschen glüht.

Ich ruf sie an, voller Hoffnung, es ist ein Zeichen, er braucht ein Zeichen, von oben, das ihm den Weg weist.

Sie geht zielstrebig über die Straße. Gefangen in den Gedanken, von denen sie sich zu befreien versucht, die wie ein Schleier über ihr liegen, der sie zu Boden drückt.

Er greift zum Telefon, es entgleitet ihm, wie die Liebe zu ihr, die er dachte für immer zu besitzen.

Sie hört ein Hupen, dreht sich um, sieht ein Licht und verschwindet darin. Für immer.


© dani


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Kommentare zu "Für immer."

Re: Für immer.

Autor: noé   Datum: 01.04.2014 2:27 Uhr

Kommentar: Toller Text! Kommt so einfach daher geschlendert und ist doch so tiefgründig, aber mit einer nonchalanten Leichtigkeit. ganz toller Text!
noé

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