Einsamkeit ist allgegenwärtig. Sie hat aber nichts damit zu tun, ob man andere Menschen um sich hat oder nicht. Zuerst wollte ich „Alleinsein“ als Synonym dafür verwenden, keine Menschen um sich zu haben, aber das ist nicht eindeutig, weil man sich auch alleine fühlen kann, wenn andere zugegen sind. Unabhängig von der Bezeichnung (Worte sind schließlich auch nur Schall oder Farbe): Je weniger Menschen ich um mich habe, desto weniger einsam bin ich. Zumindest, oder vielleicht, fällt einem die eigene Einsamkeit dann weniger auf. Es könnte das fehlende Zugehörigkeitsgefühl sein, evolutionär betrachtet würde das Sinn ergeben. Ich komm später darauf zurück.
Bahnhöfe als Transiträume können ganz schön einsam sein, aber das bringt ja auch immer Chancen mit sich. Ich schreibe von Bahnhöfen, weil ich gerade auf einem war und jetzt im Zug endlich zum Schreiben komme. Obwohl „endlich“ übertrieben ist. Ich war zwar viel zu früh dort und deswegen auch lange auf dem leeren Bahnsteig, aber rein theoretisch hätte ich auch schreiben können. Nur war essen zuerst wichtiger. Und dann war es kalt. Jetzt im Zug gibt es sonst nicht wirklich was zu tun. Reden muss gerade nicht sein. Wir sind auf der Strecke zwischen Wien und St. Pölten. Unterlage für dieses Notizbuch (in dem die erste Rohfassung entstand) ist zurzeit ein Hamburg Reiseführer. Vielleicht traue ich mich nur, so viel zu schreiben, weil unsere Mitreisenden drei - bzw. eigentlich zwei - Slowaken sind. Der dritte sitzt nur momentan bei uns, ist aber eigentlich in einem anderen Abteil. Und „unsere“, weil ich mich mit der Frau, die noch mitreist (sie sieht aus wie Mitte 20) schon unterhalten habe. Sie hat in Kopenhagen studiert und ist auf Arbeitsreise, also vermutlich schon über Mitte 20. War mir sehr sympathisch, bzw. ist sie es, aber es kann gut sein, dass wir so unterschiedliche Welten bevölkern, dass wir da schon richtige Barrieren haben. Wird wohl nicht die Freundschaft fürs Leben.
Reiseerfahrung ist bei mir zwar nicht nicht vorhanden, aber Übung fehlt schon. Oder vielleicht auch nicht. Erfahrung dafür aber sicher, was sind schon 18 Lebensjahre wenn man nur einen kleinen Teil davon selbstständig unterwegs war.
Das einfach vor mich hinschreiben, fast schon monologisch aufschreiben was mir so durch den Kopf geht, hat sich durchs Brigitte Schwaiger lesen noch verstärkt. Glaube ich zumindest. Vielleicht hab ich es auch perfektioniert. Oder es hat auch gar nichts mit ihr zu tun, es hat sich, seit ich angefangen habe, nur durch mich selbst verändert. Dann hat mich wohl alles und nichts beeinflusst. Alles nichts Konkretes um geklaute Wortfetzen zu verwenden. Aber eigentlich sind sowieso alle Wörter von anderen, ich reihe sie nur ein bisschen anders aneinander.
Ich sitze im Nachtzug (Nightjet, wies so schön heißt) nach Hamburg. Auf der Liege eines Sechserabteils, Wagen Nr. 262, Liege 081. Obwohl die wird sich noch verändern, bin schon gefragt worden, ob ich tauschen möchte und ganz oben liegen. Sollte kein Problem sein, hab gleich zugesagt. Zwischendurch hab ich Zweifel, ob Hamburg eine gute Idee war. Ein bisschen Angst ist da, ich flippe innerlich schon den ganzen Tag, aber Lächeln muss ich auch wenn ich dran denke. Vielleicht macht es mich glücklich.
Ich kenn immer noch keine Namen der Leute, die mit mir im Abteil liegen. Aber dafür weiß ich in inzwischen ganz schön viel über deren Leben, vor allem in Anbetracht dessen, dass wir uns genau heute Nacht begegnen. Die auf der Heimfahrt sind entspannter, erzählen mehr über sich. Oder es liegt nur am Typ Mensch und der Weg spielt keine Rolle. Ich hab gerade eine Freundin gefunden, für diesen Abend, diese Nacht im Abteil haben wir uns gut verstanden und wer weiß, kann sein, dass es nur hier so funktioniert. Ein Transitort, an dem niemand zuhause ist und irgendwie doch alle ein Zuhause finden können. Vielleicht gerade deswegen. Ein Transitort, mehr noch als ein Bahnhof, weil der Ort sich tatsächlich bewegt. Ich werd schlafen gehen. Ich bin nur mehr ein bisschen flippend wegen morgen, aber ich freu mich auf jeden Fall darauf.
Sonntag 9:35
Datum (bzw. Tag) mit Uhrzeit, weil es wahrscheinlich ist, dass ich noch öfter heute etwas aufschreiben werde. Ich habs geschafft ohne Panik das Hotel zu finden, mein Gepäck schon mal aufzubewahren und anzufangen, meinen Tag zu planen. Kunsthalle steht auf jeden Fall mal am Programm und dann irgendwo ans Wasser, obwohl der Tag so schon nass ist. Es regnet, ist bewölkt und ich bin jetzt schon durchnässt. Aber ich finds toll und wenn ich am Nachmittag auch ein Zimmer hab, werde ich alles zum trocknen aufhängen, heiß duschen und mich mal umziehen und so, darauf freu ich mich schon fast genauso wie auf das Stadterkunden jetzt dann. Das Trocken und Warm werde ich, wenn ich wirklich zu den Landungsbrücken gehe, auch brauchen. Achja und erster Eindruck von Hamburg: Der Bahnhof ist beeindruckend, Gleise unten aber von oben sichtbar, links und rechts - alles rundherum also – Geschäfte, Info, Warteräume. Die Straßen um den Bahnhof sind nicht so besonders, ich aus meiner übernächtigen Perspektive habs wunderschön gefunden. Also trauts meinem Urteil über Hamburg noch nicht.
13:55
Mozzarella-Tomaten-Irgendwas gegessen, es war warm und schon allein deswegen gut. Mein zweites Frühstück um 11 noch war ein Baguette mit Fisch. War ein bisschen heftig aber für heute irgendwie gerade richtig. Und außerdem bin ich in Hamburg, Fischbrötchen sind quasi Teil des Touristenpaketes. Dann war ich in der Kunsthalle. Zweieinhalb Stunden bin ich dort durchgegangen um mir den Großteil anzusehen und da hab ich noch vieles nur kurz und schnell beachtet. Nachtblau und As for the open sind mir in Erinnerung geblieben, genauso KP Bremer. Der seine Kritik teilweise ziemlich witzig angebracht hat, vor allem die angepassten Nationalfarben haben mich beeindruckt. Die Stimmung drinnen war sehr entspannt und die Sammlungen zum Großteil toll ausgestellt. Vor allem die „modernen“, ab 1900 also ca., sind hell und freundlich und ansprechend. Dann wieder haben sie ganze Räume nur mit dicken, schweren und viel zu stark verzierten Rahmen ausgestattet. Die Bilder verschwinden fast vollständig dahinter und sich darauf zu konzentrieren ist anstrengend. Als würden sie Rahmen präsentieren und die Bilder sind nur Füllmaterial. Hab die sehr schnell durchgangen und bin nochmal zu meinen Favoriten. Dann war ich auch schon wieder halbwegs trocken und geschüttet hats auch nicht mehr, also… zu Fuß weiter. Bin tatsächlich noch nicht in die Hamburger U-Bahn eingestiegen. Zu Fuß Richtung Bahnhof zurück weil ich den Weg schon kenne und dann dem Schild Richtung Rathaus folgend. Einfach weil das an der Kreuzung vorm Bahnhof stand und ein Blick auf Maps gezeigt hat, dass es nicht weit ist. Machen wir uns nichts vor, digitale Karten sind sehr praktisch. Das Rathaus war ein Rathaus – alt und ehrwürdig aussehend, mit großem Platz davor. Gleich daneben die Alster, viel interessanter zum Entlanggehen. Möwen die gefühlt doppelt so groß sind wie Tauben – vielleicht auch tatsächlich, ich hab den Vergleich aus dem gezogen, wie Möwe und Taube neben einander gestanden sind. Ein Schwan war auch am Wasser und noch viel mehr davon in der aufgestauten Alster.
Dann war ich nass, mir war kalt, ich war hungrig. Aber meine Stimmung war immer noch top. Stimmung kommt von innen, wird natürlich von außen beeinflusst aber hauptsächlich von innen. Beim Zurückspazieren hab ich einen Coffeeshop nach dem anderen begutachtet und bin dann doch zu dem, der schon beim Hinweg gut ausgesehen hat. Nach dem Konsum kann ich sagen es ist kein Top-Shop. Aber ich vergleiche auch mit den besten Kaffeeanbietern Wiens und da steht die Messlatte hoch. Ich hab dafür allen Grund, noch viele weitere in Hamburg auszuprobieren.
Schon wieder. Allein sein ist toll und fühlt sich gut an, solange ich nicht darauf achte, ob andere in Gruppen sind. Die Erklärung hab ich ja schon, es ergibt in der Evolution voll Sinn. Wer allein bleibt, auch wenn andere sich zusammenschließen, ist klar im Nachteil. Ich bin mir nicht sicher, ob solche Erkenntnisse erst beim Aufschreiben von Phänomenen kommen oder ob ich sie schon vorher gehabt habe und sie mir nur erst beim Schreiben bewusst werden. Allerdings macht das Gesamt-betrachtend nicht wirklich einen Unterschied. Beim Reden habe ich auch manchmal das Gefühl, das was ich sage, ist erst beim Aussprechen tatsächlich in meinem Kopf gelandet.
20:45
Jetzt in der Hotellobby, mit Hintergrundmusik, bisschen schummrigem Licht und zwei anderen Leuten, die Viergewinnt spielen. Was hab ich heut nochmal alles gemacht… Ich war bei den Landungsbrücken in St. Pauli und bin dort an der Elbe entlangspaziert. Im Sonnenschein. Die Stadt blüht richtig auf, wenn sich die Wolken verziehen. Es waren doch einige Leute dort, aber ich nehme an, bei Hochbetrieb schieben sich dort Menschenmassen über die Brücken. Haube habe ich irgendwann nicht mehr gebraucht, dafür aber meine Sonnenbrille. Was mich daran erinnert, dass ich Postkarten schreiben sollte. Jetzt wo ich schon welche gekauft habe. Sie haben aber nur 50 Cent pro Stück gekostet und das könnte gefühlt zum Problem werden. Briefmarken kosten sicher mehr und das wird wahrscheinlich meine Ausrede, warum ich sie nie abschicke. Ich bring sie vielleicht einfach so mit. Dann brauch ich auch nichts reinschreiben. Viel praktischer.
Nach den Landungsbrücken war ich im Schanzenviertel, eher durch Bauchgefühl (?), obwohl ich schon vollkommen fertig war (soo müde hab ich in der ersten Version geschrieben). Durch Zufall, weil ich in die U3 eingestiegen bin und einfach mal in eine Richtung gefahren bin, bis mir der Name „Sternenschanze“ so gut gefallen hat, dass ich ausgestiegen bin. Bin dort herumspaziert, es gab unglaublich viel Essen. Italienisch. Portugiesisch, obwohl es da sogar ein eigenes Viertel gibt. Griechisch. Pakistanisch. Spanisch. Vietnamesisch. Tapas, Pizza, Pho. Aber auch Fisch. Also nicht ganz im Gegensatz zu den Fischbrötchen-Verkäufern an der Elbe. Die sich mit Souvenirläden und Hafenrundfahrt-Vermarktern den Platz teilen. Wunderbar haben sie sich zum touristischen Gesamtpaket ergänzt. Das Schanzenviertel war auch auf Globalisierung ausgelegt – oder eine Folgeerscheinung, je nachdem wie man‘s nimmt – aber da war nicht das Ziel Typisch-Hamburg zu verkaufen. Und da waren zumindest aus meiner Perspektive vor allem Einheimische. Nicht so sehr Fototourismus-mäßig auf jeden Fall, obwohl es dafür schon auch sehr geeignet gewesen wäre. Hab beim Zurückgehen Erdbeeren gekauft und eine Banane dazu geschenkt bekommen. Mit der S21 Richtung Hotel und den Rest zu Fuß. Erdbeeren im Bad über dem Waschbecken gegessen. Weil ich natürlich nicht bedacht hab, dass die Schachtel unten Löcher hat… wollte das Zimmer nicht nass machen durch die tropfende Verpackung. Also Erdbeeren (deutsche) im Stehen vor dem Spiegel. Und dann Mandeln und getrocknete Marillen (Aprikosen). Und dann in die Hotellobby hinunter, bei Hintergrundgeräuschen Reiseführer lesen und dann schreiben. Also jetzt schreiben.
Montag 10:07
Latte Macchiato und kleines Frühstück im Herr Max. Im Szeneviertel in der Schulterblatt. Schulterblatt. Was für ein Name für eine Straße. Sternenschanze ist auch cool, die Gegend gefällt mir. Hamburger waren teilweise sehr kreativ beim Straßenbenennen, aber es gibt natürlich auch Ausnahmen – Susannengasse zum Beispiel. Dafür klingt der Name irgendwie auch schön. Apropos schön, das Wetter ist nicht so das idealtypische schön – dafür stört mich der Regen (vor allem jetzt wo ich im Trockenen sitze) gar nicht. Von drinnen ist das Wetter schön. Und wenn ich raus gehe macht das Nass und Kalt auch nichts, vor allem wenn ich beim Sightseeing bin. Es riecht gut im Herr Max – vielleicht bin ich aber auch einfach nur hungrig. Das Frühstück im Hotel dazu kaufen hab ich mir gespart, dafür bin ich schon durch Hamburgs regennasse Straßen spaziert. An den Landungsbrücken vorbeigefahren, die Elbe bei grauem Wetter gesehen. Über Pflastersteine und Regenpfützen gegangen. In ein Café gesetzt, nicht ins Erstbeste sondern erst nach zwei Runden in der Susannengasse. Bis ich dann hier gelandet bin und jetzt Kaffee und Scones serviert bekommen habe.
Warum führ ich eigentlich in Hamburg Tagebuch und sonst nicht? Ich erzähle sonst auch nur wenig von dem, was ich so gemacht hab, aber vermutlich immer noch viel mehr als hier, wo ich alleine hergereist bin. Dieses Notizbuch ist so gesehen auch eine Art Austausch – mit mir selbst, aber immer noch ein Austausch. Ich habe nette Tischnachbarinnen, in dem Café wird gerade gefilmt, es ist halbwegs voll – eigentlich sogar ganz voll wenn man ehrlich ist. Wenn ich ehrlich bin, um das „man“ auszulassen. Das Essen war auch sehr gut, hätte schon Potential für einen Lieblingsort. Obwohl zu Stoßzeiten herkommen vermutlich nicht zu empfehlen ist, wenn es Montagmorgen schon so voll ist. Vom Stil eher Vintage, bisschen Schäbig-Schick aber (oder deswegen) sehr gemütlich. Ich plane, heute noch einkaufen zu gehen. Schuhe, vielleicht Kleidung, vielleicht Mitbringsel.
Tag 2 „ganz allein“ und es passt noch ganz gut. Obwohl ich schon sagen muss, dass Gesellschaft haben mir abgeht. Andererseits hat es was, einfach machen zu können, was mir gerade einfällt. Keine lange Planung wenn ich nicht will und keine Kompromisse. Mein Leben ist doch oft eine Aneinanderreihung von Kompromissen, wobei ich anderen eher mehr zugestehe als mir, eher mehr nachgebe, mehr hergebe und wenn ich das zu oft mache bleibt nicht mehr viel von mir über.
Sticker und Poster haben in Hamburg Tradition so wies aussieht. Jeder Laternenpfahl und jeder Straßenmast (gefühlt jeder) ist voller Sticker. Freie Flächen werden, vor allem im Schanzenviertel, zuplakatiert. Mit bunten, kleinen Plakaten – gern auch 6 gleiche nebeneinander, um der Sache Nachdruck zu verleihen. Es sieht nicht so aus, als ob sie oft abgehängt werden würden. Erinnert mich an die Graffitischichten in Wien am Donaukanal, die auch eine über der anderen liegen. Wenn ein Teil ausbricht sieht man, dass sie mehrere Zentimeter dick sind. So stell ich mir das hier mit den Plakaten vor. Graffiti gibt es auch viel, aber die sehen wiederum so aus, als ob sie regelmäßig entfernt werden. Eher einzelne Tags, kleine Bilder, stark verteilt und auch an Hauswänden. Weswegen sie vermutlich regelmäßig entfernt werden. Es regnet immer noch leicht, aber ich werde dann wieder rausgehen. Und hoffentlich die Wärme hier drin mitnehmen können, zumindest im Herzen.
20:41
Schreiben lässt mich den Bezug zur Realität verlieren. Oder es verändert ihn. Oder es ist das allein unterwegs sein, dass meinen Blickwinkel so verändert.
Egal wie du lebst, egal wer, die meisten fühlen sich zwischendurch – von selten bis dauernd – einsam. (keine wissenschaftliche Beobachtung, ob das zutrifft muss jeder selbst entscheiden) Was sagt uns das? Spricht fast für sich selbst – wir glauben alle nur, dass wir die einzigen sind, die alleine sind und sich einsam fühlen. Über das Internet mit so vielen Menschen potenziell oder tatsächlich verbunden zu sein hilft auch nicht dabei, Einsamkeit komplett zu beseitigen. Einsamkeit ist ein Selbstläufer – je weniger du mit anderen sprichst, dich austauschst, zu tun hast, desto weniger gut kannst du aus dieser Einsamkeit kommen. Angeblich (so gehört) können Menschen dann die Emotionen und Signale anderer immer schlechter einschätzen. Interpretieren sie negativer, als sie sind. Reagieren weniger auf Positives. Und Isolieren sich noch mehr. Ich isoliere mich gerade mehr als notwendig wäre, als notwendig ist. Ich schrecke vor anderen Leuten zurück. Ich habs glaub ich schon fast geschafft mich selbst ins Burnout zu manövrieren. Dann hab ich aufgeschaut und gesehen, wo ich eigentlich gerade stehe und bin mal bisschen runter vom Gas. Und jetzt bin ich in Hamburg. Nicht unbedingt der klassische Ort zum Selbstfinden und Probleme aufarbeiten, aber es ist wunderschön hier – vielleicht hilft es. Vom Alleinsein hab ich auf jeden Fall schon was gelernt. Obwohl (?) ich zurzeit sehr in meinem Kopf lebe. Ich bin wer ich bin, egal wo ich bin.
Ich weiß noch nicht was ich damit anfangen soll. Ich weiß nicht mal, ob ich den Satz gerade selber erfunden habe, oder ob ich ihn wo mitbekommen habe und er jetzt nur auftaucht aus dem Chaos in meinem Kopf.
Du hast nur ein Leben, mach das Beste draus, mach was du willst. Und wenn ich jetzt schlafen gehen würde, direkt wenn ich ins Hotel komme – voll okay. Und wenn nicht, wenn ich in Netflix versumpere oder mich allein betrinke – voll okay. Weil ich nicht dem „Plan“ im Leben folgen möchte. Blödes gesellschaftliches Korsett.
Dienstag 11:24
Ich bin fast zwei Stunden durch die Stadt spaziert und hab jetzt Panini gegessen und Kaffee getrunken. Ich bin mir nicht sicher, ob das Essen so gut war oder ich einfach so hungrig, aber es war toll. Der Kaffee ist auch gut, auch wenn ich von einem von den Coffeeshops vermutlich begeisterter gewesen wäre. Aber das kann ich ja nachholen. Die Kaffeerösterei in der Speicherstadt war zu touristisch auf Massenabfertigung ausgelegt – lädt nicht gerade zum Bleiben ein. Die Nord-Irgendwas-Coffeeroasters sogar Dienstagmorgen voll – inklusive Schlange vorm Geschäft. Dazwischen hab ich mir die Speicherstadt angeschaut und die kleinen, fast schon verwunschen wirkenden Gassen. Ist find ich ziemlich gut gelungen, die alten braun-roten Gebäude mit modernen Glas- und vermutlich Stahlbetonbauten zu ergänzen. Das meiste ist auch wunderschön hergerichtet. Hamburg hat wies aussieht viel Geld, und das immer schon gehabt. Jetzt ist es schon halb zwölf und ich fahre um halb 9 am Abend von Hamburg weg. Planten un Bloomen steht auf jeden Fall noch auf meinem Plan. Dann vielleicht Lange Reihe, vielleicht noch einmal mit der Fähre 62 über die Elbe oder einfach so zum Hafen. U-Bahnstation Klosterstern steht noch auf meiner Liste, von der hab ich gelesen, dass sie so schön sein soll. Deichtorhallen wären auch noch eine Möglichkeit.
17:56
Bin endlich mal wieder zum Essen gekommen… aber diesmal hab ichs fast geschafft bevor ich zu hungrig zum Entscheiden war. Dafür war der Typ beim Verkauf super freundlich, hat mir Falafel zum französischen Salat geschenkt weil sie mein eigentliches Wunschessen nicht mehr hatten. Lächeln bringt manchmal so viel. Und ganz eindeutig kann ich wieder besser mit Menschen, ich schau auch wieder andere an, bemerke sie und allein das „bemerkt werden“ reicht meistens schon. Hat mich nachher auch gefragt obs gut war und hab ihm noch ein Lächeln geschenkt. Manche Leute werten Erinnerungen einfach sofort auf.
Mein Rucksack sitzt mir gegenüber, ich hab einen fast leeren Teller vor mir, Hamburg wird von Wolken eingedeckt, allein reisen ist toll. Detox von Gesellschaft oder so, ließe sich sicher gut vermarkten. Der Mensch passt sich an, allein oder in Gruppen – zum Leben reichts.
Ich bin heute fast den ganzen Tag zu Fuß gegangen, den größten Teil unter Sonnenschein und inklusive Schweiß. Den nicht so sonnigen zweiten Teil hab ich in der Deichtorhalle und in Einkaufsparadiesen verbracht. Einkaufsstraße, Einkaufscenter. Und jetzt Fast Food in „Salad“ und „Juices“ Verpackung. Guten Kaffee hab ich auch schon gefunden – durch Zufall wie auch sonst. Schicksal könnte mans auch nennen. Bin an einem Schild vorbeigekommen und hab nichts Besseres zu tun gehabt - Die Kaffeerösterei Peaberries ist auf jeden Fall empfehlenswert. Regenbogenfahnen zeigen dort in der Umgebung auch an, warum die Lange Reihe als Szene-Treffpunkt für die Queere Community gilt. Frei sein (FREI SEIN) in bunten Lettern auf der Straße, vor Fußgängerübergängen. Tolles Wort, sinnlose und doch notwendige Wiederholung von „gänge“. Erinnert mich an Hyper!. In der Musik sind Wiederholungen unumgänglich. Vier Akkorde wiederholen sich oft ein ganzes Lied lang. Auf die Kunst übertragen zum Beispiel Photoshop-Stempel über den Großteils eines Bildes.
Auch FREI SEIN wiederholt sich immer wieder. Vielleicht soll die Wiederholung bewirken, dass es hängen bleibt. Frei sein, sich entscheiden zu können. Frei sein zu lieben. Frei sein den eigenen Weg zu gehen.
21:00
Planten un Bloomen hab ich beim Schreiben noch ausgelassen, ich war vor Lange Reihe und Deichtorhalle dort. Der Park hat mich echt beeindruckt, durch die Größe, wie schön alles hergerichtet war und durch die Unmengen an Wasser, die dort durchfließen. Einfach, weil das so verschwenderisch wirkt, obwohl es in Hamburg vermutlich vollkommen egal ist – es gibt mehr als genug Wasser in einer Hafenstadt und das kann dann natürlich auch einfach so durch einen Park geleitet werden. Der wirklich ein durchdachtes Konzept hat, sowohl als Freizeitort als auch als Ort, an dem die Universität sich austoben kann. Japanischer Garten. Liegewiesen. Wasserspielplatz für alle, zwei Mittvierziger die sich mit Wasserpistolen auf einen Ball schießend ein Match liefern. Cafés. Liegestühle. Teilweise sogar überdachte Gehwege. Kinderspielplatz. See. Fische im Wasser und Trittsteine, damit sich jeder himmlisch fühlen kann. Ich war im Tropenhaus, hab Bananenpflanzen und Kaffee bestaunt, Farne, Palmen und Kakteen bewundert und war von dem Grün und von den Namen und den Beschreibungen begeistert. Bin außen um den Park herum gegangen und wieder Richtung Innenstadt. An der Außenalster vorbei – weiße Segel auf meerblauem Grund, weiße Wolken auf himmelblauem Grund. Und so viele Radfahrer und Läufer. Vom Hauptbahnhof zur Lange Reihe. Eine sehr süße Straße, besteht wie schon beschrieben, hauptsächlich aus Kaffeehäusern und Orten mit Regenbogenfahnen. Von dort dann zu den Deichtorhallen. Ohne drüber nachzudenken in die Halle für aktuelle Kunst, obwohl gegenüber die Halle für Photographie ist. Aktuelle Ausstellung: Hyper!. Mischformen zwischen Kunst und Musik (ist Musik keine Kunst?). Sieben Großformatfotos von Bodyguards am Eingang – die normalerweise Musikevents betreuen. Musik hat enorme Fangemeinden. Malerei und Photographie haben Bewunderer, aber kaum jemand würde in Bettwäsche schlafen, die mit Namen und Fotos von deren Machern bedruckt sind. Singersongwriter gibt’s nicht nur auf Bettwäsche, sondern auch in Tasche, T-Shirts, Tassen, und was ihnen noch so gerade einfällt. Musik ist für die Massen, andere Kunst meist nicht.
Im Zug, diesmal mit nicht-gesprächigen Mitreisenden. Die auch die Liegen sofort heruntergeklappt haben. Kein Vergleich zu denen bei der Herfahrt, die erst um 11 Uhr langsam in Richtung Schlafengehen gegangen sind. Fazit: Reisende können ganz unterschiedlich sein. Sind ja schließlich auch nur Menschen.
Kommentar:Das hat mir wirklich außerordentlich gut gefallen! Deinen sprudelnden Gedanken zu folgen, war wie ein Ritt im Galopp durch Hamburg. Da ich die Stadt kenne, habe ich deine Reisestationen mit Vergnügen verfolgt. Diese assoziative Art zu schreiben gelingt dir sehr gut!
Wenn die goldenen Blätter
von noch feuchten Zweigen fallen,
oder wenn braun glänzende
Kastanien sich aus ihren
stachligen Mäntelchen
befreien.
Wenn üppige Dahlien [ ... ]
Bist mir so nah und doch so fern,
stehst am Himmel in hellem Licht,
kleiner Stern, ich liebe dich,
deine Atome, Moleküle, den Sauer
- Wasser –und den Kohlenstoff,
denn ohne dich gäb es mich [ ... ]
Seitdem du nicht mehr bist, ist es mir kalt.
Habe kein Feuer, habe kein Licht.
Dein Lachen verstummt, dein Atem verhallt,
die Welt ohne dich – sie zerbricht.
Der Blues
trifft mein Herz,
zerschmettert es,
wirft es an die Wand.
Der Blues
hält im Dunkeln
zärtlich meine Hand.
Der Blues
streichelt meine Sinne,
trägt mich
durch die [ ... ]
Neulich erhielt ich eine Nachricht auf Instagram, in der ich gefragt wurde, ob man mich etwas fragen dürfe.
Ist doch schon passiert, dachte ich und schaute mir den dazugehörenden Account an. Ich [ ... ]
Jeder liebt doch sein Land - ist doch klar!
Darüber braucht man nicht diskutieren.
Meinungsfreiheit auch wunderbar,
wenn man sich nicht drüber müßt brüskieren.
Wärmend in der Brust, ist mein Gefühl an dich zu denken.
Leise ruft die Hoffnung mir, ein baldig Wiedersehen.
Wie ein zarter Kuss will mich das Leben leis beschenken.
Dieses scheint das Elixier, [ ... ]