Oberheimbach 2016
Sonnenlicht schien an einem Januarmorgen nur auf die Spitzen einiger Laubbäume
am Steilufer zwischen zwei linksmittelrheinischen Orten.
Heine nannte sie uralte, fast verfallene Orte in steiler, felsiger Flusslandschaft.
Vielleicht hatte er die Gegend gesehen, bevor Preußen im frühen 19. Jahrhundert
den Fluss fast kanalisierte, sie sprengten viele störende Felsen, befestigten Ufer und
bauten Straßen hoch auf die westliche Hochebene. Heine beschrieb sich in seiner
Erzählung ein Pogrom in Bacharach im 13. Jahrhundert vor, glaube ich.
Drüben, auf der hessischen Seite, lag von mir aus gesehen, ein Städtchen ganz im
Sonnenlicht.
Die Pastorin in Bacharach predigte über den Trost, den Menschen und Gott gewähren
können. Nach der Kirche und einem Neujahrsempfang der evangelischen Gemeinde
fuhr ich nach Worms in den Wonnegau. Ab Bingen zogen graue und weiße Wolken
nach Nord-Osten, graues Licht schien überall hin. In Worms besah ich wieder die
Mauernische , die, wie man erzählt, sich im frühen 12.Jahrhundert um eine
schwangere Frau geformt hatte, die ihren Leib an eine Synagogenmauer
drückte um sich und ihr Kind vor einem durchgegangenem Pferd in der engen
Judengasse zu schützen. Die Mauer gab nach, der Knabe wurde ein bis heute
anerkannter Gelehrter.
1938 stellte sich hier, am Eingang der Synagoge eine Wormser Lehrerin den
brandschatzenden Hitleranhängern mit ausgebreiteten Armen entgegen. Vielleicht
erkannte sie ehemalige Schüler wieder. Man schob sie zur Seite. Sie lehrte damals an
der Wormser Judenschule bis zu ihrer Verschickung in ein Vernichtungslager, bis
ungefähr 1935 hatte sie jahrzehntelang in einer staatlichen Wormser Schule
unterrichtet. Sie wollte die Kinder und Jugendlichen auf ihrer letzten
Stelle für ein neues und besseres Leben in Palästina vorbereiten. Früher hatten ältere
Gemeindemitglieder davor gewarnt die Regierung in Berlin durch Vorbereitung der
Kinder auf die Auswanderung zu verärgern.
Mit der Lehrerin wurden ungefähr 10 Schülerinnin und Schüler in die Todeslager
geschickt.
In einem Stadtkaffee wartete ich dann auf die Abfahrt des Zuges nach Bingen.
Das Licht blieb die ganze Zeit über gleichmäßig grau und unsichtbar.
Die Züge waren sehr neu und rochen noch fabrikneu.
Wie schon öfter guckte ich neugierig auf die großen rheinhessische Weinfelder und
Dörfer.
© hartmut
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Angélique Duvier
possum
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