„Nirgendwo in Rio vereint das Wort 'malandragem' am Besten seine kulturelle Bedeutung als im Ausgehviertel 'Lapa'“, sagte vor kurzem ein brasilianischer Freund zu mir. 'Malandragem' - Ausdruck, der zum Alltagsrepertoire vieler 'cariocas'- den Riobewohnern - gehört. Ein Begriff, der eine Art Lebensstil beschreibt, der an der Grenze zum Finsteren, zum Bösen steht, aber diese niemals überschreitet. Das erzählte man mir. Ich will ihn mitbekommen.
Freitagabends. Rund um die 'Arcos de Lapa', dem historischen Aquädukt im Herzen Rios, wenn die Sonne gegen sieben Uhr abends den Himmel orangepink färbt, dann legt 'Lapa' einen anderen Umhang um. Die Straßen, unzählige Bars füllen sich, Samba, Pagode, Rock dröhnen aus den Boxen, 'bagunça' und 'confusão' – Gewusel und Chaos dominieren die Straßen. An der Ecke wird spontan Musik improvisiert, Bier und Cachaça wandern aus rollenden Buden durch mehrere Hände. 'Malandragem'?
„Es kommt auf das Wo in Lapa an,“ sagt er verschwörerisch. Biegt man nämlich rechts von den 'Arcos' ein paar Schritte ab, genau da wo Reihen von Polizeiwagen mit bewaffneten Personal entspannt die Menschenschlangen beim Vorankommen beobachten, dann kommt man in eine kleine, gerade mal einige Meter breite Seitenstraße an, der 'Rua Joaquim Silva'. Dicht und eng.
Seelenleichen liegen hier in der Luft. Traurige, erschöpfte Girlanden dekorieren den schwarzen Himmel. Der Rauch von gebratenem Fleisch und 'cachorro quente' - dem heißen Hund, übertüncht den feuchten Geruch der Bierpfützen. Die Straße scheint in einem magischen Schimmer. Es ist der Dampf nach einem spontanen tropischen Regenguss einige Stunden zuvor, der irgendwo oben im grellen Licht der Straßenlampen verdunstet und sich irgendwo unten auf den Pflastersteinen spiegelt.
Hier suche ich den typischen 'malandro', den Verkörperer des 'malandragem', irgendwo zwischen einer Gruppe torkelnder Rastafaris, die neben einer meterhohen 'caixa de som'- einer Musikbox mit grässlichem Sound lässig wippt. Ich suche ihn zwischen Hip-Hoppern, die nebenan ins Mikro schreien. Der in brasilianischen Filmen und in Sambaliedern besungene Antiheld, der 'malandro', soll seine Stunden mit kleinen Gaunereien verbringen, Müßiggang und schnelles Leben beglücken seinen Alltag. Hier finde ich ihn nicht.
Es ist so eng, dass mir die türkisenen Rastazöpfe des Typens vor mir ins Gesicht baumeln. Die Masse bewegt sich sanft, fließt im unrhythmischen Takt der sich überlappenden Musikstile wie ein Strom vorwärts. Ohne Ausgang. Ohne Ziel. Doch darum geht es nicht. Sondern um das hier und jetzt. 'Curtir' – den Moment einsaugen. Erleben wie galoppierende Eindrücke aus Licht, Geruchsfäden und kämpfenden Sounds auf einen einprasseln wie ein leerer Hagelstrom.
In dieser fließenden Stromgasse die kurz vorm Überlaufen steht, siegt ein penetrantes Motorgeräusch die Aufmerksamkeit der nach Ablenkung süchtigen Meute. Ein Motorrad gibt bestimmend Gas, will sich einen Weg bahnen. Doch es stößt auf Kopfschütteln und Gelächter, der Menschenstrom lässt sich nicht einfach so wegdrängen. Nein, er schreit nach Feiergier. Die Hartnäckigkeit des mit einer Sonnenbrille geschmückte Fahrers ist jedoch stärker.
'Vagabundeo' – ich streune herum, tapse vorbei an einer älteren Dame, die inmitten des Menschenstroms still ihren Holzwagen den Straßenhügel hochschiebt, zwei schwere Kühlkästen liegen drauf. Nachschub.
Plötzlich hört man Schießgeräusche in der Gasse hallen. Ein, zwei, fünf Mal. Böller. Eine Gruppe Mädels aufgescheucht, läuft schreiend weg. Der 'malandro'!
Beschreibung des Autors zu "'Malandragem' in Lapa"
Der Text beschreibt einen Moment, eine Atmosphäre im Zentrum Rios, als ich versuchte den oft beschriebenen Lebensstil - den des 'malandragem' nachzuempfinden.
Kommentar:Gänsehauterzeugend lebensnah, und eine leichte Ahnung lugt auch um die Ecke, aber nur als kleiner Grusel und Hinweis darauf, wie sich dieses Lebensgefühl wohl anfühlen KÖNNTE, wenn man gar nichts mit der Kultur dort zu tun hat - wie ich...
noé
Was hast du denn verstanden, werter Freund?
Wenn du glaubst, daß du an dem,
was du verstanden zu haben glaubst,
etwas dran ist – wer von uns ist dann
rassistisch??
Ja, ich bin wohl ein Winterkind,
ich leuchte wie ein Winterstern
am klaren Polarhimmel.
Und ich bin eine Elfe
aus den Wäldern des Nordens.
In deinen Augen
spiegelt sich alles wieder
und [ ... ]
Es war an einem schwülen Spätsommertag, als Regina Berger den Beichtstuhl der Sankt Josephs-Kirche von Frommhausen verließ. Pfarrer Johannes Weißmann, ein Mann in den besten Jahren, rang nach [ ... ]