Ganz einfach: man wird geboren, wächst in sich hinein, findet sich mit sich ab (das tut man unbewusst), fängt an sich mit sich zu arrangieren (durch den Instinkt), sich gar zu lieben wie man ist (das macht die Eitelkeit) und glaubt schließlich an das was man im Spiegel sieht (zu sehen glaubt).

Nachdem man festgestellt hat, daß man nicht anders empfinden kann als man empfindet, nicht anders denken kann als man denkt, hält man es für unabwendbar, daß hiermit eine gute Identität entstanden ist. Alles Weitere gestaltet sich höchst abenteuerlich...

Nachdem man quasi nicht umhin kam sich selbst zu lieben (Selbsterhaltungstrieb), scheint es plötzlich irgendwann auch noch notwendig, zusätzlich jemand anderen zu lieben – einen anderen Menschen. Damit verändert sich das innere Verhältnis zur eigenen Identität!

Ein komisches Bedürfnis entsteht – man ist nun geneigt sich, also seine angenommene Identität, besser darzustellen als sie (ehrlicherweise) ist, weil sie sonst womöglich von der nunmehr zusätzlich zu liebenden Person nicht als Liebespartner anerkannt werden könnte.

Wie von selbst stellt man fest – weiß etwas Komisches in uns – daß man uns so wie wir am liebsten wären, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht einfach so lieben kann. Wir beginnen uns deshalb zu verstellen! Wir schminken uns, sind freundlich und umgänglich...wir geben uns mit uns die größte Mühe.

Das ist durchaus natürlich und damit beweisen wir sogar, daß wir, unter größtem Aufwand, einen Menschen darstellen können, der eben auch angenehme Seiten hat. Angenehme Seiten? Das sind jene, die uns selbst nur insofern nützen, als wir dafür eine Belohnung bekommen: Liebe!

Sobald wir sie haben, können wir wieder dazu übergehen uns selbst zu lieben, und manchmal stellt sich dabei sogar heraus, daß es tatsächlich schlimmere Charaktere als uns gibt, hässlichere Wesen, rücksichtslosere Individuen. Dann haben wir etwas erreicht: eine Spur von Zivilisation!

Ob wir dadurch eine echte Identität aufgebaut haben ist allerdings fraglich, denn auf diesem Weg sind wir Opfer vieler Einflüsse geworden. Einflüsse, die unseren Wesenskern zwar nicht verändern konnten, denen es jedoch gelungen ist, uns nach außen hin als etwas darzustellen was wir nicht sind.

Was wir sind werden wir nie erfahren, solange wir uns nicht, aus Gründen der Selbstfindung, separieren, uns gegen uns und andere abwägen und uns nicht leichthin eine Eigenliebe gewähren, die zwar der Selbsterhaltungstrieb des Leibes, nicht aber eine womöglich verdorbene Seele verdient hat.

Merke daher: Eine Seele kann komischerweise nicht sehr verdorben sein, wenn sie bereit ist an ihren Anlagen zu zweifeln! Daß dies nicht auf pathologische Eigenschaften der tatsächlichen „Identität“ angewendet werden darf ist aber auch klar. Depressive müssen solche Methoden meiden!

Allen anderen ist jedoch zur Vorsicht, im Umgang mit sich selber geraten! Eine Liebeserklärung an sich selbst ist schnell gemacht und wenn man nicht sehr genau abzuschätzen weiß, was dabei herauskommt, dann kann man leicht in die Position eines grausamen Deppen hineinwachsen.

Demgegenüber ist es jedem erlaubt zu lachen! „Wer soll das denn sein?“ können wir fragen, wenn wir am Morgen, oder im Spiegelsaal von Versailles, einer Kreatur gegenübertreten, die alles andere als durch und durch vertrauenswürdig erscheint. Wären wir es, dann gäbe es ja keine Abenteuer!

Wie kommt man zu einer (komischen) Identität?

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Wie kommt man zu einer (komischen) Identität?"

Re: Wie kommt man zu einer (komischen) Identität?

Autor: Sonja Soller   Datum: 18.11.2022 21:58 Uhr

Kommentar: Interessante Gedankengänge, lieber Alf,
man kann es so oder anders sehen!!!

Herzliche Abendgrüße aus dem abenteurlichen Norden, Sonja

Re: Wie kommt man zu einer (komischen) Identität?

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 18.11.2022 22:39 Uhr

Kommentar: Gut überlegte Zeilen.
Viel Text, wenig Kommentar.
Schlaf gut, lieber Alf
Wolfgang

Re: Wie kommt man zu einer (komischen) Identität?

Autor: Alf Glocker   Datum: 19.11.2022 8:58 Uhr

Kommentar: Haha, vielen Dank liebe Freunde
und guten Morgen jetzt.

Herzl Grü aus dem verrückten Nord-Süd-West-Osten
Alf

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