Das tote Mehr

© Alf Glocker

Das tote Mehr liegt im unheiligen Land einer perversen Ratio, die man gar nicht mehr nalisieren kann! Es reicht von hier bis dort hinaus und es hat keinen Horizont, weil es aus nicht zu Ende gedachten Untiefen besteht. In ihm strandet alles! Der Weise bettelt um gedankliche Almosen und der Kleingeist feiert sich selbst, in einem Umfeld, das sich ein großer Angstmacher für ihn ausgedacht hat.

Er, der Kleingeist zieht die Vielfalt der Einfältigkeiten der hausgemachten Einfalt vor, ohne den Wert und Unwert der eigenen Zulänglichkeiten kurz überdacht zu haben. Er feiert den Eintopf der Küchen und Kirchen, als handle es sich dabei um Köstlichkeiten die man unbedingt ausprobiert haben muss. Der Einfache liebt das Kompottpourrie der Geschmacklosigkeiten, weil er sich dadurch eine Bereicherung der Sinne erhofft.

Dabei braucht man nicht denken – man kann in aller Unruhe verschiedene Rauschzustände auf sich zukommen lassen, unter denen man sich eine geeignete Todesart aussuchen kann. Der Duft einer weit zurückliegenden Zukunft erreicht, wie der Gestank einiger Pandemien gleichzeitig, die Gegenwart um alles zu vergiften, was sich nicht bei 3 gefügig gezeigt hat, sich mit jedwedem Geziefer ins Bett zu legen, das an den Lebzeltern nagt.

Kultur-Termiten vermehren sich sprunghaft! Und damit man den Überblick nicht verliert wird auch gleich alles umbenannt. „Spinnen und Spinner“ heißen ab jetzt „Reeperlinge“ (nach der ehemaligen Seilmacherstraße in Hamburg benannt) und Mördtyrer werden zu harmlosen geistig Verwirrten, die nur noch keine Musik von Beethoven gehört haben, weil sie leider so unglücklich sind. Mozart geht übrigens auch…

Alles geht den Bach runter, drängt sich ins tote Mehr, bildet dort berghohe Tsunamis, die von Heiligen ausgelöst werden und schäumt schließlich in Straßen und Gassen, als die Pest eines Jahrhunderts, das sich ihrer gar nicht erwehren will. Die Masten der Flegelschiffe verschwinden am Horizont des Prollöbels am Letzten. Am letzten Tag eines jeden Monats, bevor das neue Unterstützungsgeld in die Clankassen fließ.

Dabei wird aber nichts sichtbar! Die Schlagobers verteilen Deckmäntelchen in der Bewölkerung der Himmels, damit er stetig dunkler werde und schließlich keiner mehr weiß wo die Schönen gewohnt haben, denn Schönheit ist verwerflich, kein Zeichen einer Höherentwicklung. Der Gro-Magnon gilt heute nicht mehr als schöner denn der Neandertaler. Und der Australopithecus frisst dem Erectus die Butter vom Brot!

Man lebt in dem Land wo Milch und Honig aus dem Nichts einer ewig langen Knechtschaft gegenüber der Armut kamen und jetzt alles geteilt werden muss: Leute, die normalerweise vom Boden aßen sitzen jetzt auf dem Boden neben dem Tisch und essen davon…wovon? Von der perversen Ratio, deren schneidige Messer alles gleichschaben, indem sie bis in die Herzen der Fehlfarbigen vordringen und zwar nicht nur sprichwörtlich.

Doch das Wort Gottes liegt hörbar in der Luft. Während die Glocken verklingen, rotieren die Gebetsmühlen in Höchstgeschwindigkeit und die Funktionäre funktionieren endlich einwandfrei. Niemand hindert sie in ihrem Tun, alles ist mit dem Lassen beschäftigt – mit dem gewähren Lassen, mit dem Zudrücken der Augen und dem Verstöpseln der Ohren…wobei die Pinochio-Nasen wachsen und wachsen.

Hampelmänner und Frauen sind groß in Mode! Sie kommen frisch von der Papageien-Schule sie sprechen das kauderhafte Hochwelsch gebildeter Neu-Lemurier, die noch nach den Quellen der Schwarzheit suchen. Das ist wenig in der Not und zeitig für den Wicht!
Aber, eines Tages, wenn sich genug über-flüssiger geistiger Unrat angesammelt hat, wird sich das tote Mehr in ein noch viel töteres Weniger ergießen!

Dann ist’s vollbracht! Dann sind alle glücklich, weil sie glauben das Glück sehe ganz genauso aus wie das Wenigste, das Wenige, mit dem sich früher mal kein Sapiens abgefunden hätte. Und endlich begreift man, daß eigentlich für eine Technik vorausgedacht wurde, die uns eines kalten Morgens ad absurdum führt. Nur dafür war es wichtig revolutionäre Gedanken zu gebären: Für eine künstliche Welt mit 0 Horizonten!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Das tote Mehr"

Re: Das tote Mehr

Autor: Mark Widmaier   Datum: 05.04.2021 8:37 Uhr

Kommentar: Herrlicher Sprachwitz, tolles Gedicht.

LG Mark

Re: Das tote Mehr

Autor: Alf Glocker   Datum: 05.04.2021 11:38 Uhr

Kommentar: Vielen Dank lieber Mark!

LG Alf

Re: Das tote Mehr

Autor: Sonja Soller   Datum: 06.04.2021 15:28 Uhr

Kommentar: Wieder einmal wunderbar geschrieben, wortgewandt wie immer!!!!

Herzliche Grüße aus dem hageligen Norden, Sonja

Re: Das tote Mehr

Autor: Alf Glocker   Datum: 06.04.2021 18:08 Uhr

Kommentar: Ich danke Dir herzlich, liebe Sonja!

LieGrü aus dem ebenfalls verhagelten Süden
Alf

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