Dort wo es das Nordlicht gibt, dort wo die Himmel klar und voller Sterne sind und wo das Gleichmaß der Schönheit von den Eisbergen erzählt, in denen Elfen und Geister wohnen, dort gibt es ein Phänomen... Zugegeben, es ist eines unter vielen, doch dieses eine ist irritierender als alle anderen. Es ist die Sehnsucht nach dem Tod!

Geheime Zeichen lösen sie aus und wenn sie in die Natur einbricht, dann gibt es kein Halten mehr, dann wissen alle: Wir werden sterben! Dieses unbefohlene Sterben vollzieht sich gespenstisch und sein Grauen ist kein Grauen, das heißt, es wird nicht als solches empfunden, da es kollektiv ist – und wer in Einigkeit und Recht und Freiheit in den Tod geht, der geht selig träumend dorthin!

Komischerweise befassen sich die Psychologen nicht mit diesem Phänomen. Die Jurisprudenz untersucht es nicht und dem Einzelnen ist es untersagt die anderen zu warnen. Einer unausgesprochenen Übereinkunft zufolge reihen sich alle in den langen Zug der Delinquenten ein, um auf die Abgründe zuzugehen...

Manche, die sich anmaßen, die Sprache der Lemminge verstanden zu haben, tuscheln verstohlen, sie würden sich verabreden. Dies geschehe, zum Zeitpunkt der einsetzenden Wanderschaft, in einem bislang nicht verwendeten Dialekt, wobei die aufgefangen Wortfetzen offenbar Trost spenden sollen.

Gehört wurden Parolen wie „da vorne ist gar kein Abgrund“, oder „wer behauptet, daß da vorne ein Abgrund kommt, in den wir alle hineinstürzen werden, der ist rechts abgebogen“. Es ist wie eine Wallfahrt ins Nichts, die sogar von dubiosen Einpeitschern begleitet wird. Aber das sind alles nur die Eindrücke nicht beteiligter Beobachter.

In Wirklichkeit führt sie Gottes Hand! Tiefste Weisheiten spenden den Tieren eine Sterbebegleitung erster Güte und der allgemeine Schwung, in Richtung Verderben, sieht für sie wie eine Erlösung aus. „Wir machen das Land wieder frei“, scheinen sie allen zuzurufen, die am Wegrand stehen und keine Lemminge sind.

Dann entsteht ein himmlisches Rauschen in der Luft! Es ist als würden unzählige Adler dort schweben, wo sich bereits imaginär die Seelen der Wallfahrer befinden, aber es handelt sich – bei näherer Betrachtung – nur um das unheimliche Geräusch der Bewegung einer Schar Wahnsinniger, deren Wahnsinn verschleiert ist.

Er lebt, er waltet nur in den Hirnen, von denen das unheimliche Rauschen ausgeht, um sich in die fatale Bewegungsenergie umzusetzen, die schließlich alles in Schwung bringt. Und so geschieht es: Das Heil nimmt seinen unaufhaltsamen An-Lauf!

Im Fallen jubeln sie, als hätten sie den Höhepunkt des Glücks erreicht. Sie sehen sich noch einmal in die Augen und jubeln „was für ein Flug – was für ein Flug“... Ihr Aufschlag in der Brandung der Zeit, ganz unten, bei Plus-Minus-Null verhallt in den Jubelschreien der Menge.

Doch irgendwo, hinter den bizarren Felsen der verlogenen Realität versteckt, sitzen winzige, rotgewandete Schein-Engelchen, die sich entzückt vom Treiben der Lemminge, ins Fäustchen lachen. Ihr Kichern ist jedoch so verhalten, daß es mehr zu erahnen als zu hören ist. Und wenn sich ein's der Dämönchen mal offen zu erkennen gibt, dann wird es geflissentlich übersehen.


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Das Rätsel der Lemminge"

Re: Das Rätsel der Lemminge

Autor: ulli nass   Datum: 05.02.2017 22:13 Uhr

Kommentar: stimmungsvolle Zeilen Alf ! Du weißt aber sicher, es ist ein
echt falscher Mythos . . . Disney und so ...
lG
ulli

Re: Das Rätsel der Lemminge

Autor: Alf Glocker   Datum: 06.02.2017 7:06 Uhr

Kommentar: Ja, aber er passt so schön...

Danke Dir!

LG Alf

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