(Der alte Schamane, 7. Delirium)


Ich zieh den Kleiderbügel an. Das Hemd häng ich am Haken weg. Sobald ich die Lampe anknipse, wird es im Zimmer ganz dunkel! Wenn ich eine Frau liebe, dann erschlage ich sie. Bei Regen gehe ich aus, wenn’s schneit bin ich am Badesee aufzufinden. Bäume fälle ich aus purer Lebenslust und Tieren reiße ich, bei lebendigem Leibe die Beine aus! Kinder teile ich gewissenhaft den Heiligen zu, die dann mit ihnen verfahren dürfen, wie’s grade beliebt!


Meine Häuser sind aus bunten Quadraten erbaut – niemand wohnt drin, es sei denn, er hätte kein Polizeiliches Verführungszeugnis, in dem auch nicht eingetragen werden darf wie er heißt. Meine Gesinnung ist fröhlich – eingestellt auf das Gute, das in allen Himmelsrichtungen gleich ist.“Wir müssen uns Geltung verschaffen“ steht auf meinem Hut, den ich verkehrt herum trage, damit man es nicht lesen kann.

Ich aber kann gar nicht lesen, nicht einmal den Wein, der verboten ist, wie die Wahrheit, die schon allein deshalb nicht existiert, weil es derer gleich mehrere gibt. Mein Credo ist einfach: „Ich bin groß, ich lass nicht los, kommt keiner in mein Herz hinein, sollt‘ anders er als ich wohl sein!“ Diese Mitteilung ist jedoch streng vertraulich und darf nur auf meine Widersacher angewendet werden.

Nachts, wenn die Sonne aufgegangen ist, mache ich Jagd auf alle Feinde meiner speziellen Weisheit, deren Wurzeln nicht in der Wissenschaft verdorbener Seelen liegen, sondern dort, wo der Bartel den Most holt. Auch wenn sich mir keiner in den Weg stellt, haue ich einfach zu, wo 2 oder 3 beieinander stehen. Denn dort bin ich mitten unter ihnen. Meine Tarnkappe besteht aus dem Samt unkuscheliger Herzen, die man nicht anbeten kann, ohne den Schaden „Erkenntnis“ zu nehmen.

Ich bin ein Korn, gefunden von dem blinden Huhn, dem ich befohlen habe zu sehen, was nicht gesehen werden kann. Nicht, weil es unsichtbar ist, sondern weil im Paradies, das nur Menschen beherbergt, die guten Willens sind, jeder darauf schwört, daß es mich, so wie ich nun mal bin, gar nicht geben könne. Deshalb gestehe ich euch ein, daß ich euch, als Personifizierung des Unsinns vernichten werde, wie Läuse in einem Garten, der entstanden ist als ich, als er entstand, noch keinerlei Macht besaß. Der Segen sei mit mir!


© Alf Glocker


2 Lesern gefällt dieser Text.



Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Die Seele des Staates 134"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Die Seele des Staates 134"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.