(Kriegstagebuch, Akte 6)


Sie führen das Wappen des Todes auf ihren Schilden, aber man sieht sie nicht! Sie umringen die Schwachen unter uns und drücken sie zu Boden, aber wir schreien nicht! Sie trampeln auf den Menschenrechten herum, aber wir protestieren nicht!

Und wenn wir protestieren, dann sind wir schlecht! Die höchsten Diener des Staates, die mir, dem Staat nicht dienen, sondern schaden, haben die Verordnung herausgegeben, daß jedermann eine Brille tragen muss, die alles herausfiltert, was Böses sichtbar macht.

Diese wirken wie Spiegel, im Zusammenhang mit Vampiren – Vampire tauchen darin gar nicht auf! Die 2. Verordnung verurteilt jeden dazu, sich selbst zu knebeln, damit er, falls er von Vampiren gebissen wird, nicht schreien kann.

Und die 3. Verordnung schließlich, fesselt alle Bürger, die Lust verspüren, sich in Bewegung zu versetzen, damit man aufmerksam werde, auf alles, was unsichtbar bleiben soll! Das Vertuschungsministerium, welches indirekt auch den Rentenfond verwaltet, ist im Dauerstress!

Je mehr die unsichtbaren Angreifer werden, desto öfter werden sie von den Superreichen, mit dicken Stöcken, in den Rücken gestoßen, damit sie sich nicht plötzlich, als aktiv eingebundene Mitglieder, in die sozialen Netzwerke begreifen müssen.

Die Finanzämter „betreuen“ nämlich nur Leute mit überschaubarem Einkommen. Es kommt nicht infrage, daß wer sich hierzulande dumm und dämlich verdient, auch, zusammen mit allen anderen, seinen Möglichkeiten entsprechend, zur Auffüllung der Kassen gebeten wird.

Da nimmt man doch lieber die Ausschreitungen der Unsichtbaren in Kauf, derer man einfach nicht habhaft werden kann, solange man keine Genehmigung zum Absetzen der Vampirspiegel-Brillen bekommt.

Stattdessen werden die Stimmgewaltigen Volksbeschimpfer ausgesandt, um einerseits Tatbestände herunter zu spielen und andererseits immer wieder an die Vergangenheit zu erinnern, sie ebenso abscheulich war, wie die Gegenwart – nur andersherum.

Eine grundsätzliche Änderung der Geschichtsverläufe muss jedoch kategorisch abgelehnt werden. Sonst erhebt der Minister für Abenteuerspielplätze – wo ausnahmsweise einmal nur die Minderbemittelten spielen dürfen – Einspruch.

„Wer die Möglichkeit, einen standesgemäßen Heldentod sterben zu dürfen ablehnt, begeht Hochverrat am Volke“, so tönt der Regierungssprecher daher vollmundig und verweist auf das großzügige Privileg, wegschauen, weghören und wegdenken zu dürfen. Ein bisschen Freiheit muss schließlich erhalten bleiben!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Die Seele des Staates 75"

Re: Die Seele des Staates 75

Autor: possum   Datum: 06.01.2016 8:06 Uhr

Kommentar: Wieder ins rot genau getroffen, herzlichen Dank lieber Alf und ganz liebe Grüße an dich!

Re: Die Seele des Staates 75

Autor: axel c. englert   Datum: 06.01.2016 11:13 Uhr

Kommentar: Satire fühlt sich heut verkohlt -
Sie wird vom Leben überholt...

LG Axel

Re: Die Seele des Staates 75

Autor: Hans Finke   Datum: 06.01.2016 11:52 Uhr

Kommentar: ...da ist es doch eine "obergrenzenlose" Freude, in einem Land mit solch vorbildhafter Humanität dieselbe atmen zu dürfen.
Dank & Gruß dir, lieber Alf <<< Hans

Re: Die Seele des Staates 75

Autor: Evia   Datum: 06.01.2016 16:44 Uhr

Kommentar: Alf - Auserirdischer du !

Re: Die Seele des Staates 75

Autor:   Datum: 06.01.2016 18:08 Uhr

Kommentar: Das Erwartungen so schnell eintreffen, freut mich nicht im geringsten...

LG. und Bravo!

Re: Die Seele des Staates 75

Autor: Alf Glocker   Datum: 12.01.2016 7:57 Uhr

Kommentar: Vielen Dank, liebe Freunde

LG Alf

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