Die Junior-Ausgabe des Spieleklassikers rund ums große Absahnen als Volkstreter in der absurdistanischen Nationalversammlung. Nun können sich auch die kleinen á la Greta ins profitable Geschäft des ‚People’s Mocking‘ stürzen. Zunächst darf sich der Spieler eine lustige Farbe aussuchen. Zur Verfügung stehen da rot, grün, schwarz, gelb oder blau. Je nach Colouring darf sich unser angehender Jung-Abkassierer in einer politischen Rolle üben (der Einfachheit halber verwenden wir hier das Maskulinum):

- Der ‚ahnungslose Schwurbler‘ (Rot/Grün/Gelb/Schwarz). Verachtete das einfache Volk und drischt gerne Phrasen in Form ideologischer Parolen ohne Realitätsbezug. Mit dem typischen Hintergrund ‚Kreissaal-Hörsaal-Plenarsaal‘ versteht er von der Lebenswirklichkeit der unglücklichen Bewohner Buntlands alias Absurdistans so viel wie die Kuh vom Stuhlgang.

- Der ‚Abzock-König‘ (Gelb/Schwarz), der in alter christlicher Tradition mit frommen Sprüchlein und allerlei pseudo-moralischem Getue die steuerzahlende Bevölkerung ausnimmt wie die berühmte Weihnachtsgans.

- Der ‚bigotte Bußprediger‘ mit Weltrettungsallüren (Rot/Grün). Ähnlich dem König der Abzocker, nur dümmer. Widerspricht sich des Öfteren und wird gelegentlich bei einer plumpen Lüge erwischt. Auch predigt er gerne dem niederen Volk Verzicht, während er in Saus und Braus lebt.

- ‚The Lord of Incompetence’ (Grün). Hat zwar keinen Ring der Macht, aber verfügt über eine ausgezeichnete Vernetzung – für die Älteren unter uns: Hieß mal früher Korruption und Vetternwirtschaft– und ist völlig unbelastet von einem abgeschlossenen Studium oder irgendeiner Berufsausbildung.

- ‚Der Trickster‘ oder ‚Don Plagiatos‘ (Rot/Grün/Schwarz/Gelb). Ähnelt dem ‘Lord of Incompetence’, hat aber in der Regel ein abgeschlossenes Studium, das er mit Hilfe von ‚Copy & Paste‘ und den Arbeiten anderer erwarb.

- ‚Der Großinquisitor‘ (Rot/Grün). Ob Faschismus, Sozialismus oder quasireligiöse Ideologien – egal! Er dient dem aktuell in Mode seienden totalitären Zeitgeist und verfolgt mitleidlos Andersdenkende. Jede Form der Kritik an ihm oder seiner Ideologie, sei sie nun berechtigt oder nicht, fasst unser späte Nachfahre Torquemadas als direkten Angriff auf das Staatswesen auf.

- Der ‚irre Apokalyptiker‘, von manchen auch ‚Doomesday Charlie‘ genannt (Rot). Eine sehr spezielle Rolle, die in gewisser Weise dem ‚bigotten Bußprediger‘ ähnelt. Obwohl unser Weltuntergangsprophet gar fette Provisionen speziell von einer reich mit Steuergeldern gemästeten Pharmaindustrie erhält, ist er doch im klinischen Sinne mit einer asozial narzisstischen Persönlichkeitsstörung geschlagen und ein notorischer Lügner.

- Die ‚bekloppte Marionette‘ (grün). Von höheren Mächten mit weltwirtschaftlich foristischem Hintergrund ins Amt gebracht und von intellektuellen Fähigkeiten weitestgehend befreit, verfolgt sie mit eifrigem Dilettantismus deren Agenda.

- Der ‚profitorientierte Umfaller‘ oder auch ‚der nützliche Idiot‘ (schwarz/gelb). Markige Sprüche absondernd, aber ohne Rückgrat, wenn es darum geht für die vorher propagierten Überzeugungen einzutreten. Aber wenig überraschend, da ihn im Grunde nur die eigene Bereicherung interessiert.

- Der ‚politische Underdog‘ (Blau). Leider endet hier das Spiel, bevor es angefangen hat. Als Paria des absurdistanischen Parlamentes führt der Spieler sowieso nur eine Randexistenz und wofür er letztlich steht, ist eigentlich völlig belanglos.

Ist die politische Rolle ausgewählt, bieten sich spannende Abenteuer für den angehenden Berufspolitiker. Versteckt unter hohen Staatsämtern und im ‚Sumpf der Lobbyisten‘ lässt sich so mancher Schatz heben. Durch das geschickte Verschieben von steuerfinanzierten Aufträgen kann der Spieler so manchen fetten Gewinn einstreichen. Sollte unser infantiles Parlamentsmitglied aus kryptischen Gründen nicht zum Zuge kommen, dämlich oder einfach nur stinkfaul sein, ist dennoch ein gewisser Reichtum garantiert. Pro Spielrunde wird ein üppiges Gehalt gezahlt, das sich die Spielenden mit einfacher Mehrheit nach Gusto erhöhen dürfen.

Ebenso kann der jeweilige Spieler pro Turn eine beliebige Steuererhöhung beschließen, deren Einnahmen in den ‚Sumpf der Lobbyisten‘ geworfen werden. Die darauf gezogene Ereigniskarte sorgt für einen komödiantischen Touch des Spiels, da dort ein beliebiger Vorwand hinsichtlich der zusätzlichen Besteuerung genannt wird – ein Heidenspaß für alle Nachwuchsparlamentarier. Sodann wird eine ‚Gemeinwohlkarte‘ gewählt, die bestimmt, welche Belohnungen und Geschenke nach Versenken der Steuergelder dem großzügigen Volksvertreter von den höheren Finanzmächten zuteilwerden.

Je nach der Rolle, die im Vorfeld ausgesucht wurde, gelten einige Sonderregeln. So darf der ‚Abzock-König‘ gleich zwei Steuern pro Runde erhöhen. Ähnliches gilt für den ‚bigotten Bußprediger‘, der unter dem Vorwand ‚Weltrettung‘ eine beliebige Zusatzsteuer (‚Bepreisung‘) erheben kann, wenn die ‚bekloppte Marionette‘ zustimmt. Der ‚Großinquisitor‘ hat die Möglichkeit einen beliebigen Spieler wegen politischer Unkorrektheiten oder weil ihm seine Nase nicht gefällt eine Runde aussetzen lassen, während der ‚profitorientierte Umfaller‘ sowieso nur mit Erlaubnis der anderen mitspielen darf. ‚The Lord of Incompetence‘ und der ‚irre Apokalyptiker‘ können jeden 5. Turn unbegrenzte Steuermittel in den Sumpf zu werfen und jeweils 2 Gemeinwohlkarten zu ziehen. ‚Doomesday Charlie‘ bekommt jede 10. Runde Besuch von Dr. Todd alias ‚die Nadel‘ und erhält zusätzlich prächtige Geschenke von einem Gönner namens ‚Big Pharma‘.

Junior Parlamentarier besticht ebenfalls durch seine liebevoll kreierte Ausstattung. Schon allein die vergoldeten Flugzeugmodelle der Flugbereitschaft für reiselustige Staatsminister und die prächtigen Dienstwagenminiaturen Marke Spritschleuder für die einfachen Parlamentsmitglieder sind eine wahre Augenweide. Alles in allem ein Spiel, das auch den kleinen die Finessen des Politikbetriebs aufzeigt.


© 2022 Q.A.Juyub/H.K.H Jeub


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