Als der Vollmond aufgegangen war, saß Katt bereits ein paar Meter von Vardträt, dem großen alten Baum im Hof entfernt und beobachtete, mit grünen Augen, die kleine, für uns Erwachsene unsichtbare Tür, die im Wurzelwerk gut versteckt war. Katt wartet mit gespitzten Ohren und aufgerichteten Barthaaren. Mit einem dumpfen nervösen schnurren arbeitete er gegen die Anspannung in seinem Inneren. Gleich würde sich die kleine Tür öffnen und ein kleiner spitzohriger Kopf, bedeckt von einer kleinen grauen Mütze würde im Mondlicht sichtbar werden. Katt reckte seinen Schwanz, als senkrechte Ruhte gen Himmel und wackelte sprungbereit mit dem Hinterteil.
Als sich die kleine Tür öffnete und an einem knorrigen Stab, mit einer winzigen Laterne in der Hand der alte Tomte seine Behausung verließ, sprengt der Katzenkörper im wilden Zickzacklauf auf ihn zu. Mit einer eleganten Bewegung wich der alte Tomte dem Kätzchen aus und dieses purzelte über seine tollpatschigen Pfoten und kullerte ein Stück, bevor die Wurzeln des alten Vardträt es auffingen. „Verdammt Katt, wie oft sagte ich Dir schon, du sollst nicht so auf mich zustürzen!“ wetterte der Kobold und ergoss einen Schwall derber Schimpfwörter über das Kätzchen, welches sich aufrappelte und begann sich zu putzen. „Ach…..alles muss man Dir 100 mal sagen….Ich muss schon sagen, ich muss schon sagen….“ grummelte der Kobold vor sich hin und machte sich auf den Weg zum Haus, um nach den Menschen zu sehen, die es bewohnten und vor allem, danach was sie für ihn zu Essen herausgestellt hatten. So kurz nach dem Aufstehen war er stets hungrig und wenn er hungrig war, dann war er noch griesgrämiger, als er es ohnehin schon in seiner Natur lag. Katt folgte ihm auf den Fuße und war gespannt, ob es wohl ein Schälchen Milch zu trinken geben würde. Manchmal stellten die Menschen Milch raus, was Katt weitaus mehr zusagte als Butterbrote und Hirsebrei. Der alte Tomte hingegen war da anderer Meinung, dieser zog einen guten Branntwein selbst der frischesten Milch vor. Das ungleiche Paar eilte über den Hof zur Hintertür, um die bereitgestellte Mahlzeit zu empfangen. Nach dem sich Tomte den Bauch vollgeschlagen hatte und auch Katt seinen Anteil erhalten hatte, zündete sich der alte Kobold erst einmal eine große Pfeife an. Das Kätzchen legte den Kopf schief und blickte den Gnom an, der ihm vor sich hin paffend und murrend erklärte, dass früher eben doch alles besser gewesen war.

Die Nacht war ungewöhnlich warm, die Hitze lag schwer in der Luft und die Fenster des Hauses standen offen. Lautlos glitt Tomte ins Haus, gefolgt von seinem geräuschlosen Begleiter. Katt strich mit seinen Wangen an den Möbeln des Hauses entlang und Tomte warf einen prüfenden Blick in Schränke, Nähkörbr und Schuhe. Als alles in Ordnung gebracht war, deutete er Katt mit seiner Nase die Türe zum Kinderzimmer auf zu schupsen. Leise schlichen die beide in das Zimmer, dessen Fenster nur mit einem Tuch verhangen war. Da Tomte auf seine alten Tage ein wenig bequem geworden war, lies er sich von Katt auf das große alte Bett heben, in dem gleich vier Kinder ihre unschuldigen Sommernachtsträume träumten. Tomte schüttelte Kissen auf, strich mit seinem knorrigen Stab über Schürfwunden, wischte Nasen ab und zupfte Decken zu recht, dann flüsterte er den Kindern Schabernack ins Ohr um ihnen schöne Träume zu bereiten.
Während die beiden im Kinderzimmer zugegen waren und ihre Pflicht erfüllten, das Haus und seine Kinder vor Leid und Unglück zu bewahren, vernahm Katt, dessen Ohren besonders groß waren aus der Stube ein fremdartiges Geräusch. Da war etwas. Leise jedoch für die sensiblen Ohren des Kätzchens wahrnehmbar. Die quietschenden Sohlen, deren Schritte es vernahm, gehörten definitiv nicht zu einem Bewohner dieses Hauses.
Katt knatterte aufgeregt mit seinem Kiefer und der alte Tomte schwang sich umgehende aus dem Kinderbett und eilte zur Wohnstube. In der Zwischenwelt des Türrahmens, die es ihm ermöglichte für menschliche Augen unsichtbar zu sein, hielt er inne und besah sich den Raum. Flankiert von Katt, der für menschliche Augen keines Falls verborgen war, jedoch umso harmloser und unscheinbarer wirkte, beobachtete er den Fremden, der sich am Schnapsschrank zu schaffen machte. Wo er emsig Darum bemüht war, dessen Schloss aufzubrechen. Der Dieb sah nicht einmal zu ihm hinüber und hätte er die Katze angesehen, hätte er dieser eben so wenig Beachtung geschenkt.
Tomtes Hand umgriff grollend den Wurzelholzstab, in seiner zornigen Erregung war der Griff seiner Hand, um das verzwurbelte Holz so fest, dass seine Fingerknöchel weiß wurden. Er ächzte und stöhnte und grollte und fluchte, als er sah, welch übles Machwerk in dem Haus zugange war. Wütend schleuderte er seinen spitzen Hut zu Boden und stampfte mit den kleinen Füßen auf. Katt nahm Anlauf durch die Wohnstube und landete behändig auf dem Schrank, wodurch der Einbrecher kurz inne hielt. „Verdammtes Mistvieh“ zischte der Fremde und fegte Katt von dem Möbel herunter. Nun reichte es Tomte, der den Branntwein in Gefahr wähnte. Mit einer kreisenden Bewegung seines Stabes lenkte er die Kraft der Hand, mit der die Katze verscheucht werden sollte, auf das massive Holz des Schrankes. Der Einbrecher stöhnte hörbar und wedelte mit seiner empor geregten Hand durch die Luft. Kichernd begann Tomtes Stab erneut zu kreisen und das Werkzeug des Einbrechers viel mit einem lauten Klirren zu Boden, nicht ohne auch den kleinen Zeh seines linken Fußes in Mitleidenschaft zu ziehen. „Meinen Brandwein stehlen?!“ schrie der Kobold aus „na dich werd ich lehren, dir werde ich schon Beine machen“ tobte der alte Tomte herum und lies unablässig seinen Stab kreisen, wodurch der Einbrecher die Kontrolle über seinen Körper verlor und sich schließlich die Nase am dunklen Holz des Schrankes blutig schlug. Der Einbrecher sank wimmernd vor Schmerzen auf die Knie und verbarg sein Gesicht in seinen Händen. Tomte stürmte auf ihn zu und schlug mit dem Wurzelholzstab auf die angeschlagene, im Anschwellen begriffene linke Hand des Eindringlings. Er fluchte und schimpfte und zog mit seinem Stab zornige Kreise in der Luft. Der Fremde wusste kaum wie ihm Geschah. Die aberwitzig vor ihm herum tobende und auf ihn einschlagende Kreatur vor sich, führte er auf den Schlag zurück, den er auf die Nase bekommen hatte. Aller Geistesgegenwart zum Trotze versuchte er den Kobold zu erhaschen, was diesen nur noch wütender werden lies und seine Tobsucht weiter anfachte. Feenreim um Feenreim feuerte er auf seinen Angreifer ab, bis diesem Eselsohren wuchsen und sich seine Nase zu der eines Schweines verformte und immer wieder schlug Tomte mit seinem Stock auf ihn ein. Die Familie hatte sich inzwischen, vom Lärm angelockt in der Wohnstube versammelt und betrachteten, aneinander gekauert, das Schauspiel, das die kleine Gestalt ihnen darbot. Katt hatte sich zu ihnen gesellt und beobachtete voller Mitleid den armen Einbrecher, dessen Gestalt sich unaufhörlich mit jedem Schimpfwort, das der Gnom auf ihn abfeuerte wandelte. Bis er um Gnade winselnd auf dem Fußboden der Wohnstube zusammen brach. „Einhalten???? ICH???!!!! DIR NICHTSNUTZIGEM SCHNAPSDIEB DEN BRANNTWEIN ÜBERLASSEN????!!!......NA warte……NA WARTE!!!“ Kreischte der Kobold und Fegte wie ein Derwisch um den Eindringling herum. Die Anwesenden betrachteten machtlos die Gewalt die von dem kleinen zornigen Hausgeist ausging, alle samt froh, dass diese Wut niemand von ihnen traf. Als dem Gnom endlich die Flüche und Verwünschungen ausgingen dämmerte bereits der Tag und der alte Tomte sank erschöpft vor seinem Gegner nieder. Dieser war halb ohnmächtig und gelähmt, soviel Angst hatte er vor seinem Peiniger und dessen Flüchen. Weinend schwor er, niemals mehr wieder ein Unrecht zu tun und bat den Mann des Hauses um seine Hilfe. Dieser, inzwischen auch vom Mitleid ergriffen, nahm einen kleinen Schlüssel aus einem Kasten unter dem Küchentisch und öffnete den Schrank, aus dem der Einbrecher die Flaschen hatte rauben wollen. Schweigend löste er den Bügelverschluss seiner besten Flasche Branntwein, schenkte einen Fingerhut davon ein und stellte diesen vor dem erschöpften Kobold ab. „Danke Tomte“ sagte er Anerkennend und während der alte Tomte besänftigt, erschöpft und beruhigt an seinem Branntwein nippte, begleitete der Hausherr den gepeinigten Einbrecher nach draußen. Dieser versprach den Boden, auf dem dieser kleine Teufel tanzte nie mehr zu betreten, wenn man ihm nur versprechen möge, dass dieser ihn nicht verfolgt. Der Hausherr klopfte ihm auf die Schulter. „Ruhig Blut mein Freund, außerhalb unseres Besitzes kann er Dich nicht erreichen, aber wehe Dir, wenn er dich wieder erkennt. Bald schon, wird sich der beruhigende Geist des Branntweins verzogen haben und ich rate Dir, dann bereits über alle Berge zu sein.“ Mit diesen Worten entließ der Hausherr den Fremden und als er ins Wohnzimmer zurück kehrte, waren weder von Tomte noch vom Branntwein noch eine Spur zu finden, nur der junge Katt, saß in Mitte der verwüsteten Wohnstube und putzte sich genüsslich sein seidiges Fell. Der Hausherr besah die geöffnete Flasche Branntwein nachdenklich, verschloss sie dann und verstaute sie, sich auch nicht mehr sicher über die Vorgänge der vergangenen Nacht, wieder in dem alten massiven Vorratsschrank. Seit diesem Tage jedoch, stellte er selbst, allabendlich Branntwein, Butterbrot und Pfeifentabak hinaus um dem kleinen Kobold zu zeigen, dass er im Hause willkommen war und niemals wieder betrat ein Einbrecher das verwunschene Haus. Solange Tomte über die Familie und das Haus wachte und der Branntwein floss, geschah Niemandem in ihm auch nur das geringste Unglück.


© deadMeiki


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