(ein starkes Stück in geheimen Akten)


1.Geheimakt


Alles spielt auf einer riesigen Bühne. Sie bedeutet nichts als Bretter. Viele Akteure tauchen aus dem globalen Nebel auf, die Bretter vor dem Kopf tragen.

Irgendwo steht ein Mensch!
Der Mensch fragt: „Wer denkt eigentlich für die Welt?“

Hinter den Brettern, die die Welt bedeuten, brandet Lachen auf. Es ist ohrenbetäubend!

Dann tritt eine verschleierte Gestalt an den Menschen heran…

Der Mensch weicht erschrocken zurück, aber die Gestalt sagt – hinter der vorgehaltenen Hand –: „Psst!“

Der Mensch horcht auf. Wird er beobachtet? Da aber die Zuschauer gleichzeitig die Akteure sind, kann er das getrost vergessen.

Es beobachtet ihn entweder niemand, oder alle!

Wieder sagt die Gestalt: „Pssst“

Der Mensch spitzt seine Ohren, während ungefähr hundert Bretterträger an ihm vorbeigehen. Sie lugen misstrauisch hinter ihren Brettern hervor…

„Ich verrate dir, wer für die Welt denkt“, sagt die verschleierte Gestalt, „es sind die Gierenden!“

Der Mensch spürt wie ihm die Antwort in alle Glieder fährt – es ist, als würde man ihn überall gelichzeitig kitzeln!

Er lacht aus vollem Halse, kugelt sich schon auf dem Boden, da hört er eine herannahende Sanka-Sirene…und er macht sich schleunigst aus dem Staub.

Die verschleierte Gestalt kommt mit ihm.

„Wer bist du denn?“ knurrt der Mensch. „Sieht so die Hoffnung aus, oder bist du womöglich mein Gewissen – dann wäre ich aber sehr enttäuscht!“

Niemand betritt die Weltbühne und singt:
„Die Sterne einer dunkeln Zeit sind aufgeboten,
um ein dunkles Schicksal auszuloten,
in dem der Tod sein schwarzes Zepter schwingt,
doch Niemand singt!“

Es ist niemand zu sehen, aber man hört:
„Und Niemand ist es, der die Zeichen kennt,
den Fortgang, der der uns etwas bringt,
von dem die Irren sagen, daß es Vollendung sei –
ist alle Wirklichkeit vorbei?

Wo Mord und Totschlag eine Welt regieren
und die Errungenschaft extrem negieren,
die ‚Zukunft‘ und wohl auch ‚Einsicht‘ heißt,
bleibt alles ohne Geist!“


Der Mensch ist erstaunt und wendet sich an die verschleierte Gestalt.
„Hast du das gehört? Niemand hat ein Lied gesungen und niemand hat’s gehört!“

Verschleierter: „Du hast mich angesprochen?
Dann wisse – ich bin taub, nicht stumm! Du hörst nur die Gedanken sprechen“

Mensch: „Bist du denn mehr als ein Phantom?“

Verschleierter: „Ich kann dir Antwort geben!“

Mensch: „Bin denn nur ich am Leben hier?“

Da ist plötzlich Lärm zu hören – irgendwer ist auf der Flucht.

„Hillfee, Hiiilfeee!!“

Ein paar Gestalten kommen, händeringend, auf den Menschen zu.

Mensch: „Was ist mit euch?“

Die Verfolgten: „Wir haben nichts getan, nur die Despoten und ihre Helfer, wie auch deren Helfershelfer geschmäht. Jetzt ist man uns auf der Spur. Es ist verboten aufzuwachen, hinter diesen Brettern!“

Verschleierter: „Sag ihnen, daß sie Narren sind, dann kann dem Pack weiter nichts geschehen“.

Mensch: „Hier, stellt euch in die Ecke und tragt den Narrenhut, wenn ihr überleben wollt!“

Die Verfolgten: „Der passt uns nicht, er ist um einige Nummern zu klein!“


Die Verfolger tauchen auf!


1.Verfolger: „Wo sind sie?“
2.Verfolger: „Wenn es die mit den Narrenkappen sind, dann sind sie es nicht, weil man sie bereits unschädlich gemacht hat!“

3.Verfolger: Kümmert euch um die Kulturschaffenden!“

4.Verfolger: „Die anerkannten?“

5.Verfolger: „Nein, um die unbekannten natürlich, damit sie nicht anerkannt werden können!“

Oberverfolger: „Alle Anzeichen von Kultur müssen im Keim erstickt werden – nur was nichts taugt, taugt für uns!“

6.Verfolger: „Es darf keine Aussage dahinter stecken?“

7.Verfolger: „Das hat zwar keiner gesagt, aber so ist es!“


Ein als Papst verkleideter Alien betritt die Bühne – erkennbar an dem orientalischen Religionsbuch, das er unter dem Arm trägt…

Er blickt sich sorgenvoll um.


Falscher Papst: „Lasset alle zu euch kommen, denn im Glauben seid ihr stark und könnt sehr schwere Lasten tragen. Auf euer Leben dürft ihr nicht achten!“

8.Verfolger schreit die mit den Narrenkappen an:
„Habt ihr das gehört?! Oder wollt ihr rückfällig werden?“

1.Verfolgter: „Hilfeee!“

2.Verfolgter: „Hilfeee!“

3.Verfolgter: „Hilfeee!“
Usw.


Falscher Papst: „Nun schweigt, ihr Bürger und tut Pflicht,
denn sonst ereilt euch das Gericht –
zuerst einmal gleich das auf Erden,
doch später soll die Hölle werden,
ein Ort an dem ihr schmoren sollt…
denn das hat Gott gewollt!“

Ein als Bundeskanzler verkleideter Affe betritt die Bühne

Falscher Bundeskanzler: „Wer hat mich gerufen?“

Falscher Papst: „Du kommst gerade recht mein Herr –
hörst du die Unken rufen?“

Falscher Bundeskanzler: „Es tut mir leid, ich höre gar nichts mehr,
ich halte mich in meiner Position…
ich bin die Stütze der Nation!“

1.Verfolgter: „Hilfee!“

2.Verfolgter: „Hilfee!“

3.Verfolgter: „Hilfee!


9.Verfolger: „Ich hab den Friedenspreis dabei!
Wer kuscht wird ihn bekommen…“

10.Verfolger:
Mir deucht, ich bin benommen,
von einerseits so viel Geschrei
und andrerseits der Herzlichkeit
in dieser furchtbar schönen Zeit!“

Verschleierte Gestalt zum Menschen:
„Du siehst? Du hörst und du verstehst?

Mensch: „ich weiß nur, daß ich einsam bin!“

Verschleierte Gestalt: „Verloren meinst du wohl?!“


Niemand erscheint wieder…: „Hört hört,
der Hydepark hat geschlossen,
doch sing ich unverdrossen,
woran kein Gentleman sich stört,
mein kleines, schräges Liebeslied – für wen?
Für jeden, der in Dummheit schön
und ganz verträglich ist, für die Dämonen,
die unsereinen nicht verschonen…

Es dürfen alle hören,
die auf die Einfalt schwören
und glücklich sind wenn man sie schlägt…
wer‘s nicht verträgt,
der suche schnell das Weite,
bevor man ihn in Ketten legt.
Wir achten drauf, daß er nichts prägt.
Denn Denken ist direkt verboten –
Wer solches wagt kriegt schlechte Noten!!“

11. Verfolger: „Wir stimmen ein –
Wir alle wollen niemand sein!“

Verschleierte Gestalt: „Geliebt, gehofft
und endlich resigniert –
denn unverhofft kommt eben oft…
das ist das Spiel des Lebens!
Und damit der Schleim sich auch noch reimt
Steht am Ende dann ‚Vergebens‘!
Doch nichts erreicht wer niemals schleimt!“


2. Geheimakt

Niemand betritt das Nichts und verkündet unhörbar:
„Wir müssen ein Exempel statuieren,
damit sie die Geduld verlieren
und in ihr Schicksal sich ergeben –
das nennt man jetzt das wahreLeben!“

8milliardster Verfolger:
„Die Masse macht es auf der Welt!
Sie ist als ein Fanal bestellt,
an dem wir mühsam scheitern werden.
Das Unheil liegt in großen Herden.

Denn Herden sind doch Herde auch,
wo Feuersbrünste sich verbreiten…
man steht bald auf dem Wasserschlauch
und um die Luft wird man sich streiten!

Doch sagen darf man solches nicht,
nicht warnen, in Kassandrarufen,
wir leben gründlich hinterm Licht –
durch alle Bildungsstufen!“

Ein falscher Prophet tritt auf…

Er appelliert an die Gläubigen:
„Stellt euch in einer Reihe auf,
schleift eure Messer für den Kampf
und legt noch Bomben obendrauf –
denn ich bin euer Hans vom Dampf!“

Die Verfolgten treten auf und schließen sich zu einem Chor zusammen. Viele von ihnen wissen gar nicht, daß sie zu den Verfolgten gehören, aber alle singen mit:

„Wir gehen in ein geistiges Exil –
wir dürfen nicht bleiben wie wir sind,
weil das der Regierungspöbel will…
er ist vermessen, er ist blind.
Und er zerstört was er nur kann!
Niemand kann das nachvollziehen!
Erlösung gibt es irgendwann,
von dieser krassen Hexerei
(denn die Verbrecher sind besessen)??
Das Leben ist so schnell vorbei,
doch niemand schützt die klaren Wesen
vor Religion und vor Verblendung!
Der Teufel glaubt an seine Sendung!!“

Der falsche Papst exkommuniziert die Menge und verweist auf seine Würde als, angeblich von einem Gott eingesetzte, Respektsperson. Viele der Verfolgten gehen in die Knie und beten ihn an – während er sich in einen anderen falschen Propheten, mit schwarzem Bart verwandelt, da er seine wahre Identität nicht ewig verbergen kann…(es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans…..).

Der falsche Affenkanzler peitscht indessen die Verfolger an:

„Macht sie platt, macht ihnen den Prozess!
Beweist den Massen im Exzess,
wie wertlos Menschen für uns sind –
der Tod soll alle überschwemmen!
Nicht Einsicht in die Sachverhalte,
soll uns in eine Zukunft führen
dafür sind wir taub und blind,
man muss sich gegen die Wahrheit stemmen!
Der Kleine muss die Knute spüren,
sonst ist der Kurs nicht mehr zu halten…
denn ich regiere durch Gewalten!“

Der Mensch tritt wieder auf und ruft:
„Wer denkt eigentlich für die Welt?“

Daraufhin stürmen 10 000 Ganoven beiderlei Geschlechts in Sträflingskleidung die Bühne – alle haben sie das Brett vor dem Kopf das für sie die Welt bedeutet.
Jeder von ihnen schreit lauthals:

„Lasst mich vor, lasst mich vor,
ich will euch unterdrücken –
nach mir kommt nichts und nicht davor,
ich bin der / die Dickste von den Dicken,
nein, der / die gemeinste der Gemeinen,
doch absolut mit mir im Reinen…
wer an mir zweifelt wird erschossen,
denn ich regiere unverdrossen!“

Der Mensch verschließt seine Augen nicht,
die Verfolger schließen sich einem der 10 000 an und die Verfolgten weichen zurück. Sie flüstern sich gegenseitig zu:

„Wir haben doch Familien,
die müssen wir beschützen –
das wie bei Reptilien,
wo Träume gar nichts nützen…
wir sind verloren auf der Welt,
wo nur die Unterwerfung zählt!“

Niemand tritt an den Menschen heran: „Pssst!“

Mensch: „Was willst du, ungeliebter Gast?“

Niemand: „Mach, Mensch, bei deinem Denken Rast!
Du kannst das Gute nicht erzwingen –
hier kann man nichts erringen…
hast du Bretter nicht gesehen?!“

Mensch: „ich will mich um das Zentrum drehen,
das `Wahrheit` heißt `Gerechtigkeit`…“

Niemand: „Armer Mensch, du tust mir leid!
Das willst du in die Köpfe pressen?!
Was denkst du dir? Bist du bei Trost?!
Sieh her, die Irren sind erbost,
weil du mit dem Finger auf sie zeigst,
anstatt, daß du in Sorge schweigst –
da man dich, früher oder später,
lynchen wird als Attentäter,
obwohl die andern Attentäter sind!
Mein Erdensohn, du bist ein Kind!“.

Ein Verfolgter rennt an Niemand und Mensch vorbei!
Er keucht:

„Bring dich in Sicherheit, niemand wird erscheinen,
um uns aus diesem Schlammloch zu befreien!
Nur wer auf flinken Beinen
sich aus dem Staub macht,
entgeht den Schweinereien“.

Der Verfolgte wird auf der Flucht erschossen! Peng!

Sofort tönen überall die Lautsprecheranlagen:

„Bürger, achtet nicht auf Tote,
es handelt sich um Einzelfälle!
Es kündet nun der Himmelsbote:
`Der Weisheit allerletzte Quelle,
liegt immer nur im Suizid! –
drum füg dich allem was geschieht!“


Jetzt beginnt der globale Nebel wieder die gesamte Bühne, die auch gleichzeitig Zuschauerraum ist, einzunehmen. Dichte Schwaden verhindern jede Sicht! In diesem Schlammassel stoßen die Kreaturen der Zeit aufeinander und in ihrer Verzweiflung beginnen alle gemeinsam zu singen:

„Wir müssen alles nur gemeinsam tun,
dann sind wir vor uns gerettet!
Der Einzelne, das dumme Huhn,
liegt doch nur wie er sich bettet –
wenn wir jedoch, zusammen, alle,
an einem Strick zieh’n, wird es gut.
Vergießt man dabei auch viel Blut –
am Ende wird der Himmel sein…
und jeder trägt `nen Heiligenschein!“

Der Chor der Verzweifelten ist sehr laut, aber er wird noch von dem der falschen Kanzler, der falschen Päpste, der falschen Finanziers, der falschen Hasen und der 3 falschen Affen übertönt – ihr rhythmisches, konvulsivisches Lachen liegt gespenstisch über der Geschichte. Es ist ein einziges dämonisches Dröhnen!

Und als das fest seinen Höhepunkt erreicht gibt es einen infernalischen Knall, den aber keiner gehört hat…

Wozu auch?!

Und aus dem Rauch taucht ein letztes Mal ein seltsames Schemen auf…es wächst und wächst, über sich, über uns, über alles Lebendige weit hinaus…es hebt den Zeigefinger, legt ihn vor den verschleierten Mund und sagt:

„Pssssssssssssst!“


© Alf Glocker


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