„Verdammt“, Alex schlug fluchend gegen die Hebebühne. Das Teil funktionierte diese Woche schon das dritte Mal nicht. Es war wie verhext, schon seit einigen Wochen ging es in Alex` Autowerkstatt drunter und drüber. Ein Fluch. Hinzu kam noch der defekte Wagen gestern. Ausgerechnet als der Kunde ihn abholte, rasselte der Motor wieder. Mist!
Naja, Alex arbeitete nicht immer ganz ordentlich, er selbst wusste das am besten. Doch bisher hatte es nie Probleme gegeben. Für ihn war es eine Art Glücksspiel: Der eine Kunde gewann, der andere verlor. Zugegebenermaßen nicht ganz fair, irgendwie ein teuflisches Spiel.
Hey, er musste Geld verdienen!
Seit der Eröffnung vor 2 Jahren lebte Alex gut damit, doch in letzter Zeit ging hier alles bergab. Immer wieder verschwanden Sachen, gingen kaputt oder fielen aus. In den Nächten schlief Alex kaum. Er war ständig unkonzentriert, er fühlte sich verfolgt.
Der Mechaniker brauchte Stunden, um die Hebebühne wieder in Gang zu bringen. Es war nun schon zu spät um weiter zu arbeiten. Draußen wurde es schon dunkel und die Glühbirnen in der Werkstatt flackerten auch schon seit einiger Zeit. Alex konnte unter dem Auto kaum noch etwas erkennen. Also Feierabend, ab nach Hause.
Der junge Mann wollte die Werkstatt abschließen, als er ein lautes Poltern aus den hinteren Räumen hörte. Alex öffnete die Tür noch einmal und griff nach dem Lichtschalter. Doch nun hatte die Lampe scheinbar ganz aufgegeben. Also tastete er sich im Dunklen durch die Werkstatt bis in die Lagerräume. Mehr als einmal stieß er sich dabei Knie oder Ellenbogen an. Endlich angekommen, suchte Alex zunächst die Taschenlampe. Da! Jetzt konnte er sich umschauen. Das Lager war mit mehreren Regalen ausgestattet. Hier lagerten Ersatzteile, Werkzeug, Lacke und alles was Alex sonst so für seine Arbeit brauchte.
Alex leuchtete den Raum und die Regale ab, konnte aber nichts entdecken, was den Krach verursacht haben könnte. Alles war an seinem Platz.
Plötzlich fiel der Lackeimer aus dem obersten Regal: Der Werkstattbesitzer zuckte zusammen, als der Eimer ohne Vorankündigung knapp an ihm vorbei sauste. Scheppernd knallte er zu Boden. Was war denn hier los? Alex war leicht mulmig zu Mute während er den Lack wieder ins Regal räumte. Er hatte das Gefühl, nicht allein zu sein!
Unsinn, natürlich war er allein. Er war immer allein in seiner Werkstatt.
Abgesehen von den Kunden natürlich. Und trotzdem, irgendetwas stimmte hier nicht.
Im Auto hatte Alex alle Gedanken an die seltsamen Vorfälle abgeschüttelt. Er wollte nur noch nach Hause, seine Frau Melli wartete sicher schon auf ihn. Wie immer stellte er den Wagen in die Garage und ging durch die Zwischentür ins Haus.
Ein leichter Luftzug blies ihm ins Genick. Atmete da jemand hinter ihm?
Die Tür fiel zu, da hatte Alex es schon vergessen. Er hörte das leise Stöhnen nur unbewusst.
In der Küche werkelte Melli am Herd. „Hi Schatz“, sie begrüßte ihn mit einem Kuss und rührte weiter in den Töpfen. Alex setzte sich an den Küchentisch, schenkte sich ein Glas Cola ein und beobachtete seine Frau. Er ließ den Blick durch die Küche schweifen.
„Alex? Hey, was ist mit dir?“Der junge Mann zuckte zusammen, als Melli seine Schulter berührte. Erst Ohne es zu merken, hatte er aus dem Fenster gestarrt. Was war das?
Dort war doch jemand draußen. Alex hatte eindeutig jemanden gesehen, er konnte nicht genau sagen, wen oder was. Die Person war verzerrt, sah verletzt aus oder … tot!
Verwirrt sah Melli ihren Mann an. Leichenblass saß er vor ihr und starrte sie an, doch Alex schien sie kaum wahrzunehmen. Erst langsam kam er in die Wirklichkeit zurück. Er wusste selbst nicht, was er da gesehen hatte. Hatte er überhaupt etwas gesehen? Nachdem Melli besorgt und leicht hysterisch auf ihn einredete, erzählte Alex ihr von den Ereignissen der letzten Tage. Er wollte sie aber nicht beunruhigen, also tat er das Ganze schnell als Einbildung und Schlafmangel ab.
Auch in dieser Nacht schlief der junge Mann schlecht. Immer wieder schreckte er aus einem Albtraum hoch. Immer derselbe. Ein toter Mann stand vor dem Fenster und starrte ihn an. Seine leeren Augen verfolgten ihn. Selbst wach im Bett sitzend sah Alex noch immer diese Augen vor sich. Tote, anklagende Augen.
Alex wachte am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen auf. Er hatte kaum geschlafen und hoffte nur dass die Alpträume bald vergehen würden. Doch die nächsten Tage sollten ihn eines Besseren belehren.
Jede Nacht wurde der Mechaniker von dem gleichen Traum heimgesucht und jedes Mal wurde es lebhafter. Immer wieder verfolgten ihn diese Augen. Selbst bei Tage. In jeder Autoscheibe, im Fenster, in der Lackdose: Wie ein böses Spiegelbild starrten sie ihn überall an. Nicht nur seine Nerven lagen blank, auch in der Werkstatt funktionierte nichts mehr. Alle seine Reparaturen schienen umsonst zu sein. Ständig kamen Kunden, die etwas reklamierten. Teilweise nahmen sie die Autos gar nicht erst mit, weil sie schon bei der Abholung wieder kaputt waren. Es war zum verrückt werden. Selbst als Alex beschloss die Kunden nicht mehr über den Tisch zu ziehen und gewissenhaft alles kontrollierte. Die Wagen waren wieder defekt. Dauernd beschwerten sich die Kunden und Alex hörte sich die wildesten Beschimpfungen an. Die Aufträge wurden immer weniger.
Um wenigstens die Kunden zu halten, die er noch hatte, machte der Werkstattbesitzer jetzt öfter Überstunden. Bis spät abends schraubte er an den Autos, kontrollierte alles dreifach. Selbst wenn die Lampen ausfielen, die trotz Wechsel immer noch flackerten, versuchte er mit der Taschenlampe weiter zu arbeiten.
Auch an diesem Abend legte er die Taschenlampe auf die Werkzeugkiste, um in den Motorraum zu leuchten. Bei den Anstrengungen der letzten Zeit hatte er wenig Lust hier in der Dunkelheit herumzubasteln, doch er wollte auf Nummer sicher gehen. Alex wurde langsam müde, gähnte ständig und rieb sich die Augen. Langsam hatte er davon schon Punkte vor den Augen. Wenn er im Raum umherblickte, hatte er das Gefühl, er würde überall rote Flecken sehen. Wie Blut wirkte es an den Wänden.
Blut? Woher kam dieses ganze Blut? Alex erschrak, als ihm klar wurde, was er wirklich sah. Die Werkstattwände waren voller Blut, Blutspritzer, blutige Handabdrücke, es schien sogar über den Boden zu fließen. Und dann sah er ihn: Den toten Mann, hinten in der Ecke der Werkstatt. Blutverschmiert stand er dort und blickte ihn unverwandt an, mit seinen leeren, kalten Augen.
Diesen Augen!
Alex schrie, taumelte rückwärts und rannte zum Auto. Er wusste nicht mal, vor wem oder was er davon rannte, doch er fühlte, er konnte nicht entkommen.
Im Auto versuchte Alex, sich zu beruhigen. Er atmete ein paar Mal tief durch, doch kaum dass sein Herzschlag sich verlangsamte, klatschte eine blutige Hand an das Seitenfenster. Alex wusste nicht mehr, was hier geschah. Er wusste nicht mehr, was er tat. Er gab nur noch Gas.
Völlig ohne Sinn raste der junge Mann durch die Stadt. Immer wieder fiel sein Blick auf den blutigen Handabdruck auf der Fensterscheibe. Die Dunkelheit um ihn herum steigerte seine Panik und Alex war fast wahnsinnig vor Angst. Die tote Gestalt war zwar verschwunden, doch das Blut erinnerte ihn weiter daran. Seine schlimmsten Alpträume wurden wahr.
Erst, nachdem er sich quer durch die Stadt, kilometerweit von der Werkstatt entfernt hatte, kam Alex zur Ruhe. Er versuchte, ruhig zu atmen und beim nächsten Blick aus dem Fenster war der Handabdruck verschwunden. Verschwunden? Ungläubig schüttelte er den Kopf. Hatte er sich das alles nur eingebildet? Vielleicht verlor er bei dem Stress der letzten Zeit einfach den Verstand.
Das musste es sein. Er war überarbeitet, schlief schlecht und hatte Geldsorgen. Da konnte man schon mal durchdrehen.
Eigentlich glaubte er selbst nicht daran. Doch wenn das alles wirklich passierte …
Alex schauderte. Unruhig orientierte er sich, um endlich Heim zu fahren.
Langsam bog der junge Mann in die Einfahrt zu seinem Haus und zuckte entsetzt zusammen.
Diese Augen …
Schon wieder starrten sie ihn an. Tot, leer und anklagend. Sie schienen direkt aus dem Garagentor zu kommen.
Im nächsten Moment waren sie auch schon verschwunden.
Alex öffnete das Tor und fuhr hinein. Mit einem Blick auf die Wand erstarrte er erneut. Blut, schon wieder. Diesmal waren es nicht nur Flecken. Eine blutige Schrift zierte die Wand in riesigen Buchstaben:
Ein teuflisches Spiel endet tödlich!
Der verängstigte Mann hatte keine Ahnung wie lange er im Auto saß. Vielleicht Stunden, vielleicht auch nur Sekunden. Panisch zuckte er zusammen, als jemand an die Scheibe klopfte.
Melli hatte das Auto gehört und wunderte sich, was Alex so lange in der Garage trieb. Sie war wütend hinaus gegangen, fest entschlossen, ihn zur Rede zu stellen. Schließlich war es fast Mitternacht! Doch nun schaute sie ihn nur verwirrt an. Wie versteinert starrte ihr Mann die Garagenwand an. Er schien sie gar nicht zu bemerken, denn ihr Klopfen erschreckte ihn scheinbar fast zu Tode. Er blickte sie geschockt an, kalkweiß im Gesicht.
„Ach, ich war nur in Gedanken“ tat Alex einen erneuten Versuch von Melli ab, zu erfahren was passiert war. Er hatte selbst genug Panik und wollte seine Frau nicht auch noch beunruhigen. Er wusste, sie nahm ihm seine Ausreden nicht ab. Doch die Wahrheit würde sie ihm noch weniger glauben.

Um seine Liebste ein wenig zu besänftigen, erzählte Alex ihr von den Pannen in der Werkstatt und den wütenden Kunden. Natürlich ohne die tote Gestalt zu erwähnen, die ihn verfolgte. Ihm steckte immer noch der Schreck in den Knochen.
Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er den blutigen Handabdruck an seinem Seitenfenster. Egal wo er hin ging, ständig fühlte er sich beobachtet, angestarrt von diesen grässlichen Augen.
An jeder weißen Wand sah er dieselben Worte: Ein teuflisches Spiel endet tödlich!
Alex hatte keine Ahnung, was diese Nachricht bedeuten sollte, aber er bemerkte ganz klar die Drohung in diesen Worten. Er sollte es schneller verstehen, als ihm lieb war.
Der nächste Morgen in der Werkstatt verlief ruhig. Zu ruhig für Alex` Geschmack. Außer einem Kunden, der nur kurz ein paar neue Zündkerzen brauchte, war keiner da. Alex hatte nur zwei fertige Autos auf dem Hof, die am Abend abgeholt werden sollten.
Doch diese Ruhe hatte auch Tücken. Nichts zu tun, hieß auch keine Ablenkung von den schrecklichen Bildern in seinem Kopf. Den Bildern und den Worten, die immer wieder durch seinen Kopf spukten.
Die nächste Kundin kam jedoch unerwartet. Gegen Mittag steuerte Melli ihren kleinen Wagen auf den Hof der Werkstatt. Alex sah ihr verwirrt entgegen, seine Frau besuchte ihn nie bei der Arbeit. Doch Melli kam auch nicht zum Vergnügen. Sie berichtet ihm, sie hätte auf dem Heimweg von der Arbeit Probleme gehabt. „ Ich kann nicht richtig bremsen, der Wagen reagiert viel zu langsam“, erzählte sie ängstlich. Ihr war das Unbehagen anzumerken, mit dem sie das Auto bis hierher gefahren hatte. Alex versprach natürlich, sich sofort darum zu kümmern.
Da Melli die Zeit für einen Einkaufsbummel nutzen wollte, der bei ihr auch gerne mehrere Stunden dauern konnte, war die Reparatur nicht eilig.
Einige Stunden später hatte Alex nicht nur die Bremsen repariert und die Bremsbeläge ausgetauscht, sondern Mellis Auto auch gleich einer vollständigen Inspektion unterzogen. Alles wieder in Ordnung. Kurz darauf holte Melli den Wagen auch schon ab.
Gerade in dem Moment, als Melli den Wagen startete und losfuhr, wurde Alex wieder von seinen Albträumen heimgesucht. Ganz deutlich sah er den toten Mann mit den leeren Augen vor sich und er sprach die grausamen Worte immer wieder und wieder …
Alex verstand endlich die drohende Warnung. Hektisch und laut schreiend rannte er hinter Melli her, versuchte sie aufzuhalten. Doch seine Frau reagierte nicht mehr. Es dauerte nur Augenblicke, bis Alex wildes Hupen und einen lauten Knall hörte.
Melli fuhr gut gelaunt aus dem Hoftor der Werkstatt und steuerte auf die Kreuzung zu. Von dem Glücksgefühl der Einkäufe beflügelt war sie etwas zu schnell, zu spät sah sie den Kleintransporter, der von rechts auf sie zu kam. Erschrocken schrie sie auf und trat das Bremspedal mit voller Wucht durch: Doch nichts passierte.
Der Wagen reagierte nicht, wurde einfach nicht langsamer.
Das Letzte, was Melli in diesem Moment sah, war die Seitentür des Kleintransporters, in die sie mit voller Geschwindigkeit hinein raste.
Blut, überall Blut. Alex sah auf den zermatschten Kleinwagen. Er verstand nicht, was hier los war. Was war passiert?
Krankenwagen und Polizei waren schnell vor Ort, doch zu spät, sie konnten Melli nicht mehr helfen. Nur langsam dämmerte Alex, dass er nicht nur auf das zerstörte Auto, sondern auch auf seine tote Frau starrte. Tot! Er wusste es, doch er verstand es nicht. In seinem Kopf war völlige Leere.
Als er später auf dem Polizeirevier saß, um über den Unfall zu sprechen, konnte Alex sich nicht konzentrieren. Sein Blick schweifte immer wieder von dem Polizisten ab, dessen Worte er sowieso kaum wahrnahm. Seine Augen wanderten durch den Raum und über den Schreibtisch, vor dem er saß. Bis sein Blick auf eine alte Zeitung fiel.
´Bremsversagen: Tödlicher Unfall!’ lautete die Schlagzeile. Darunter das Bild eines Mannes um die 40. Alex blickte auf das Bild, er kannte diesen Mann. Klar auf dem Bild sah er unverletzt aus, mit fröhlichen, offenen Augen, doch … das war der Mann aus seinen Träumen, sein Verfolger!
Alex starrte wie versteinert auf das Bild bis ihm bewusst wurde, dass er den Mann wirklich kannte, auch als er noch lebte.
Vor ein paar Wochen, war dieser Mann bei Alex in der Werkstatt: Ein Problem mit den Bremsen. Zu dieser Zeit hatte er noch gut zu tun. Wie immer reparierte er den Wagen schnell, jedoch ohne seine Arbeit genau zu kontrollieren. Noch am Nachmittag gab er dem Mann das Auto wieder.
Erneut sah er auf den Zeitungsartikel, blickte auf das Datum des Unfalls. Es war derselbe Tag. Der Mann war gestorben, kurz nachdem er Alex Werkstatt verlassen hatte.
Ein teuflisches Spiel endet tödlich
Noch einmal schallte die Botschaft durch seinen Kopf. Erst jetzt verstand Alex wirklich, was diese Nachricht bedeutete. Er verstand die Schuld. Seine Schuld: am Tod dieses Mannes und an Mellis Tod.
Alex sah wieder auf die Wand hinter dem Polizisten. Er sah den uniformierten Mann nicht. Alles, was er sah, waren diese Augen. Tot, leer und anklagend …
doch diesmal waren es die Augen seiner geliebten Frau!


© Carina Blitz


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