Wenn unser Glaube an etwas Höheres weiter schwindet, weil es außerhalb unserer Vorstellungskraft liegt, werden wir regelrecht „arm-selig“.
Diese Möglichkeit wächst, weil die Worte der Bibel, aber auch der anderen Heiligen Bücher, wie des Korans, der Tora, der Vedanta wenn auch zeitversetzt, langsam aber stetig der Vergessenheit anheimfallen. Nicht einmal die Hälfte der Menschen wissen noch um die Wurzeln religiöser Feste; man feiert die freien Tage anlassfrei.
Ob wir dieses Höhere Gott nennen oder Schicksal oder Vorsehung, bleibt sich zunächst gleich, denn auch der Atheist glaubt an das Gute.
Diese „Armseligkeit“ wird durch keine noch so edlen Verhaltensregeln, die unser Intellekt gebiert, ausgeglichen werden können.
Was uns einst zu „Sozialen Wesen“ werden ließ, würde verschwinden. Es ist nicht mit dem Instinkt der Tiere vergleichbar, der ihnen befielt, die eigene Herde, das Rudel, die Sippe im Falle einer Gefahr zu schützen, denn was uns zu Menschen werden ließ, reicht weit darüber hinaus:
Die Menschlichkeit – Humanitas - kam uns allein zu.
Wer glaubt, ob Staat oder Individuum, mit reiner Vernunft die Geschicke der Menschheit planen, behandeln und zum Besseren lenken zu können, irrt, denn auch der Böse handelt vernünftig – aus seiner Sicht.
Wenn wir im Nächsten nur mehr das schlichte Objekt sehen, ihn gar nach ökonomischen Kriterien allein beurteilen, sind wir auf dem Weg in eine kalte, lieblose Welt.
Wir sollten daher den Glauben an eine Macht nie aufgeben, die größer ist als wir, einer, der wir die ewige Sehnsucht nach Erkenntnis und Vollkommenheit verdanken, die in uns allen schlummert.
Wie sagte Augustinus einst, „Liebet einander und tut im Übrigen, was ihr wollt.“

© Hans Finke


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Kommentare zu "In Kurzform: Vernunft und Glaube"

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: sissy   Datum: 23.01.2014 14:38 Uhr

Kommentar: Lieber Hans,

es ist schwer in der heutigen Zeit zu GLAUBEN, wenn man daran denkt, wie viele schreckliche Dinge im Laufe der Geschichte und auch heute noch geschehen, weil sich Menschen auf die Schriften berufen haben. Dazu kommt, dass wir der Meinung sind, die Gemeinschaft nicht mehr zu brauchen.
Wenn wir endlich die Zusammenhänge begreifen würden, einsichtig und somit wirklich VERNÜNFTIG handeln würden, wenn nicht mehr jeder nur an sich selber und an seine Vorteile denken würde, könnte sich das Verhalten des Einzelnen zu seinen Mitmenschen und zu unserer Umwelt nur verbessern.

Herzliche Grüße

Sigrid

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: noé   Datum: 23.01.2014 16:31 Uhr

Kommentar: Ich saß zufällig hingewürfelt und sehr unkommod einmal in einer Runde sehr christlicher Oberer, von denen sich einer strahlend und händereibend rühmte, nun endlich, nach vier langen Jahren, das mit der jetzt vierten teuer bezahlten externen Expertengruppe neue Leitbild für seinen Bereich herausgeschält zu haben. Alle nickten und bestätigten, die Findung eines Leitbildes sei eine sehr zeit- und kosteninsive Sache.

Ich hatte keine Funktion, d.h. ich war ganz am unteren Ende der Hackordnung in dieser Institution angesiedelt. Aber ich wagte, das Wort zu erheben. Und zwar folgendermaßen: "Das hätte man auch kostengünstiger und wesentlich effektiver finden können."

Alle schauten leicht amüsiert in meine unqualifizierte und auch noch weibliche Richtung. Der Prälat meinte, gönnerhaft schmunzelnd: "So? Und wie?" Meine Antwort ließ sämtlich Alle in der Runde sehr verlegen verstummen: "Bibel aufschlagen. Darin findet man die Worte von Jesus 'Liebe deinen Nächsten wie dich selbst'."

Mit höchster Konzentration widmeten sich alle ihren Tellern, für eine errneut flüssige Konversation brauchte es geraume Zeit.
Ich hatte in der Folge unter keinen Repressalien zu leiden.

noé

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: ulli nass   Datum: 23.01.2014 17:26 Uhr

Kommentar: lieber hans,
ein wirklich großes Thema.Eines meiner Lebensthemen.Ich finde es unverzichtbar, sich damit auseinandersetzen.Und -jeder wird seine
eigenen Antworten finden.Das ist unvermeidlich.
Für mich kann der Glaube an ein höheres Wesen,eine Macht über uns,
niemals Bedingung sein für Sinn und Moral usw.
Wir sind wirklich gefordert, diese schwersten Aufgaben selbst zu
leisten. "Von Oben" abgeleitete Werte, Moral, Sinn haftet immer der Makel des nicht Autonomen, nicht selbst Verntworteten an. Leider muss man den hehren Begriffen folglich immer die Vorsilbe Pseudo geben.Ich kann es nicht milder formulieren, sorry.Wer glauben will, mag es tun.
Am Peinlichsten sind mir sowieso nichthinterfragte Ungläubigkeit und intellektuell gar nicht begründeter Atheismus.Aetzend.Meine Position ist wohl die des Agnostikers.Ratzinger sagt, das geht gar nicht.Egal.
Augustinus geht für mich gar nicht. Kurt Flasch "Kampfplatze der
Philosophie". Wirklich ein Augenöffner . . .in meinem Urteil.
ulli

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: ulli nass   Datum: 23.01.2014 18:00 Uhr

Kommentar: hi hans,
vergaß leider, dir ausdrücklich meinen Respekt auszudrücken für
deine Gedanken.Verzeih! . . . und es is schon a bisserl schad,
dass wir nicht zurück können in ein mittelalterliches, vorneuzeitliches Lebensgefühl,
in dem der Religion, Gott und Glaube einfach ein Synonym für die
Realität waren.Das ist hart und schwer zu verdauen.
ulli

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: axel c. englert   Datum: 23.01.2014 19:42 Uhr

Kommentar: Lieber Hans,
das ist ein interessantes Thema, zudem wirklich gut beschrieben.
Allerdings muss ich Ulli in Bezug auf Augustinus beipflichten.
Dessen extrem feindselige Haltung gegenüber dem Judentum erscheint
mir ebenso „unchristlich“ wie seine Lehre vom „gerechten“ Krieg.

LG Axel

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: Hans Finke   Datum: 23.01.2014 22:04 Uhr

Kommentar: Augustinus „nutzte“ ich nur dieses einen Ausspruchs wegen, im Übrigen liegen mir seine Dogmen sehr fern. Genau so, wie ich Luther misstraue, der gegen Juden und Bauern gehetzt hat. Die großen Physiker, wie Otto Hahn, natürlich Einstein und andere gaben zu, letztlich auf letzte Fragen keine Antworten zu kennen. Mir geht es nicht um Glauben im engeren Sinne, der leicht in die Irre führt. Allein das Wort Glaube ist belastet durch den Missbrauch, der damit getrieben wurde. Worüber wir aber nichts wissen, können wir das entweder glauben oder schlicht ignorieren. Und da gibt es Vieles.
Mir geht es um Gesetzmäßigkeiten im Mikro-und Makrokosmos, die sich unserem Wollen und Willen entziehen.
Wer könnte schon aus einer Menge Wasser, einigen Aminosäuren, nebst Kohlenstoff, Stickstoff, Schwefel, Phosphor, um ein paar Elemente zu nennen, hochkomplexe Lebewesen sich entwickeln lassen, daneben Bäume, Eintagsfliegen oder eine Atmosphäre? Die Substanz, den Bauplan, damit Evolution geschehen konnte, hat uns jemand geliefert – wir waren es sicher nicht. Um Mutmaßungen vorzubeugen: Ich bin kein Kreationist!!! –
Zu Moral noch ein Wort. Die legt jede Staatsgewalt nach eigenem Gusto aus, ich bevorzuge den Begriff Ethik, der nahe bei den Menschenrechten liegt.
Ich danke euch für eure Meinungen (die oft interessanter sind als der Text) und bin immer wieder froh über Svens Idee, dieses Portal ins Leben gerufen zu haben. Wir hätten sonst nie voneinander erfahren.
Seid gegrüßt - Hans

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: ulli nass   Datum: 23.01.2014 23:25 Uhr

Kommentar: das war doch mal was mit echtem Herzblut und Inhalt.vielen Dank, euch . . . zu deinen offenen Fragen lieber Hans hat die Theorie zur Selbstorganisation der Materie und die Systembiologie inzwischen viel Erhellendes herausgefunden. Mein Weltbild wäre noch schlechter als es ohnehin ist,gaebe es nicht Neuroforschung und Neurophilosophie.Nimm alles an Arroganz und Marktgeschrei weg, dann ist es doch die revolutionärste Wissenschaft.Banaler Grund:sie liefert Erkenntnisse über das einzigartige System,unser Gehirn,das Erkenntnisorgan,
das die Basis ist für alles,wovon wir reden.Kein Gedicht,
keine Kunst, keine Wissenschaft ohne Gehirn . . .dass die überschätzte
Ratio nicht ohne die Hirnstrukturen zu haben ist, die unsere Gefühle
möglich machen, ist inzwischen eigentlich unstrittig . . .alles sehr spannend, . . . für mich. Ich muss da durch. A long way to go . . .
never ending. . . und eines müssen wir alle gemeinsam ertragen,
die ganz großen Mystrien werden bleiben.
ulli

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: Hans Finke   Datum: 24.01.2014 12:23 Uhr

Kommentar: Lieber Ulli, „…kein Gedicht, kein…ohne Gehirn (…)alles sehr spannend.“ - Und wie spannend! – Die Eidechse kann ihren Schwanz reproduzieren, ich hab gehört, manch andere Tiere können Ähnliches. Da liegt noch ein weites Feld für Biologen und Neurologen vor ihnen. Und Evolution ist nie zu Ende. - Die Hürde zur „Autokreativität“ eines Tages überspringen zu wollen, birgt allerdings die Gefahr des Kontrollverlustes über die Studienobjekte; ich nenne es mal „Lawinensyndrom“, dessen sich Forscher nicht immer bewusst sind, weil sie im Interesse des eigenen Forschungsprojekts noch zu wenig „Nachbarschaftspflege“ betreiben. Daher ist die noch bessere Vernetzung von MINT-Gebieten, insbesondere der Biologie, mit den „weichen“, den Geisteswissenschaften notwendig. – Und hätten wir alle Rätsel der Erde gelöst, was fingen wir mit der künftigen Langeweile an?! – Sei gegrüßt, Ulli und bleib neugierig, ich auch. - Hans

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: ulli nass   Datum: 24.01.2014 12:49 Uhr

Kommentar: da bin ich ganz deiner Meinung - die Hirnforscher haben sich übrigens leider Ihr Image selbst versaut... schade. es gibt einige wenige die das mehr als kompensieren können.ohne deren Erkenntnisse geht eigentlich zeitgemäße Philosophie nicht mehr - muss sie sich doch immer
der gigantischen Aufgabe stellen, den gesamten Erkenntnishorizont zu
integrieren.aber Neurobiologie ist so schwierig wie spannend. hans ich freue mich, dass wir vieles ähnlich betrachten.und ist eine Frage beantwortet, ergeben sich umgehend neue Fragen . . .
ulli

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: Hans Finke   Datum: 24.01.2014 13:37 Uhr

Kommentar: ...so sei es, so bleibe es. LG Hans

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: Michaela Thanheuser   Datum: 04.02.2014 1:10 Uhr

Kommentar: Wahrer Glaube bedeutet, mit dem Herzen und Verstand zu wissen und zu vertrauen. Mit Betonung auf VERTRAUEN.
Wobei sich einiges zudem wissenschaftlich prüfen läßt.
Etwas (z.B. durch Empirie) zu wissen, bedeutet sich auf etwas zu VERLASSEN (weil es sich als richtig erwiesen hat, bis es als falsch widerlegt wird), hier vertraut man nicht. Das hat eine ganz andere Qualität. Wissen ist reine Kopfsache, keine Herzenssache.

Jeder Mensch glaubt.
Selbst wenn er an nichts glaubt, glaubt er an etwas.
Kein Mensch auf Gottes Erdboden ist ohne Glauben.
Auch wenn es ihm an Wissen um diesen (bei Aufdeckung für ihn wohl peinlichen) Umstand mangelt.
Dann gibt es jene, die unbedingt absolut frei und selbstbestimmt sein wollen; die tatsächlich denken, sie würden an nichts glauben.
Dabei glauben sie de facto nur an etwas Anderes.
Denn sie schaffen (un-)bewusst ihre "goldenen Kälber".
Und sie schaffen ihre eigenen "Götzen", in Form von Idolen (welcher Sparte der Industrie auch immer).

Will man uns unseren Glauben nehmen, so bietet man uns durch Idole Ersatz. Das hat den Vorteil, dass man Gott nicht, Idole aber sehr wohl, unter Kontrolle halten kann - und damit die Gläubigen, die sich für frei halten.

Tja, man kommt aus der Nummer mit dem Glauben nicht so leicht raus, wie man meint.
Ob man in Demut an Gott glaubt oder ob man sich zu Gott (Göttern) erhöhen will, Architekt sein möchte, Schöpfer, Kreator, Meister, etc.

Ob man Ebenbild/Werkzeug/ein Kind Gottes und der Schöpfung sein oder aber Gott (Götter) für sich und seine Zwecke instrumentalisieren will...
Es ist allemal ein tragischer Irrtum, wenn man denkt, dass man sich durch Nicht-Glauben befreien oder erheben könnte.

LG an dich Hans und DANKE für die wundervolle Aufgreifung des Themas!

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: Michaela Thanheuser   Datum: 04.02.2014 1:15 Uhr

Kommentar: Entschuldige bitte Hans, erst beim Reinkopieren habe ich gemerkt, wie lang das ist...

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: Michaela Thanheuser   Datum: 04.02.2014 1:15 Uhr

Kommentar: Entschuldige bitte Hans, erst beim Reinkopieren habe ich gemerkt, wie lang das ist...

Re: In Kurzform: Vernunft und Glaube

Autor: Hans Finke   Datum: 04.02.2014 19:00 Uhr

Kommentar: Bitte keine Entschuldigung, Michaela! Wer etwas Richtiges zu sagen hat, kann eben keine Telegramme schicken; er braucht dazu "mehr" Sprache. Ich danke dir und euch allen für euer Interesse.

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