Die Puppenspieler

Dort oben stehen sie im schmalen Geviert. Heiß ist es und dunkel bis auf das schwache Licht, das ihre flinken Hände zeigt, die mit virtuosen Bewegungen, sich oft übergreifend aber niemals einander behindernd, den Gliederpuppen aus buntem Holz und Stoff unten im hellen Spielkreis Leben schenken.
Ihre Gesichter bleiben unsichtbar; ob sie mit ihren Figuren lachen oder leiden, sieht man nicht. Konzentriert lehnen sie auf der gepolsterten Brüstung oder ruhen kurz auf der schmalen Sitzkante aus, immer gewärtig des Spiels auf der Bühne unter ihnen.
Nur das leise Knarren der Planken, auf denen sich die Puppenspieler lautlos bewegen, ihr schnelles, kurzes Flüstern verrät die Menschen hinter ihrer Kunst, wir aber werden von dem Geschehen auf der Bühne verzaubert.

Die Puppenspieler sind stolz auf ihre Wesen, die am anderen Ende springen, tanzen, lachen oder weinen – scheinbar nach eigenem Willen.
Doch lassen sie die Hände sinken, ist der Zauber dahin. Ein Häuflein Stoff, fein bemaltes Holz bleiben zurück: eine tote Prinzessin, ein lebloser Clown, ein schlafender König...
Auch der kleine Galgenstrick, dem sie gerade noch Lust und Leben spendeten, baumelt erloschen am Haken.

Das Spiel aber geht weiter. Sie greifen zu einem anderen Handkreuz, und schon tanzt vor uns ein frisch beseeltes Wesen für die ihm zugemessene Zeit.

Wir freuen uns jetzt mit dem Bauernjungen, der die Prinzessin von dem bösen Zauberer errettet hat.

Nach und nach aber werden auch wir von der großen Bühne verschwinden und an unsichtbaren Haken hängen.
Es ist im Kleinen wie im Großen.

©HF7/06


© Hans Finke


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