Emily sah an die Decke. Sie wusste nicht, wo er war. Wie lange er schon das Bett verlassen hatte ebenso wenig. Nebenan hörte sie den ruhigen Atem seiner schlafenden Mutter. Sie wusste nicht, dass Emily hier war. Und das sollte auch so bleiben, bis sie eine mögliche Lösung gefunden hatten. Nur hatte sie weiß Gott keine Ahnung, wie diese aussehen sollte. Seit ihre Gedanken sich nach dem Geständnis an Elyar wieder geordnet und beruhigt hatten, machte sich langsam die Angst breit. Angst vor dem Ungewissen, was ihnen zweifelsohne bevorstand. Oder auch nur ihr und dem Baby allein? Zu gerne hätte sie in diesem Moment gewusst, was in Elyar vor sich ging.





Er war von der Kirche geradewegs zu den Stallungen gelaufen. Innerhalb weniger Minuten hatte er Calito gesattelt und führte ihn auf den inzwischen in Mondlicht getauchten Hof. Die Wolken hatten sich verzogen. Kaum waren sie im Freien, schon schwang er sich in den Sattel, zog den Gürtel der Schwertscheide nach und trieb seinen Hengst an. Er musste weg hier, weg von ihr, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Die Hufe donnerten über das Kopfsteinpflaster des Marktplatzes, kurz nachdem sie das Burgtor hinter sich gelassen hatten, wo er mit einem knappen Nicken der Wachen vorbeigelassen worden war. Er wandte sich nach links und durchquerte mehrere schmale Gassen, ehe sie auf das freie Feld kamen. Calito setzte ganz von selbst zum Galopp an und trug seinen Reiter weg von den Festungsmauern. Ein Moment der Freiheit, bevor er sich stellen würde. Er hatte in den Minuten seines Aufenthalts in der Kirche einen Plan gefasst. Aus eben diesem Grund hatte er dem Geistlichen nicht erzählen können, was ihn belastete. Ohne Zweifel hätte er sich am Ende erkundigt, was er nun aufgrund der herrschenden Gegebenheiten aus Heiratsversprechen und Schwangerschaft seiner Geliebten, zu tun gedachte. Und das durfte er nicht erfahren. Er selbst traute sich kaum daran zu denken. Aber er sah keinen anderen Ausweg. Es graute ihm davor, später Emily davon erzählen zu müssen.



Sie glaubte draußen jemanden vorbeireiten gehört zu haben. Sie war sich aber nicht sicher, zu sehr war sie in Gedanken versunken. Die langsam und stetig aufkommende Angst machte es ihr schwer, sich ruhig zu verhalten. Sie zwang sich ihre Atmung zu kontrollieren und umschlang ihre Knie. Und während sie dort auf der Seite lag, fingen erneut die Tränen an sich ihren Weg zu bahnen. Was sollten sie nur tun? Alles was ihr als möglich erschien, war eine Flucht.



“Wann?” Sie war gefasst, ihre Stimme war fest. “Ich halte es für sinnvoll, dass wir gehen, solange ich mich noch richtig bewegen kann.”

Er nickte. “Genau das habe ich mir auch gedacht. Wenn die Schwangerschaft vorangeschritten ist, ist genug Zeit ins Land gegangen, so dass wir berechtigt Hoffnung haben können, dass sie die Suche nach uns aufgegeben haben.”

Sie nickte langsam. Soweit waren sie sich einig. Nur eine Sache schwiegen sie die ganze Zeit tot.

“Ich werde meinen Rang verlieren”, sprach er es unerwartet doch plötzlich aus. “Sobald das so ist, gelte ich als von meinem Herrn verstoßen und lebe als Geächteter.” Er bemerkte die versteckte Sorge in ihrem Blick. “Keine Angst, dass nehme ich gerne in Kauf. Ich weiß, worauf ich mich einlasse. Zum Teil zumindest”, er schluckte.

“Es wird nicht leicht werden.”

“Nein, ganz gewiss nicht, Liebste.”


© MajaBerg


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