Da saß sie nun und weinte, sie weinte, weil all das, was sie sich die letzten Jahre aufgebaut hatte nun mit einem mal zerstört wurde. Ein paar stunden vorher war alles noch in bester Ordnung. Bis sie an diesem Mittag beim Frauenarzt war. Sie ist dort zur Kontrolle gewesen. Aber was die Ärztin Diagnostizierte war für sie keine freudige Nachricht. Sie konnte es niemandem sagen, sich niemandem anvertrauen. Denn, was sollten ihre Freundinnen bloß von ihr denken? Und ihre Mutter? Ihr wurde in ihr ganzes Leben einfach hinein gepfuscht ohne dass es jemand kontrollieren konnte. Und als sie im Ultraschall das Lebewesen gesehen hatte, war sie hin und weg. Sie schwor sich, sie würde niemals den anderen weg wählen. Sie hielt sich den Bauch. Sie saß in einer ecke ihres Zimmer zusammengekrümmt auf dem Boden. Eine Stunde hatte sie so verharrt. Erst jetzt stellte sie sich vor was gerade in ihrem Bauch abging. Es wuchs ein kleiner Mensch darin. Sie war schwanger. Und dann auch noch von einem Typen den sie schon seit zwei Monaten nicht mehr gesehen hatte. Es musste wahrscheinlich in den Sommerferien passiert sein. Da hatten die beiden ein paar mal Miteinader geschlafen. Aber sie hatten doch verhütet. Oder?
Egal. Jetzt blieb keine Zeit mehr für Spekulationen. Sie musste handeln.
Sie fischte ihr Handy aus der Hosentasche und suchte in den Kontakten nach seiner Nummer. Dann drückte sie auf die Wahltaste. Es tutete ein paar mal.
„ja?“, hörte sie seine stimme am anderen Ende.
„Hey du“ sagte sie zaghaft „ich... ich muss mit dir reden“
„ich bin ganz Ohr“, antwortete er.
„ähm... tut mir leid aber...“, sie stockte . „... Ich kann dir das nicht so sagen. Ich... Wir müssen uns treffen.“
„Warum?“, schnaubte er „Ich hab jetzt keine Zeit man!“
„Aber...“, sie war den Tränen nahe. Hatte er denn kein Gespür für schwangere Mädchen? Okay. Der Arme wusste ja gar nichts davon.
„hör auf zu labern! Du weisst genau...“
doch sie schnitt ihm das Wort ab, „es ist mir scheißegal was du darüber denkst!“, sagte sie laut und fügte bestimmend dazu: „es geht um leben oder Tod, wir treffen uns heute um fünf bei mir“, damit legte sie auf...
warum auch nur musste er sich damals in sie verlieben? Damals... als sie noch gemeinsam in eine Klasse gingen. Erst war es nur Freundschaft. Sie mochte ihn, und dann, als sie auf Abschlussfahrt nach Sizilien reisten geschah es. Sie hatten miteinander geschlafen. Für beide war es das erste mal. Und es war schön gewesen. Danach hatte sie sich sehr gut gefühlt. Dann taten sie es noch ein paar mal miteinander. Aber nur auf Sizilien. Als sie zurück nach Deutschland flogen, war der schöne Schimmer vorbei. Sie hatten keine Gefühle mehr füreinander, auch war es ihnen peinlich. Keiner durfte davon erfahren, denn er war in einer Beziehung und sie hatte ihren Eltern hoch und heilig versprochen, sich ihre Jungfräulichkeit für die Ehe aufzubewahren. Wenn ihre Mutter oder ihr Vater etwas davon erfahren würden, wäre alles vorbei. Das wusste sie jetzt schon.
Um viertel nach fünf stand er vor ihrer Tür und rauchte eine Zigarette. Er hatte einen neuen Haarschnitt. Undercut. Er sah wie immer total gut aus, trug braune Boots, eine abgewaschene Blue Jeans, ein Leinenhemd und eine ebenfalls braune Wildlederjacke. Er hatte diesen leicht verwegenen aber trotzdem sexy Look. Als sie ihn sah kamen plötzlich wieder diese Gefühle in ihr hoch wie letzten Sommer, in ihrem Bauch kribbelte es, doch sie versuchte sich zu beherrschen und ja nicht die Fassung zu verlieren. Mensch er sieht so gut aus. Dachte sie und schaute an sich herunter. Sie hatte nur einen Kapuzenpulli und eine Jeans an und außerdem rosa Plüschsocken, war nicht geschminkt und hatte ihre haare unordentlich zu einem Dutt hochgebunden. Sie kam sich in seiner Gegenwart so schäbig vor.
Zu ihrer Verwunderung gab er ihr einen Kuss auf die Linke Wange.
Sie bat ihn herein und die beiden setzten sich zusammen auf ihre rote Designercouch.
„so... und was ist nun so wichtig, dass ich unbedingt kommen muss?!“, fragte er und zippte auf seinem Handy herum. Er war sichtlich genervt. Er wollte nichts mehr mit alledem zutun haben und die Zeit einfach hinter sich lassen, weil er sich genauso dafür schämte wie sie, obwohl er sie ganz tief in seiner Seele immer noch liebte.
„wie geht’s deiner Freundin?“, fragte sie, um nicht gleich mit dem schlimmsten anzufangen. Sie hatte sich alles ganz genau zurecht gelegt. Erst würden sie sich warm reden und anschließend würde sie ihm es ganz schonend beibringen.
„keine Ahnung. Ich bin nicht mehr mit ihr zusammen. Hab Schluss gemacht“, sagte er trocken und starrte die ganze zeit über auf seinen Handydisplay.
„Oh“, sie war irgendwie erleichtert, aber auch überrascht. „Hast du... hast du ihr das von uns erzählt?“
Er schaute ihr direkt ins Gesicht. „Ja. Sie wollte noch einmal von vorne anfangen, ich habe aber abgelehnt“
„aha“
„und was willst du mir jetzt erzählen?“, fragte er, immer noch mit dem Blick zu ihr.
Sie musste es jetzt sagen. Wohl oder übel.
„Dimo... ganz einfach: ich bin schwanger“, sie räusperte sich, „von dir“.
Dimo schaute sie an, als hätte er einen Geist gesehen. „wie bitte?!“, er sprang auf und lief aufgeregt im Zimmer herum. „aber das... das geht nicht, ohh nein! Das geht überhaupt nicht!“, er sah zu ihr herunter „Nina! Was bildest du dir eigentlich ein?! Meinst du etwa du kannst mir einfach so ein Kind unterschieben?! Das ist ja echt 'ne Frechheit!“
Nina, die immer noch ganz eingeschüchtert auf dem Sofa saß, schaute Dimo nur traurig an.
„Tja. So ist es leider. Meinst du etwa ich hab mich gefreut oder was?!“, im letzten Satz wurde ihre Stimme laut.
Er raufte sich die Haare und setzte sich wieder hin. Diesmal aber mit Riesen abstand zu ihr.
„kann es... kann es nicht vielleicht sein dass du noch mit einem anderen außer mir...?“,
sie sah ihn grimmig an und schrie: „spinnst du?! Für wie schlampig hältst du mich eigentlich?“
„was? Könnte doch sein. Oder?“
„klar!“ Nina war sehr empört über das, was Dimo gerade abgelassen hatte und auch ein bisschen traurig.
„meinst du wirklich ich bin der Vater?“, er schaute sie verwirrt an.
„klar! wer sonst?!“, aus lauter Verzweiflung kamen ihr die Tränen. Wie konnte er nur so blöd sein!
„und... was ist, wenn das nur ein Missverständnis ist... und... du eigentlich gar nicht schwanger bist?“, er sah sie fragend an.
„das ist kein Missverständnis. Es ist ein Baby. Unser Kind!“
„unser Kind“, er lachte kurz verächtlich auf „schon krass“
„ja total“, sie rollte mit den Augen und fügte hinzu: „meine Eltern würden aus allen Wolken fallen, meine Freundinnen mich verlassen und alle andern über uns reden. Am besten ich treibe ab“, sie sah ihn mit ihren verweinten Augen verzweifelt an.
„Bist du verrückt oder was?!“, aufbrausend starrte er sie entgeistert an „das ist immerhin auch mein Baby! Wehe du treibst es ab. Das ist Mord! Lieber ziehe ich unser Kind alleine groß!“, schnaubte Dimo und hob die Hand. Wie er es immer zutun pflegte, wenn er sich mit irgendjemandem stritt.
„Ist ja schon gut“, beruhigte Nina ihn „es war ja nur eine Überlegung. Ich möchte es einfach nicht riskieren, dass alle sich die Mäuler über uns zerreissen“.
Dimo kniff die Augen zusammen und durchbohrte Nina mit einem Stahlblick.
„Das ist doch so was von scheißegal wie du dabei dastehst! Es geht hier nicht um dich, deine Eltern oder irgendwen anders!“, schrie er und sprang währenddessen auf. „es geht hier um ein kleines Kind. Unser Kind. Meins wie auch deins!“, er knabberte verzweifelt an seinen Fingernägeln „es ist mir so scheißegal was die anderen darüber sagen“, Dimo wurde etwas ruhiger und setzte sich wieder neben Nina und streichelte ihren Arm.
„Ich weiß es ist schwer. Aber wir müssen jetzt zusammenhalten. Anders funktioniert das nicht“,
ihr liefen die Tränen über die Augen. Aber sie war froh, dass er doch so mitfühlend war.
„ich hab keine Ahnung wie ich das hinbekommen soll...“, schluchzte sie „... das mit der Schule und meinen Eltern... und alles einfach. Ach Scheiße!“
Nina hatte immer das Perfekte Leben gehabt. Sie war Einzelkind, hatte Eltern die noch zusammen lebten, ein Haus, eine Katze und alles um sie herum war perfekt. Sie lebte in einer perfekten Welt ohne irgendwelche schlechten Einflüsse von draußen. Ihre Eltern zahlten ihr alles und hatten sehr viel Geld. Trotzdem, hatten sie immer genug Zeit für Nina gehabt, sie hatte sich niemals alleine gefühlt. Ihre Mama hatte eine Halbtagsstelle und kam immer pünktlich nachhause, damit sie ihrer Tochter etwas zu essen machen konnte. Vor ungefähr einer Woche hatte sie ihre Führerscheinprüfung bestanden. Sie brauchte keinen Nebenjob, denn alles was sie wollte bekam sie von ihren Eltern.
„und was jetzt?“, fragte Nina nach einer Weile.
„im... im wievielten Monat bist du?“, kam die Gegenfrage von Dimo.
„dritten...“
„Okay...“ Dimo atmete laut aus. Er lief durchs Zimmer während er scharf nachdachte. Setzte sich hin und schloss die Augen. Er vergrub das Gesicht in seinen Händen. Er wusste auch nicht genau weiter.
„Ich brauche etwas Zeit für mich“, sagte er schließlich, „am besten verraten wir unseren Eltern erstmal nichts“
„verstehe“, entgegnete Nina.
„meine Handynummer hast du ja“, er sah sie an, „ruf mich einfach an wenn etwas ist“
„Okay“ einerseits überraschte es sie, wie Erwachsen Dimo reagierte. Andererseits, verletzte es sie, dass er sich nicht sofort entscheiden wollte.


Es verging eine Woche. Dimo hatte sich nicht gemeldet. Nina war sauer. In der Schule hatte sie Nachgelassen. Bringt sowieso nichts mehr. dachte sie. Bei ihren Freundinnen lies sie sich auch kaum noch blicken und sie stöberte schon seit Tagen immer wieder auf Internetseiten mit Babyartikeln.
Plötzlich kam ein Anruf.
Sie hob ab. Es war Dimo.
„Nina?“, hörte sie am anderen ende der Leitung. Es war sehr schwer zu verstehen, da im Hintergrund etwas rauschte und Autos hupten. Trotzdem war das flehen in seiner Stimme nicht zu überhören.
„Dimo!“, sie schrie sie ins Telefon „wo hast du gesteckt? Was machst du? Wieso hast du dich nicht bei mir gemeldet?!“
„Nina! Ich muss mit dir reden!“, Dimos stimme wurde von einem rauschen übertönt.
„ja. Was ist?“
„ich kann das nicht mit dir am Telefon besprechen. Die Verbindung ist zu schlecht! Wir treffen uns in einer halben stunde auf der Brücke“,
ein tuten.
„Dimo?!“, rief Nina ins Telefon. „Dimooooo?!??!?! ach, so ein Mist!“, sie warf das Telefon auf ihr Bett und schaute nach Draußen. Dort regnete und stürmte es. Es war schon halb Zwölf und sie hatte ihren Schlafanzug bereits an. Schnell schlüpfte sie in Jeans und Pulli. Streifte sich einen Anorak über, lief nach unten, zog ihre Schuhe an und sprang nach draussen. Es war kalt, Nass und der Wind pfiff ihr um die Ohren. Irgendwo hörte sie ein donnern. Eigentlich hatte sie angst vor Gewitter. Aber jetzt musste sie ihre scheu überwinden. Sie rannte an die Straßenbahnhaltestelle. In einer halben Stunde fuhr die Nächste Bahn. Das war zu spät. So musste sie wohl den ganzen Weg zu Fuß gehen. Sie rannte und rannte. Sie konnte vor lauter Regen kaum etwas erkennen. Sprang zwischen Autos hindurch und bog ein paar mal falsch ab. Irgendwann konnte sie die Kirche sehen. Und daneben die Große Brücke, die die Stadt verband, welche durch einen Fluss getrennt war. Der Sturm tobte und der Regen peitschte ihr ins Gesicht. Doch dies hielt sie nicht auf. Sie rannte und rannte bis sie sich auf dem rechten Bürgersteig in der Mitte der Brücke befand. Sie sah sich um. Doch weit und breit kein Dimo. Plötzlich sah sie, wie ihr eine Gestalt auf dem anderen Bürgersteig zuwinkte. Als sie genauer hinsah, bemerkte sie, dass es sich um Dimo handelte. Nun trennte die beiden nur noch die Straße auf der die Autos fuhren voneinander. Sie lief los, ohne Rücksicht auf Verluste. Als Dimo das sah, setzte er sich ebenso in Bewegung. Die beiden trafen sich in der Mitte der Straße wieder. Sie nahmen sich in den Arm. Reifen quietschten. Ein Auto hupte.
„Nina“, sagte Dimo endlich. „ich möchte, dass du weisst dass ich mir das jetzt wirklich gut überlegt habe und ich... ich meine ich hatte eine Woche dafür Zeit und habe diese genutzt... ich will das mit dir zusammen machen! Wir beide ziehen Zusammen unser Kind groß“, er streichelte über die Wange. „Ich möchte auch, dass du weisst dass ich dich Liebe! Nina ich kann nicht aufhören an dich zu denken! Ich habe gedacht dass mit dir wäre nur ein einfacher Urlaubsflirt. Aber es war mehr für mich!“, den letzten Satz musste er schreien. Jetzt hupten mehrere Autos auf einmal. Völlig unerwartet ging Dimo vor Nina auf die Knie. Er zog ein blaues Kästchen aus seiner Jackentasche. „und deswegen“, seine stimme versagte fast „will ich dich hiermit fragen“, er öffnete das Kästchen „ob du mich Heiraten willst“, Nina schlug die Hände vors Gesicht und ging ebenfalls in die Knie. Sie sah ihm in die Augen und wusste: das hier war ehrlich. Es war definitiv nicht nur ein kurzes Urlaubsabenteuer. Sondern ein Abenteuer das hoffentlich noch ihr ganzes leben lang ging und ein Kribbeln im Bauch, das nie endete. Der ganze Frust der vergangenen Tage war vorüber, Nina spürte nur noch liebe in sich. Sie küsste Dimo auf den Mund. Die Autos hupten. Der Regen prasselte auf die beiden hinab und die Kirchturmuhr läutete zur Mitternacht.
„Ja. Ich will. Für immer.“
„für immer“


© Leonie Selina Brunner


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Beschreibung des Autors zu "???"

Sehr kitschig und vielleicht auch unrealistisch. Aber ich musste einfach das alles mal rauslassen.
Leider noch keine vollständige Überschrift!
Fehler in der Rechtschreibung oder bei der Zeichensetzung.?




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