Des Eichkaters trauriges Ende


Es war ein typischer Novembertag. Der Wald lag in einem graufeuchten Nebelschleier. Es tropfte von den Bäumen und Sträuchern und eine unangenehme Kälte machte sich breit. In der Nacht hatte es geregnet, und von Zeit zu Zeit setzte ein unangenehmer Landregen ein.
In diesem Mischwald waren vereinzelt die weißlichen Stämme der Hängebirken zu sehen. Die blaugrauen Stämme der Rotbuche wirkten irgendwie schemenhaft. Im Bodenbereich der Buchen hatten Gallen-Täublinge Hexenringe gebildet. Im dichten, nassen Moos glitzerten die Regentropfen wie kleine Lichter. Am Waldrand hatten sich die Heckenrosen zum zweite Mal mit Blüten geschmückt.
Wer versteht schon heutzutage die Natur?
Im stillen Wald waren die zeternden, warnenden Rufe des Eichelhähers zu hören.
Im Hochgebirge lag schon lange Schnee.
Es war die Zeit in der der Herbst dem Winter die Hand reicht.
Der Eichkater Rotpelz, der in diesem Jagen wohnte, war schon frühzeitig unterwegs.
Er bewegte sich springend und kletternd, ohne seine sonst so ausgewogene Vorsicht und Aufmerksamkeit walten zu lassen. Rotpelz trieb es zum Waldrand, an dem die beiden verirrten Wallnussbäume standen.
Was wollte er bloß dort ?
Die Bäume hatten schon längst ihre Nüsse abgeworfen, und diese ruhten unter einer dicken Schicht von Wallnussblättern. Vielleicht wollte er dort seine angelegten Vorratskammern kontrollieren?
Dort am Waldrand, nicht weit von den Wallnussbäumen, hatte ein Habichtpärchen seinen Horst. Dieser befand sich auf einer Traubeneiche in einer Höhe von zirka dreißig Metern. Für die Habichte waren die hohen Bäume am Waldrand äußerst günstig, denn sie konnten diese, von der Feldflur her, bequem anfliegen.
Die Todfeinde für die Eichhörnchen sind, in unseren mitteleuropäischen Wäldern, die Baummarder und die Habichte. Die Baummarder an ihrem gelblichen Kehlfleck erkennbar, und bei den Habichten geht die Gefahr von den größeren Weibchen aus.
Den Eichkater muss der „Teufel geritten haben“ sich in eine solch gefährliche Gegend zu begeben.
Im und um den Habichthorst herrschte geschäftiges Treiben. Das Habichtmännchen stand im Horst und hatte seine Flügel angewinkelt. Von Zeit zu Zeit rieb es den Kopf unter seinen Schwingen. Das Habichtweibchen machte „ Flugsprünge“ vom gleichgroßen Jungvogel gefolgt, unmittelbar auf den Bäumen, die in der Nähe des Horstes standen. Als der bettelnde Jungvogel ihr zu nahe kam, führte sie einige Male ein „Scheinhacken“ durch.
Rotpelz war einige Meter von den Wallnussbäumen entfernt als das Habichtweibchen ihn erspähte. Im schnellen Sinkflug hatte sie den Eichkater fast erreicht. Rotpelz spürte die heran brausende Gefahr. Mit zwei Galoppsprüngen erreichte er den Stamm einer Rotbuche. Er kletterte schraubenförmig und erschrocken den Stamm nach oben., doch dieses bedeutete seinen sicheren Tod.
Seine beiden sonst so sicheren Fluchtvarianten konnte er in dieser Situation nicht anwenden.
Die eine Variante wäre „das Fallenlassen“ von einer größeren Höhe, wobei sein buschiger Schwanz dabei wie ein Fallschirm wirken würde.
Die andere Variante wäre ein schnelles herunter Klettern, den Kopf nach unten.
Auf der halben Höhe der Buche schlugen die Fänge des Habichtweibchen in den Leib des Eichkaters. Am Stamm verharrte der Raubvogel in seiner „Jagdstarre“.
Rotpelz gab noch einige Schmerzeslaute von sich, die an ein quietschendes Gekicher erinnerten.
Der Greif flog dann mit seiner Beute auf einen kahlen Ast einer Traubeneiche.
Im gleichen Moment landete der Jungvogel auf dem kahlen Ast. Das Weibchen hielt den Eichkater in den Fängen und der Jungvogel begann mit dem Kröpfen. Das letzte Lebenszeichen vom Eichhörnchen war ein schwaches Zucken seines Schwanzes.
Das Glück war, das Rotpelz schon einige schöne Sommer erleben durfte…


© Jürgen


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Kommentare zu "Des Eichkaters trauriges Ende"

Re: Des Eichkaters trauriges Ende

Autor: Uwe   Datum: 26.01.2015 23:19 Uhr

Kommentar: Deine Beobachtungsgabe und wie du es schreibst, jedes Mal ein Gewinn, es zu lesen. Danke.

Re: Des Eichkaters trauriges Ende

Autor: sissy   Datum: 27.01.2015 7:36 Uhr

Kommentar: So ist das Leben - erst wenn das Tier einen Namen hat wird's gruselig ;-)
Sehr schön beschrieben, dieses Drama!
LG Sigrid

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