Zottel


Eines Tages erschein ein kleiner, rotbrauner Hund auf dem Schulhof der Gemeinde Breitenbach. Es war ein dackelgroßer Hund, an dem die Haare in Strähnen herunterhingen.
Sein Kopf schien nur aus lockerem Fell zu bestehen, und seine Augen konnte man bestenfalls nur vermuten. Sein buschiger Schwanz hatte die Höhe des Kopfes. Man konnte sagen, es war ein richtiger Kinderhund, nicht nur weil er schnell Kontakt zu ihnen fand. Seine Aufgeschlossenheit, Freundlichkeit und Quirligkeit stieß bei Kindern auf große Resonanz.
Dorfschullehrer Fröhlich versuchte den kleinen Hund mit einem Reisigbesen zu vertreiben.
Doch Fröhlich gab sein Vorhaben auf, zumal er wohl ahnte, dass das mit dem Verscheuchen nicht zum Erfolg führen würde. Die Schulkinder flehten den Lehrer an, er möge den lieben Hund nicht vertreiben. So wurde der kleine Hund ein vollwertiges Mitglied der Schulgemeinschaft.
Lehrer Fröhlich gab ihm den Namen „Zottel.“ Das Kuriose war, das Zottel auf sämtliche Hundnamen hörte, wenn man ihn rief. Ob „Prinz,“ „Purzel,“ „Struppi,“ oder einen anderen Namen. Zottel freute sich immer, wenn man ihn rief. Er kam angerannt, sprang am Rufer hoch, und er versuchte den jeweiligen im Gesicht zu lecken. Bei vertrauten Personen gab er noch quietschende Laute von sich.
Zottels Unterkunft wurde der Geräteschuppen. Hausmeister Meier legte in denselbigen für Zottel einen Kokosläufer als Schlafunterlage hin.
Für Zottels leibliches Wohl sorgte vor allem Mutter Schmidt, die gemeinsam mit dem Dorfschullehrer Fröhlich im Schulgebäude wohnten.
Zottel war in kurzer Zeit bei allen in der Schule beliebt. Er konnte auf den Hinterpfoten stehen und mit den Vorderpfoten „bitte, bitte,“ machen. Zottel spielte auch gern mit den Schulkindern Ball. Er schlug den Ball mit seinen Vorderpfoten weg, um ihn dann wieder zurück zubringen.
Der Spätherbst war angebrochen. Kälte und Nässe drangen in den Geräteschuppen.
Zottel fühlte sich darin nicht mehr wohl. Lehrer Fröhlich, der sich inzwischen mit Zottel angefreundet hatte, nahm ihn mit in seine Wohnung. Dort bekam der Hund einen Platz unter dem warmen Küchenherd, wo ihm der Lehrer ein gepolstertes Weidenkörbchen hingestellt hatte.
Der Lehrer ging jetzt öfter mit Zottel im Dorf spazieren. In kurzer Zeit war das Paar bei allen Dorfbewohnern bekannt! Beim Spazierengehen kamen die beiden auch oft am Dorfanger vorbei. Dort grasten immer die Gänse der Dörfler. Für Zottel war das immer ein ungeheuerer Spaß. Er sprang um die Gänse herum und bellte aus Leibeskräften. Kam ihm ein Ganter zu nahe, wich er aus, um von einer anderen Seite erneut anzugreifen. Ging es in Richtung Dorfanger, dann bellte der Hund wie verrückt, und der Lehrer konnte Zottel kaum halten.
Eine andere Tierart stand noch auf Zottels Lieblingsskala, es waren die Katzen. Sah er eine Katze, vergaß er alle seine guten Manieren. Wie ein Blitz ging es mit lautem Gebell hinter ihr her. Die Katzen konnten sich meist noch auf einen Baum retten. Ein besonderes „inniges Verhältnis“ hatte er zu dem Kater Purzel, des Bäckermeisters Kühnast. Von Purzel schien Zottel sogar nachts zu träumen. Der Kater hatte immer die Angewohnheit, von der Scheune aus, auf der Mauer entlang, das Wohnhaus zu erreichen. Die Mauer trennte den Schulhof von der Bäckerei. Dieses Verhalten des Katers ärgerte Zottel mächtig. Zottel sprang immer wütend kläffend an der Mauer hoch, ohne Purzel je zu erreichen. Der Kater verließ die erste Zeit die Mauer, wie vom Blitz getroffen. Nach einiger Zeit hatte er erkannt, dass der Hund ihn nicht erreichen kann. Der Kater blieb dann in Ruhe auf der Mauer sitzen und ließ sich von der Sonne wärmen. Zottel konnte sich dann nie beruhigen, und sein Gekläff schallte dann über den ganzen Schulhof. Der Dorfschullehrer war darüber so erbost, dass er Zottel in den Geräteschuppen sperrte. Zottel war eben ein richtig mutiger, kleiner Hund.
Vor einem hatte Zottel sehr großen Respekt, und dass war der bunte Italienerhahn, des Malermeister Friedrich. Sobald Zottel den Hahn sah, rannte er über Schulhof und er versteckte sich im Geräteschuppen.
Hausmeister Meier hatte aus der Holztür des Schuppens eine Ecke heraus gesägt, so das Zottel zu jeder Zeit in den Geräteschuppen gelangen konnte.
Man konnte es einfach nicht ergründen, ob es zwischen Zottel und dem Hahn schon zu einer früheren Auseinandersetzung gekommen war.
Es war kurz vor Weihnachten, und Zottel wurde ganz plötzlich zum Helden von Breitenbach.
Mutter Schmidt hatte die Angewohnheit, ihre und Fröhlichs Wäsche über dem Küchenherd zu
trocknen. Es war der 2. Advent, als sie nach dem Mittagessen eindöste. Mutter Schmidt schlief seelenruhig in ihrem Ohrensessel in der Wohnstube. Zwei Hemden auf der Leine über den Herd, fingen Feuer.
Zottel roch den Brandgeruch, und er sprang bellend vor der Flurtür auf und ab. Der Lehrer wurde durch das Gebell aus seinem Mittagsschlaf gerissen. Er war über Zottels Lärm sehr verärgert und aufgebracht. Doch als er zu sich kam, stellte er den Brandgeruch auch fest.
Fröhlich und Zottel hasteten gemeinsam zur Wohnung von Frau Schmidt. Fröhlich öffnete die Flurtür, stolperte dabei noch leicht über Zottel, rannte in die Küche und riss die brennenden Kleidungsstücke von der Leine.
Mutter Schmidt stand plötzlich händeringend im Türrahmen, und die Tränen rannen ihr über ihre Wangen. Der Lehrer und selbst Zottel, versuchten sie zu trösten.
Einige Kleidungstücke waren unterschiedlich verkohlt, und die gelbliche Küchendecke wies
einen großen, schwarz Fleck auf.
Von Stund an lebte Zottel wie „die Made im Speck.“ Mutter Schmidt hatte zu jeder Zeit für ihn irgendwelche Leckerli. Lehrer Fröhlich war mächtig stolz auf seinen Hund. Er erzählte Zottels Rettungstat allen Schulkindern. Bei allen Dorfbewohnern war plötzlich Zottels Ansehen sehr gestiegen. Seine Heldentat war wochenlang der Gesprächsstoff im Dorf. Pfarrer Langrock, ein sittenstrenger Christ, war von Zottels Tat so angetan, dass er Fröhlich erlaubte, zur Andacht, Zottel mit in die Kirche zu nehmen.
Der Dorfschullehrer und Zottel waren ein unzertrennliches Paar. Man sah sie immer gemeinsam.
Mit den Jahren fiel es Zottel immer schwerer, sein Herrchen auf allen Wegen zu begleiten. Die Dorfbewohner vergaßen es nie, sich bei Fröhlich, nach Zottels Befinden zu erkundigen. Der Lehrer gab dann immer einen ausführlichen Bericht, über Zottels Wohlergehen.


Ich glaube, dass der Dorfschullehrer und Zottel auch im Himmel gute Freunde sind!


© Jürgen


6 Lesern gefällt dieser Text.










Kommentare zu "Zottel"

Re: Zottel

Autor: Uwe   Datum: 29.10.2014 22:37 Uhr

Kommentar: Jürgen, eine anrührende Geschichte, die du schön erzählt hast.

Re: Zottel

Autor: possum   Datum: 30.10.2014 0:24 Uhr

Kommentar: Sehr lieb diese wunderbare Geschichte erzählt! Gerne gelesen! LG!

Re: Zottel

Autor: axel c. englert   Datum: 30.10.2014 0:53 Uhr

Kommentar: Liebe Geschichte, mit viel Charme –
Schön erzählt, menschlich und warm!

LG Axel

Re: Zottel

Autor: Steffi Illi   Datum: 30.10.2014 6:42 Uhr

Kommentar: Ich schließe mich meinen Mitautoren an.Eine sehr schöne Geschichte bei der man feuchte Augen und ein warmes Herz bekommt.

lg Steffi

Re: Zottel

Autor: noé   Datum: 30.10.2014 8:47 Uhr

Kommentar: Mit dem Herzen geschrieben.
noé

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