Des Berges Macht
© Anita Heiden

Weite schön grüne Wiese mit gelben und weißen Blumen lag vor seinem Haus. Täglich schaute er sehnsüchtig aus seinem kleinen Küchenfenster auf die wunderschöne Blumenwiese und in der Ferne stand der Berg, wie ein Prophet. Mystisch, gekleidet in einen dunkelgrünen Mantel verbirgt er Geheimnisse der Vergangenheit. Hüllt sich in stillem Schweigen von Liebe, Streit und Sehnsucht.

Als ob der Berg ihn ruft, schaute der alte Mann fragend zu ihm hinüber und seine Augen loderten. Ja er wird ihn noch einmal bezwingen. Ein letztes Mal. All die Jahre hatte er ihn verehrt. Wie oft war er am Fuße des Felsen vorbeigewandert und hatte den unberührten störrischen Stein bewundert. Nichts konnte ihn mehr bewegen, als wie das Grau des Felsen mit seinen Rissen, Rillen und Spalten. Von Sagen gezeichnet zog er ihn magisch an.

Nun wird er gehen und ihn beehren, den kalten Freund aus Stein. Er will an diesem Ort noch einmal die Vergangenheit in Gedanken aufsuchen, die schon langsam in Vergessenheit gerät. Noch einmal an Marie denken, noch einmal an die schöne Zeit.

Weit ist der Weg doch er konnte nicht länger warten. Er fühlte das Herz ist alt und schon sehr schwach und viel Zeit bleibt ihm nicht mehr.
Langsam ging er den grauen sandigen Weg begleitet von vielen Steinen, die am Rand lagen, den Berg hinauf, den Wolken ein Stück näher. Blaue Wolken zogen über ihn und den naheliegenden Birkenhain, der seinen Weg kreuzte. Lautlos zogen sie hinweg, über die stattlichen Bäume, welche aussahen wie schlanke Frauen in bunten Kleidern und langen Haaren.

Vorbei führte ihn sein Weg an alten Eichenbäumen mit dicken Stämmen und dichtem Laub, das Schatten spendete, wo keine Sonnenstrahlen hindurchgelangten. Sie waren wie er schon alt, doch zeigten sie noch keine Gebrechen noch Schwächen. Erhaben und anmutig standen Sie vor ihm und ragten hoch in den unerreichbaren Himmel hinein. Stolz und ehrwürdig berührte er die Rinde des Stammes und dachte daran, als sie noch kleiner waren.
So gerne hätte er sich am Fuße hingesetzt und ausgeruht, doch konnte er nicht verweilen, denn der Weg ist noch sehr weit.

Schwer fällt der Pfad, der ihn weiter hinaufführt. Wie steil er ist! So steil war dieser noch nie gewesen.
Doch bald wird er sich auf der Bank ausruhen können, wo er Marie das erste Mal sah. Schöne Marie. Schmerzerfüllt und voller Sehnsucht nach ihr war die letzte Zeit, weil sie ihn verließ. Sie musste gehen, wenn sie auch nicht wollte, und ließ ihn allein zurück. In Liebe gefunden und geliebt gegangen.
Dort oben auf dem Felsen hatte er sie die einzigartige, wahre Liebe getroffen. Der Gedanke daran lässt sein Herz schneller schlagen, dass das Blut fieberhafter fließt und die Sehnsucht stärker wird, dass Sie ihm die Luft abzuschnüren versuchte. Verdammtes Herz will nicht mehr, gib endlich ruh.

Kraftlos blieb er stehen und sein Blick schweifte nach unten, den steilen Weg hinab ins Tal. Wie schön sie doch ist die Welt und das Dorf so klein wie Spielzeug. Die kleinen Teiche waren wie Pfützen und Menschen konnte man nicht sehen, auch sein Häuschen verschwand, wie im Nebel, in der Ferne.

Blutrot ging die Sonne am Horizont schon unter. Er musste sich beeilen. Noch hatte er den Gipfel des Berges, den Felsen, nicht erreicht um sich zur Ruhe zusetzten.

Welch schöner Anblick ihm am Wegesrand erschien. Vorsichtig pflückte er das zarte Blümchen ab. Sein Duft war so lieblich und rein, dass es ihm eine Träne ins Auge trieb. Er sah die Heidelbeeren blühen, die er so oft schon geerntet hatte, um sie Marie zugeben, als sie krank war.
Still war‘s um ihn, nur die Vögel sagen leise in die schon anbrechende Nacht. Der Buntspecht flog von Ast zu Ast und das Eichhörnchen kam ohne Furcht zu ihm herunter. Ein Reh schreckte auf und verschwand im Farn im dichten Unterholz. Wie schön wäre es jetzt einen oder zwei Pilze zusehen aber die Zeit war noch nicht da, um sie zu finden.

Langsam und schon kraftlos ging er weiter. Schritt für Schritt kam er den Felsen immer näher, bis dieser wie ein König durch die Baumkronen ragte und er sein ehrwürdiges Erscheinen zeigte.
„Hab ich dich gleich geschafft du kalter grauer Freund, wenn auch schon die Nacht hereinbricht.“

Die Bank stand immer noch an selben Fleck, wenn sie auch schon Alt und morsch war, gezeichnet von Wind und Wetter. Erschöpft setzte er sich nieder und seine Finger tasten über eine fast unerkennbare Schrift, die in die Bank vor vielen Jahren geschnitzt wurde.
„Marie und Heinz.“

Sein letzter Blick ging über die grünen Kronen ins weite des Landes in seine so geliebte Heimat hinein. Der Sonne ihre letzten Strahlen versanken langsam am Horizont und ließ der Nacht den Einzug gewähren. Er spürte den leichten warmen Lufthauch des Windes auf seiner Haut. Glücklich und zufrieden schließt er die Augen und sah Marie noch einmal im Gedanken vor sich. Schöne Marie seine geliebte Marie. Er sah, wie sie lachte, wie sie sang, wie sie sich tanzend drehte und spürte unsichtbar ihre Hand auf seiner. Gedanken von Leid, Trauer, Glück und Freude ließen Tränen aufkommen und seine Augen befeuchten. Ein tiefer Schmerz der Sehnsucht zog in seine Seele ein und wie ein Blitz traf es sein Herz. Er verspürte einen kaum merklich nur leichten Schmerz, dann hatte ihn der Berg für immer zu sich genommen.


***

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© Anita Heiden


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Beschreibung des Autors zu "Des Berges Macht"

Gewidmet, in liebe für meinen Großcousin & Heimatschriftsteller Heinz Kulke, dem das Herz, in der Ferne, für die Heimat schlug.
Meine Heimat, mein Leben. Verbunden zu Flora, Fauna und dem magischen Berg Teufelsstein, zu den meine Vorfahren schon einen innigen Bezug, an dem das Herz gehangen hat, zieht er auch mich in seinen Bann. Wie gerne steige ich auf den Felsen hinauf, wo einst der Teufel gesessen ist und lasse mich von dem Umfeld verzaubern.




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