Welch ein großes Unglück im Märchenwald


Es war der vierte Advent. Der Weihnachtsmann saß in seinem Wolkensessel und schnarchte vor sich hin.
Er schnarchte so sehr, dass die Wolken um ihn herum zitterten.
Die Engel Mia und Blauchen wollten ihn wecken, jedoch so sehr sie ihn
schüttelten und rüttelten, sie bekamen ihn nicht wach.
Sie eilten geschwind zu Petrus.
In der Zwischenzeit flog das Rotkehlchen Piepsi zum Weihnachtmann.
Es flog auf die linke Schulter vom Weihnachtsmann, und es turnte auf ihm herum.
Plötzlich hatte es Pipsi die rote Knollennase vom Weihnachtsmann angetan.
Das Rotkelchen sprang auf der Nase des Weihnachtsmannes herum.
Der Weihnachtsmann sprang von seinem Sessel hoch, wie von der Tarantel gestochen, und er rief ärgerlich: „ Haben wir jetzt schon im Himmel Mücken?“
Er setzte seine Nickelbrille zurecht, und da sah er Petrus und die beiden
Engel auf sich zueilen. Ihm schwante nichts Gutes.
Petrus rief schon von weitem: „ Du alter Gesell, willst du nicht zur Erde fahren und den Kindern die Geschenke und Süßigkeiten bringen?“
Der Weihnachtsmann fasste sich an seine Stirn und sagte: „Oh Gänseschreck, dass habe ich total vergessen!“
Petrus zeterte weiter: „ Ich glaube, ich muss in Zukunft Knecht Rupprecht
mit deiner Aufgabe betrauen.“
Der Weihnachtsmann begab sich zu seinem Rentierschlitten. Die Rentiere scharrten schon ungeduldig mit ihren Hufen, sie wollten los.
Der Rentierschlitten war mit Geschenken und Süßigkeiten voll gepackt, und oben auf dem Kutscherbock saß schon der Rabe Thadeus. Thadeus war der ständige Begleiter des Weihnachtsmannes zur Weihnachtszeit.
Sie fuhren ein Stück die Milchstraße entlang, und über dem Märchenwald landeten sie.
Im Märchenwald lag der Schnee kniehoch, und die Rentiere, vier an der Zahl,
mussten sich beim Ziehen mächtig anstrengen.
Plötzlich und unerwartet gab es einen Ruck, und der Schlitten kippte in eine
vereiste Schneewehe.
Der Weihnachtsmann kroch aus der Schneewehe hervor, und er klopfte sich
den Schnee von seinem Mantel. Er fluchte ärgerlich, denn die Rentiere hatten
den Schlitten über eine Wurzel gezogen.
Der Rabe Thadeus krächzte: „ Weihnachtsmann, dein Fluchen hilft uns auch nicht, lass uns überlegen was zu tun ist!“
Es hatten sich um den verunglückten Schlitten etliche Waldtiere eingefunden. Hirsche, Rehe, Wildschweine, Hasen und Eichhörnchen, sie alle wollten helfen. Der Weihnachtsmann sagte: „ Wir können eure Hilfe gut gebrauchen,“ und
Thadeus krächzte: „ Hilfe, Hilfe, Hilfe!“
Um den verunglückten Schlitten lagen im dichten Schnee, Puppen, Bärchen,
Feuerwehrautos und noch vieles mehr herum.
Des weiteren waren viele Leckereien aus den Säcken, Tüten und Paketen gefallen. Lebkuchen, Zimtsterne, Brezeln, Pfefferkuchen, Nüsse, sowie rote Äpfel waren auch heraus gepurzelt.
Der Weihnachtsmann breitete eine große, grüne Plane aus, die er auf den Schnee legte.
Die Tiere legten die gesammelten Köstlichkeiten auf die Plane, und die Spielsachen wurden erst einmal nicht berücksichtigt.
Die Hirsche und Rehe sammelten die Lebkuchen und Zimtsterne auf, die Hasen brachten die Pfefferkuchen und die Brezeln.
Am Schnellsten verlief das Aufsammeln bei den Eichhörnchen. Diese hatten
die Nüsse im Nu auf die Plane gelegt. Die Wildschweine waren keine guten Helfer. Sie fraßen, ohne dass jemand es merkte, heimlich so manche Brezel oder etliche Zimtsterne auf.
In der Zwischenzeit richtete der Weihnachtsmann mit Hilfe zweier Hirsche
den Schlitten wieder auf. Dieser war nicht beschädigt.
Das Spielzeug für die Kinder war total kaputt.
Einer Puppe fehlte der Kopf, beim Feuerwehrauto war die Leiter defekt, der Pferdestall hatte kein Dach mehr. Bei der Puppenküche war die Rückwand gebrochen, sämtliches Spielzeug war stark beschädigt.
Ein großes Malheur war, dass die Rentiere sich in ihrem Geschirr verheddert
hatten. Bei zwei Rentieren hatte sich das Geschirr, über den Köpfen der Tiere, in der Deichsel verfangen.
Mit ruhigen Worten beruhigte der Weihnachtsmann die Tiere, und er richtete
das Geschirr wieder richtig.
Der Rabe Thadeus hatte sich die umgestürzte Ladung angesehen. Er krächzte: „ Weihnachtsmann, es ist alles kaputt oder ungenießbar.“
Der Weihnachtsmann murmelte mehrfach in seinen Bart: „ Potztausend, Potztausend“ und dabei wischte er seine Brillengläser ab.
Thadeus schnarrte: „ Uns wird nichts anderes übrig bleiben als in den Himmel
zurück zu kehren“.
Der Weihnachtsmann war mit dem Vorschlag des Raben einverstanden.
Er sagte zu den Waldtieren: „ Ihr könnt alle Köstlichkeiten verspeisen,
was ihr aber mit dem kaputten Spielzeug macht, das müsst ihr selber entscheiden.“
Der Rabe sprach zum Weihnachtsmann: „ Ich werde vorfliegen, um das große Himmelstor öffnen zu lassen,“ und er fügte hinzu „ die Engel werden bestimmt neue Geschenke und Leckereien zusammenstellen und verpacken.“
Als der Weihnachtsmann mit seinem Gefährt am Himmelstor an kamen,
stand am rechten Torflügel Petrus, und am linken Torflügel stand der Erzengel
Gabriel.
Petrus zog ein bitterböses Gesicht, und sein Heiligenschein war fast verblasst.
Er rief: „ Himmel-Sakrament, jetzt kommt der schusselige Weihnachtsmann.“
Der Weihnachtsmann rang nach Luft, und er brachte kein einziges Wort raus.
Petrus schimpfte weiter: „ Der kommt mir nicht mehr auf die Erde, das war
seine letzte Fahrt.“
Petrus winkte den Erzengel herbei und sagt, zu diesem. „ Holt mir Knecht
Rupprecht, der soll die Erdenfahrt übernehmen.“
Nach einer Weile kam der Erzengel Gabriel zurück, und er rief schon weitem:
„ Petrus, der Knecht Rupprecht ist noch nicht von der Erde zurück.“
Petrus strich seinen Bart glatt, und er murmelte: „Kann man sich heutzutage
auf keinen Himmelsdiener mehr verlassen?“
Der Rentierschlitten war wieder schnell beladen, und ab ging die Post.
Der Weihnachtsmann fuhr diesmal ein längeres Stück auf der Milchstraße,
so konnte er den Märchenwald umfahren.
Hinter dem Märchenwald, auf einem kahlen Feld, landeten sie.
Der Weihnachtsmann trocknete mit einem Teil seines dicken, roten Mantels,
die Rentiere ab. Der Rabe, der zwischen den Säckchen, Päckchen und Tüten herum hüpfte, rief auf einmal krechtzend: „ Petrus, wo sind denn die Wunschzettel von den Kindern und Erwachsenen?“
„Donnerschlag, Donnerschlag“ entfuhr es dem Weihnachtsmann, und beide
standen wie zwei begossene Pudel da,
Plötzlich begann das Rentier Felix zu sprechen: „ Ihr müsst trotz allem die Geschenke verteilen, denn alle erwarten zum Fest ,Geschenke.“
Die Beiden machten sich auf, und es begann heftig zu schneien. Der
Weihnachtsmann hielt das Schlittengespann an, und er stieg vom Kutscherbock.
Er kramte eine Plane unter dem Kutscherbock hervor und wollte sie über den Schlitten legen. Jedoch es gelang ihm nicht, trotz vieler Versuche.
Er rief in die dunkle Nacht: „ Kann mir denn jemand helfen?“
Plötzlich und unerwartet kamen viele Waldwichtel zum Rentierschlitten.
Sie trugen alle rote Zipfelmützen, und ihre grauen Mäntelchen waren aus
Ziegenhaar gefertigt.
Der Weihnachtsmann dachte, so ein Glück, dass es hier außerhalb des Märchenwaldes noch Waldwichtel gibt!
Die Plane war im Nu über den Schlitten gespannt, und zum Dank durfte
sich jeder Wichtelmann von den Leckereien etwas nehmen.
Die Wichtelmänner waren bescheiden. Sie nahmen sich jeder nur ein Stück,
entweder einen Zimtstern, einen Pfefferkuchen oder einen Zuckerkringel.
Danach verschwanden sie in der Dunkelheit.
Das Rentiergespann erreichte das Städtchen Spechtshausen. Es schneite nicht mehr, und die Straßen waren menschenleer. Aus den Fenstern der Häuser grüßten Weihnachtssterne, auch geschmückte Weihnachtsbäume
waren zu sehen.
Die große Weihnachtstanne auf dem Markt des Städtchens Spechtshausen, leuchtete schon mit vielen, vielen Lichtern.
Die vereinzelten Schneeflocken, die vom Himmel fielen trugen mit zur festlichen Atmosphäre bei.
Der Himmel hatte sein Grau, und seine Dunkelheit aufgegeben. Der Mond
und die goldenen Sterne leuchteten so hell, als wäre es Tag. Petrus hatte vorsorglich einige Engel zur Erde gesandt, die dem Weihnachtsmann, bei der Verteilung der Geschenke behilflich sein sollten.
Die Engel warteten frierend auf den Weihnachtsmann, denn ihre durchsichtigen, dünnen Kleidchen hielten keine Kälte ab.
Dem Weihnachtsmann taten die frierenden Engel leid. Er reichte ihnen
seine große Schnapsflasche, aus der alle Engel mehrere Schlucke nahmen.
Die Engel spürten eine angenehme Wärme in sich aufsteigen, und sie tranken die Schnapsflasche leer.
Der Weihnachtsmann fragte: „ Geht es euch jetzt besser?“ Worauf alle riefen: „ Ja, guter Weihnachtsmann.“
Der Rabe Thadeus krächzte leise vor sich hin: „Wenn das mal gutgeht!“
Die Geschenke und Gaben wurden im Städtchen Spechtshausen, schnell verteilt, und zügig ging es unter Begleitung der Engel gen Himmel.
Am Himmelstor erwarteten sie Petrus, Knecht Rupprecht ,sowie eine große Engelsschar.
Knecht Rupprecht drohte den Ankommenden mit seinem Reisigbesen und Petrus hielt eine geflochtene Peitsche in seiner Hand. Die Engelschar machte
solch einen Krach, das alle Wolken flüchteten.
Was war bloß geschehen?
Die Kinder bekamen vertauschtes Spielzeug und die Erwachsenen Geschenke und Sachen, die sie sich nicht gewünscht hatten.
Kathleen bekam zum Beispiel eine Feuerwehr, und Timo eine Babypuppe.
Bei den Erwachsenen sah es nicht anders aus.
Hochwürden Langrock erhielt einen bunten Damenschal und Fräulein Mesenbach erhielt eine Packung Zigarren, der Marke „ Jagdstolz.“
Im Paket für Muttchen Krause war ein Feuerlöscher. Jedoch noch
schlimmer traf es Trunkenbold Gerhard. Er bekam nichts zu trinken, noch zu rauchen. Er warf sein Päckchen, welches ein Puzzlespiel enthielt, wütend in die Mülltonne. Bei dieser Handhabung rutschte er aus, und fiel rückwärts in eine
Schneewehe. Als er aus dieser heraus krabbelte glich er einem Waldschrat. Petrus musste über das Missgeschick des Trunkenboldes herzhaft lachen.
Plötzlich und unerwartet lachte die gesamte Engelschar, lauthals mit.
Knecht Rupprecht hielt sich vor lauter Lachen seinen Kugelbauch. Sein Lachen steigerte sich derart, dass er in eine Weihnachtswolke fiel, und nicht mehr zu sehen war.
Der Schnaps vom Weihnachtsmann hatte dazu geführt, dass die Engel
mehr als betrunken waren, und in diesem Zustand, die Geschenke und Gaben falsch verteilt haben.
Petrus ließ Gnade vor Recht ergehen, und dem Weihnachtsmann und den
Engeln wurde vergeben.
Der Rabe krechtste: „ Das habe ich auch nicht anders erwartet!“
Am darauf folgenden Sonntag hielt Pfarrer Langrock eine weitschweifende
Predig von der Kanzel.
Er meinte, allen Ernstes, vielleicht hat es Gott so gewollt, dass alle Geschenke und Gaben der Menschen, einmal vertauscht werden. Zu bemerken ist, das Hochwürden Langrock vorher zwei Trauungen durchgeführt hat. Bei diesen hatte er reichlich Alkohol genossen.

Zu sagen sei noch, dass dem Weihnachtsmann in all den Jahren danach
nie mehr solch ein Missgeschick widerfahren ist!








17. November 2022 Klaus-Jürgen Schwarz












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© Jürgen


2 Lesern gefällt dieser Text.






Kommentare zu "Welch ein großes Unglück im Märchenwald"

Re: Welch ein großes Unglück im Märchenwald

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 29.11.2022 15:05 Uhr

Kommentar: Lieber Jürgen,
gern gelesen; spüre Vorfreude auf Weihnachten.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Welch ein großes Unglück im Märchenwald

Autor: Angélique Duvier   Datum: 29.11.2022 22:07 Uhr

Kommentar: Lieber Jürgen,

ich habe Deine Geschichte mit großer Freude gelesen!

L.G.

Angélique

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