„Hilfeeeee!“, hört man eine piepsige Stimme rufen. „Hallo, wo bist DU?“, fragt der kleine Zimtstern. „Ich bin HIER, gefangen im Ofen!“, antwortet die Stimme. „Bitte befrei' mich, es ist so heiß!“
Der kleine Zimtstern rennt wie verrückt auf einer glatten Oberfläche umher und kommt ins Rutschen. Er schlittert langsam dem Abgrund zu. Verzweifelt versucht er anzuhalten, sich an irgendetwas festzuhalten. Doch er rutscht immer weiter und weiter. Als ihn nur noch wenige Zentimeter vom Abgrund trennen, hört er die Stimme rufen: „Nein nicht, Du darfst nicht fallen, sonst leidest Du genauso wie ich!“
Doch der Zimtstern kann sich nicht halten und fällt in die Tiefe. Unsanft kommt er auf einer rauen Oberfläche auf. Sein Körper brennt, ein lautes Zischen ist zuhören und ein Riss in einer seiner Sternen-Zacken entsteht. Langsam erholt er sich vom ersten Schock, richtet sich auf und sieht sich um. Er sieht einen großen Ventilator, der sich ununterbrochen dreht und schwarze Wände. Als er sich nach links dreht, entdeckt er eine Lebkuchenfrau.
„Hast DU mich gerufen?“, fragt er. Die Lebkuchenfrau nickt. Sie scheint an der rauen Oberfläche, dem Papier zu kleben, denn sie versucht sich zum wiederholten Male aufzurichten. „Hilf mir, ich klebe fest“, sagt sie mit schwacher Stimme. „Ich versuche es“, antwortet der Zimtstern zuversichtlich. „Nimm meine Zacke“, sagt er und hält ihr eine seiner unversehrten Sternen-Zacken hin.
Ihre Kräfte scheinen von Sekunde zu Sekunde mehr zu schrumpfen. Der Zucker läuft schon an ihrer Stirn herunter. Der Zimtstern beugt sich so weit es geht nach vorne. Wenn er sein Gleichgewicht verliert, würde er erneut auf das Papier fallen und seine eingerissene Zacke verlieren. Dann wären sie beide verloren.
Die Lebkuchenfrau sammelt ihre letzten Kräfte und greift seine Zacke. Mittlerweile ist die Frau schon fast ganz schwarz. Auf Zacken trägt der Zimtstern sie. „Wie kommen wir hier raus?“, fragt er.
„So, wie Du reingekommen bist. Siehst Du den Spalt da oben?“ „Ja, halte durch“, antwortet er und beginnt an einer Stange, neben der riesigen Glasscheibe hinaufzuklettern. Er klettert dem Spalt entgegen, durch den ein heller Lichtstrahl fällt. Das Licht blendet ihn. Er kann kaum etwas sehen. Der Riss in seiner Zacke wird immer größer und ein großes Stück liegt noch vor ihnen! Als es nur noch wenige Zentimeter bis zum Ziel sind, ruft er: „Spring’, ich schaff’ es nicht mehr. Ich verliere meine Zacke! Bitte spring!“
„Aber was wird aus DIR?“, fragt sie. „Spring! Ich werde eh zu Grunde gehen. Mit nur vier Zacken bin ich nicht mehr überlebensfähig!“
Schweren Herzens springt die Lebkuchenfrau und findet Halt an dem Rand. Sie sieht ihn noch in die Tiefe fallen und hört ein zischendes Geräusch. Dann ist es still.


© Lisa Marie Samuel


3 Lesern gefällt dieser Text.



Unregistrierter Besucher


Beschreibung des Autors zu "Der tapfere Zimtstern"

Vergiss nie den Ofen zu schließen und die Backwaren rechtzeitig rauszuholen ;).




Kommentare zu "Der tapfere Zimtstern"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Der tapfere Zimtstern"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.