Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht als sie auf die Uhr sah. In zehn Minuten würde ihr Vater nachhause kommen und sie würden wie jedes Jahr am ersten Advent auf den Weihnachtsmarkt gehen. Sie zog sich den grauen Poncho über und schlüpfte in ihre kuscheligen Winterstiefel, ehe sie in eiliger Vorfreude die Treppe zur Haustür nach unten ging. Keinen Moment zu früh, denn da schellte es auch schon. „Papa, du bist endlich da!“ Das kleine blonde Mädchen sprang ihrem Vater in die Arme. „Hallo mein Schatz, ich freu mich auch dich zu sehen. Bis du startklar?“ „Ja, ich muss nur noch schnell der Mama `Auf Wiedersehen’ sagen.“ Sie stürmte nochmal in das Gebäude und blieb im Wohnzimmer vor dem Bild ihrer Mutter stehen. Eine junge blonde Frau lächelte während eines vergnügten Standspaziergangs in die Kamera. Ihr weißes Sommerkleid flatterte in der Meeresbrise und sie musste ihren Strohhut festhalten um zu verhindern, dass er fortgeweht wurde. „Mach´s gut Mami, wir gehen jetzt.“ Sanft streichelte die Kleine über den Rahmen, bevor sie die Tür verschloss und mit ihrem Vater zum Weihnachtsmarkt ging. Dieser Nachmittag gehörte nur ihnen beiden. Kein Jugendamt, das ständig am Vater herummeckerte, keine strengen Pflegeeltern, die immer nur auf die Etikette achteten und ein Vorzeigepüppchen aus ihr machen wollten. Nur sie und ihr Papa, darauf hatte sich schon sehr lange gefreut. Seit ihre Mutter vor ein paar Jahren verstorben war, mussten die beiden alleine zurechtkommen. Anfangs hatte der Vater oft noch frei nehmen können, um sich um seine Tochter und den Haushalt zu kümmern, aber bald schon stellte sich ein stressiger Alltag ein, den er wegen seines Berufes als Taxifahrer nicht mehr bewältigen konnte. Die alte Nachbarin hatte beim Jugendamt angerufen und sich beschwert, dass er seine kleine Tochter fast jeden Abend allein in der Wohnung lasse. Dieses hatte prompt reagiert und die Kleine in eine wohlhabende Pflegefamilie gesteckt. Natürlich fehlte es ihr dort an nichts, doch was sie wirklich brauchte war ihr Vater. Er kümmerte sich rührend um sie während der kurzen Besuchszeiten, die ihm nach langem Kampf eingeräumt wurden. Viel lieber hätte er seine Tochter jeden Tag um sich gehabt, aber er musste seinen Job beibehalten um die kleine Wohnung in ihrer Nähe finanzieren zu können, damit sie die kurze Zeit die ihnen blieb nicht für lange Fahrtwege verschwenden mussten. „Los Papa, komm mit. Da hinten haben sie eine Bühne aufgebaut.“ Auf besagter Bühne in einiger Entfernung stand eine junge blonde Frau in einem weißen Kleid und sang `Stille Nacht`. Die aufgestellten Lautsprecher trugen ihre Stimme über den gesamten Weihnachtsmarkt. „Schau Papa, ein Engel! So sieht die Mama bestimmt auch jetzt aus, bei Gott und den ganzen anderen Engeln.“ Der Vater musste die Tränen zurückalten. Für einen Moment hatte er wirklich geglaubt seine Geliebte zu sehen, doch es war nur eine Solistin des Kirchenchors die oben auf der Bühne stand. „Ja mein Schatz, Mama ist jetzt ein Engel und passt vom Himmel aus auf uns auf.“ „Auch jetzt grade?“ „Natürlich, immer. Jeden Tag unseres Lebens.“ Das kleine Mädchen griff nach seiner Hand und sagte: „Du Papa, es ist schade das die Mama nicht mehr da ist, aber wenn wir drei uns im Himmel wiedersehen, dann sind wir ganz dolle glücklich, und dann kann uns keiner mehr einander wegnehmen. Darauf freue ich mich. Und immer an Weihnachten, wenn es abends so kalt ist, dann seh ich die vielen Sterne im Himmel und weiß, dass sie nur auf uns wartet. Dann kann ich besser einschlafen, wenn ich daran denke. Deshalb mag ich Weihnachten so, weil ich sie da immer bei uns fühle, wenn wir zusammen unterwegs sind.“ Er kniete sich hin und nahm seine Tochter in den Arm. „Mir geht es auch so meine Kleine. Komm, lass uns einen warmen Kinderpunsch trinken, den magst du doch so.“ „Au ja, und danach gehen wir zu den Musikanten, die spielen so schön.“ „Was immer du möchtest mein kleiner Engel.“ Er nahm sie bei der Hand und sie gingen ihres Weges.


© Asuna


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Beschreibung des Autors zu "1. Advent"

Grade zu Weihnachten, dem Fest der Liebe und der Familie geht es um mehr als im Geschenkestress für jeden das passende zu finden. Es geht um die Liebe der Menschen untereinander, was leider all zu oft vergessen wird. Ich hoffe ich konnte mit dieser One - Shot Geschichte manche Menschen daran erinnern, was für ein Glück sie haben, dass sie mit ihren Eltern und Geschwistern aufwachsen durften, und nicht so ein Schicksal hatten, wie die Kleine aus meiner Geschichte. Zufriedenheit ist das was den Menschen am meisten fehlt, und genau diese Zufriedenheit wünsche ich euch.
Eine Frohe und Besinnliche Adventszeit wünsche ich euch.
Lg Asuna

02.12.13




Kommentare zu "1. Advent"

Re: 1. Advent

Autor: Picolo   Datum: 02.12.2013 22:09 Uhr

Kommentar: Super ;-)

Re: 1. Advent

Autor: noé   Datum: 03.12.2013 0:19 Uhr

Kommentar: Ich habe mich direkt festgelesen. Einen "erhobenen Zeigefinger" merkt man in keinster Weise, man ist direkt drin in der Szene und beobachtet sie nicht nur von außen. Sehr gelungen!
Adventgrüße von noe

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