Menschen zu verstehen ist eine tolle Sache – aber wie geht das? Ihre Überzeugungen sind so verschieden wie es Individuen gibt, oder auch Ideologien…und die Verbindung verschiedenartigster Individuen mit kuriosen Ideologien ist so gefährlich wie Schlangengift, oder wie das Gift des Färberfroschs. Man könnte sagen: Es dient quasi alles zum Schönfärben, Frosch hin oder her – also sei keiner und mach dich auf den Weg durch dein Leben! Es bringt für dich und andere, eine Überraschung nach der nächsten.

Seltsam ist auch, daß viele „Überzeugungen“ gar keine sind, sondern nur Krücken, damit der Weg durchs Dasein nicht so unsicher wird. Wer aber mit Krücken durch einen Sumpf geht, der wird erleben, daß er darin versinkt. Der Glaube hilft da nicht unbedingt weiter…man müsste schon ein Münchhausen sein, der sich am eigenen Schopf ziehend, aus der Misere befreien kann, aber wer ist das schon?! Na, Hauptsache glücklich, denn „Glück“ ist alles was wir erstreben und deshalb bezeichnen wir so manches Komische auch als „Glück“!

Kürzlich traf ich einen Menschen der wirklich glücklich war. Er las gerade in der Zeitung, hörte gleichzeitig Nachrichten und sah sich nebenbei die Werbung an. Dabei lächelte er! Er strahlte gewissermaßen in sich hinein – man konnte sehen, wie sehr er mit sich im Reinen war. Sein Anblick faszinierte mich und ich kam nicht umhin ihn zu fragen, warum er denn so zufrieden mit sich selbst und mit der Welt war. Seine Antwort machte mich staunen und ich fragte mich wo er für seine Antwort die Zusammenhänge hernahm.

„Ich bin glücklich, weil ich aussterbe!“ sagte er mir mitten ins Gesicht. Ich erschrak zuerst ein wenig, dann versuchte ich seine Aussage gut zu finden, Dieses Individudum, äh, dieses Individibumm, nein, dieses In-di-vi-du-um, war wohl absolut selbstlos, bescheiden und vielleicht sogar weise? Ich wusste es einfach nicht. Also musste ich herausfinden was genau auf es zutraf. „Aha“, sagte ich, „du stirbst also aus – und das macht dir ungeheuren Spaß!“ Wer aber hat dir gesagt, daß das gut ist? Oder bist du da selbst draufgekommen?

„Ich bin gebildet, musst du wissen“, erklärte er mir, „ich verfolge so viele wissenschaftliche Sendungen wie es nur geht, ich studiere die angesagtesten Blätter und ich achte auf die freundlichen Hinweise in der Werbung, was gerade in ist!“ So war das also… „Und was hast du für Schlüsse draus gezogen?“, witzelte ich. Nun, man hat mir gesagt, daß ich praktisch ein Neandertaler bin und, daß die modernen Menschen jetzt kommen um mich und meinesgleichen auszulöschen. Das macht aber nichts aus, weil alle Menschen gleich sind!“

„Hast du dir diese ‚modernen Menschen‘ einmal angeschaut, die kommen um zu auszulöschen“ frosche ich forsch, ohne ein Frosch zu sein. „Ja“, sagt er, der Glücklich trocken. Ich höre, vor lauter Trockenheit das Stroh in seinem Kopf knistern, verdränge diesen Eindruck jedoch sofort. „Und, wie sehen sie dann aus?“ meine ich sagen zu müssen. Er antwortet mir sogar: „Eigentlich wie Neandertaler, aber das kann ja nicht stimmen, weil ich doch der Neandertaler bin!“ Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus!

„Und jetzt?“ will ich wissen. „Wass jetztt?!“ fragt der Mensch, schon leicht erbost zurück. „Hast du was gegen meine Einstellung – also gegen mich?!“ Ich versuche zu beschwichtigen, aber es ist anscheinend schon zu spät! „Du denkst wohl anders?!“ fährt er mich an. „Bist du einer, der immer alles miesmachen muss?! Einer der überall nur das Negative sieht, der Unterschiede zwischen den Menschen macht, einer der einfach nicht aussterben möchte?!“ Ich nicke verzweifelt, kann aber kein Mitleid erregen…

„Was wählst du denn bei der nächsten Volksentscheidung?“, brüllt mich der Glückliche jetzt sogar an. „Ich wette, du bist gegen alle, die das Gute wollen und sich dem Fortschritt nicht in den Weg stellen!“ Ich versuche zu antworten, fühle mich aber in die Enge getrieben. „Äh“, sage ich und noch einmal „äh“, denn ich weiß nicht wie ich ihm klarmachen soll, daß er einem von oben initiierten Mainstream folgt und nicht natürlichen, logischen Überlegungen. Aber mir wird sofort überdeutlich bewusst, daß ich den Glücklichen damit verletzen würde.

Würde, würde, Menschenwürde! Darf ich seine, von vielen Krücken gestützte „Menschenwürde“ weiterhin so schroff angreifen? Darf ich sagen was ich, ganz allein ICH, mir gedacht habe, wenn ich damit überall unangenehm auffalle? Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob ich das Recht der freien Meinungsäußerung verletze, wenn ich einer eingeschüchterten Mehrheit vorsichtig, aber bestimmt widerspreche. Das mit der Meinungsfreiheit ist wohl nicht so einfach, wenn sich Parteigänger gleich verletzt fühlen!

Man kann doch miteinander reden

© Figurengruppe 1930 von A Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Man kann doch miteinander reden"

Re: Man kann doch miteinander reden

Autor: Verdichter   Datum: 22.08.2021 17:22 Uhr

Kommentar: Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut - solange die Anderen meine Meinung teilen. Ansonsten wird sie gern als Frechheit, als Anmaßung, als Kritik oder gar als Dummheit ausgelegt. Praktisch, nicht?
Wieder einmal klug formuliert.
Gruß, Verdichter

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