Vor ein paar Tagen traf ich mich mit einer Freundin, wir sprachen über viele Themen. Aber dann kamen wir auf das Thema die Beschneidung der Frauen. Eine Freundin kannte eine Frau, bei der das gemacht wurde. Wir machten den Vorschlag diese Frau einmal zu treffen, damit sie uns ihre Geschichte erzählen kann. Einige fanden den Vorschlag nicht richtig, weil es doch etwas sehr intimes war und man darüber am besten nicht spricht.
Aber die anderen waren der Meinung, dass man gerade über dieses Thema in der Öffentlichkeit sprechen muss. Nach einigen Minuten Diskussion waren aber dann alle einverstanden. So vereinbarten wir einen Nachmittag, wo wir uns mit der Frau trafen.
Wir trafen uns mit der Frau bei einer Freundin. Als wir kamen, war die Frau schon da. Sie hieß Alida und kam aus dem mittleren Osten Afrikas, sie war noch jung. Aber wir konnten sehen, dass sie schon einiges erlebt hatte, trotzdem strahlte sie eine Lebensfreude aus.
Nachdem unsere Gastgeberin etwas zum Trinken gebracht hatte, begann sie zu erzählen. Zuerst sprach sie sehr leise und zögernd. Sie erzählte von ihrer Flucht und wie sie hier in Österreich ihr neues Leben aufbaute.
Wir wollten wissen, warum sie geflohen war. Darauf wollte sie nicht sofort antworten. Aber als wir ihr versicherten, dass wir ihr weiter helfen werden, begann sie zu erzählen.
DAS LEBEN VON ALIDA
Wann genau Alida geboren wurde, konnte sie nicht sagen, denn es gab keine Geburtsurkunde. Ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass es schon lange nicht mehr geregnet hatte und die Ziegen nichts zu trinken hatten und dass viele Tiere starben. Auch viele Neugeborene überlebten diese Zeit nicht. Aber Alida hatte Glück, sie überlebte.
Wenn sie gewusst hätte, was ihr noch bevorstand, hätte sie sich wahrscheinlich gewünscht, in einem anderen Land geboren zu sein.
Ihre Kindheit war normal, ihre Mutter nahm sie überall mit. Wenn sie auf dem Feld arbeitete, war Alida dabei oder wenn ihre Mutter ein paar Waren auf dem Markt verkaufte, war sie auch dabei. Als sie dann schon etwas größer war, musste sie mit ihrer Mutter Wasser holen, das Haus sauber machen. Irgendwann sagte sie ihrem Vater, dass sie gerne in die Schule gehen möchte.
Darauf gab ihr der Vater zur Antwort:“ Warum möchtest du in die Schule gehen, du wirst bald heiraten.“
Damit war dieses Thema abgeschlossen, für Alida brach eine Welt zusammen. Sie wusste nicht, warum sie jetzt schon heiraten sollte, sie war doch noch ein Kind.
Als sie ihre Mutter fragte, warum sie jetzt schon heiraten soll, gab ihr die Mutter zur Antwort:“ Jedes Mädchen muss heiraten, das war schon immer so und es ist nicht so schlimm!“
Mit dieser Antwort konnte Alida nichts anfangen, aber sie vergaß dieses Gespräch wieder und machte ihre Arbeiten und spielte mit den anderen Kindern. Bis eines Tages etwas Furchtbares mit Alida passierte.
Eines Tages, es war noch sehr früh, aber es dämmerte schon. Da kam die Hebamme in die Hütte von Alidas Familie. Alidas Mutter weckte sie auf, zog ihr das beste Kleid an. Alida fragte ihre Mutter warum sie ihr schönes Kleid anziehen muss und die ganze Familie aufstehen muss.
„ Das ist ein Besonderer Tag und du musst schön sein!“, gab die Mutter zur Antwort.“ Und du brauchst keine Angst haben, es dauert nicht lange.“
Alida wollte noch etwas fragten, aber ihre Mutter sagte ihr:“ Frag jetzt nicht so viel! Die Hebamme hat nicht den ganzen Tag Zeit!“
Alida bekam etwas Angst, aber sie sagte nichts mehr und ließ alles mit ihr machen.
Ihre Mutter, ihre Schwestern und die Hebamme verließen die Hütte und gingen zur Hütte von der Hebamme. Vor der Hütte nahm die Hebamme Alida an der Hand und ging mit ihr in die Hütte. Alida bekam Angst und sie begann nach ihrer Mutter zu rufen. Aber ihre Mutter durfte nicht in die Hütte.
Die Hebamme legte Alida auf den Boden, der nur mit etwas Stroh bedeckt war. Neben dem Platz standen zwei Kerzen, eine Schüssel mit etwas Wasser und ein altes Messer. Nach einer kurzen Zeit kam eine zweite Frau, es war eine Tante von Alida. Sie schob das Kleid hoch, dann nahm sie die Füße und band sie an zwei Hölzern fest. Alida bekam noch mehr Angst, denn sie ahnte, dass jetzt etwas furchtbares passierte.
Dann nahm die Hebamme das Messer und begann. Alida hatte furchtbare Schmerzen und Angst, sie wollte sich wehren, aber die Tante hielt ihre Hände fest. Nach einiger Zeit war es vorbei. Damit Alida keine Infektion bekam, wickelte die Hebamme Kräuter in ein Tuch und legte es Alida auf die schmerzhafte Wunde. Aber die Schmerzen wurden noch stärker. Nach dieser Zeremonie wurden die Beine von den Hölzern abgebunden und mit Tüchern zusammengebunden.
Alida weinte und schrie vor Schmerzen.
„ Mama!“, rief sie, als ihre Mutter endlich zu ihr kam.“ Was ist mit mir passiert?“
„ Das ist bei jedem Mädchen so.“, antwortete die Mutter.“ Und jetzt hör auf zu weinen, in ein paar Tagen ist alles vorbei.“
Sie trug Alida in ihre Hütte und legte sie auf eine Matte, dann stellte sie ihr etwas zu Wasser und eine Schüssel mit einem Brei hin. Aber Alida konnte nichts essen oder trinken. Nach ein paar Tagen ging es Alida wieder besser, sie konnte wieder bei der Hausarbeit mithelfen. Als sie ihre Mutter fragte, was sie bei ihr gemacht haben, bekam sie die Antwort:“ Das ist die
Tradition, das wird bei jedem Mädchen gemacht. Bei deiner Großmutter, bei ihrer Mutter und auch bei mir, auch deine Töchter werden diese Zeremonie erleben!“
Es wurde nicht weiter darüber gesprochen. Aber Alida beschloss, dass ihre Töchter diese Schmerzen nicht erleben müssen.
Als sie älter wurde und das Dorf verließ, informierte sie sich über die Beschneidung und die Folgen. Wenn eine junge Frau beschnitten ist, kann es zu schweren Problemen bei der Geburt kommen. Es ist aber auch schon schwierig, für ein beschnittenes Mädchen, wenn es zum ersten Mal Kontakt mit einem Mann hat, denn sie hat dann beim Geschlechtsverkehr starke Schmerzen.
Als Alida diese Informationen hatte, beschloss sie etwas gegen diese Verstümmelung zu machen.


© @ 2011 Hilla M. Faseluka


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Beschreibung des Autors zu "DIE BESCHNEIDUNG"

Mit dieser Geschichte möchte ich aussagen, dass die Beschneidung bei Frauen, wie sie in vielen afrikanischen Dörfern durchgeführt werden, falsch ist.




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