Ich war absolut aufgeregt. Gleich würde ich meine erste Voltigierstunde haben. Auf einem richtigen lebendigen Pferd. Trucce sollte es heißen, hatte ich aus der Homepage der Reitschule entnommen. Ein weiß - schwarz geschecktes Pferd mit einem schwarzen Voltigiergurt um den Bauch hatte mich von einem Foto aus angeblickt. Und nun stand ich kurz davor, es zum ersten Mal „ in echt“ zu sehen. Und ja, auf ihm zu reiten. Ich wollte aufschreien. Mein Glück mit der (fantastischen) Welt teilen. Allerdings unterließ ich es. In Gedanken war ich bei den Pferden, vor deren Boxen ich stand. Und da kam auch schon mein Voltigierlehrer um die Ecke geeilt. „Guten Morgen, guten Tag. Lass uns anfangen!“, sagte er hastig und ein bisschen abgehackt, während er zu einer Box eilte und ein Pferd herausholte. Ich nickte nur. Ob er es wahrgenommen hatte (bzw. überhaupt gesehen), wusste ich nicht. Rasch war alles vorbereitet und mein Lehrer, Herr Simon, wartete darauf, dass ich meine Schuhe endlich anbekam. Entnervt starrte ich auf die Schuhe. Sie waren mir sicherlich mehr als zwei Nummern zu klein, und dennoch hatte ich sie so schön gefunden, dass ich sie einfach besitzen musste. Was ein großer Fehler war, wie ich jetzt einsah. >Pech! <, dachte ich nur. Hastig zog ich meine Strümpfe aus und schlüpfte in die zu engen Schuhe. So ging es nun einigermaßen. „Fertig!“, rief ich. Entnervt schüttelte Herr Simon den Kopf. Trotzdem blieb seine Stimme freundlich, als er sagte: „Dann fangen wir mal ganz einfach an in dieser Stunde. Setz dich auf das Pferd und spüre einfach deren Bewegungen. Passe dich ihnen an.“ Ich konnte nicht glauben, was er mir schon alles zuzutrauen gedachte. Dennoch meckerte ich nicht rum, sondern versuchte es. Und wie ich merkte mit Erfolg. Immer wieder bekam ich Lobe zugeschrieben. Am Ende konnten wir sogar schon mit ein paar einfachen Übungen anfangen, zu deren Beginn ich mich etwas dämlich anstellte. Doch ich wurde immer besser, und das Pferd gehorchte mir, so als wäre es mein eigenes. Ich war mehr als glücklich. Das…Das ließ sich überhaupt nicht mehr in Worte fassen. Nach der Stunde blieb ich noch eine Weile bei den Pferden und beschäftigte mich intensiv mit ihnen. Nein, ich >analysierte< sie nicht. Ich redete mit ihnen und achtete auf ihre Reaktionen. Ich glaube, dass sie meine Stimme mochten. Genau konnte ich das aber noch nicht sagen. Wie würde meine Mutter das jetzt so treffend sagen: „Du bist noch zu klein dafür. In deinem Alter kann man so etwas noch nicht einschätzen…“ Ha, wenn DIE wüsste. Ich konnte vielleicht besser mit Situationen umgehen als sie, auch wenn ich sie manchmal überhaupt nicht verstand. Dies machte mir aber nichts aus. Püh! Ich legte keinen Wert auf die Meinung meiner Mutter. Auch wenn ich dies eigentlich sollte. Aber…ganz ehrlich, wer machte das schon?!
Nach einer Weile löste ich mich von den Pferden und ging zu meiner Mutter. „Du hast aber lange gebraucht!“, sagte sie, als sie einen Blick auf die Uhr warf. „Kommt schon mal vor, Mam!“, sagte ich gelassen. „Möchtest du weitermachen mit Voltigieren?“, fragte sie mich ganz unschuldig. „Ja, ja, ja!!“, feuerte ich los. „Ist ja gut, ist ja gut!“, antwortete sie lachend. Ich würde mich unglaublich anstrengen.


© a.k.heidmann


0 Lesern gefällt dieser Text.


Beschreibung des Autors zu "Augenblicke (Teil 1)"

Ein Mädchen will unbedingt Voltigieren. Dafür nimmt sie viel in Kauf...

Teil 2
http://www.schreiber-netzwerk.eu/de/2/Geschichten/48/Kindergeschichten/8567/Augenblicke+Teil+2/

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Augenblicke (Teil 1)"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Augenblicke (Teil 1)"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.