Die vorwitzige Schneeflocke


Es war Spätherbst, und der Winter war noch nicht ins Land gekommen. Die Schneewolken bereiteten sich auf ihren großen Auftritt vor.
Der Winter bestimmt in jedem Jahr wann, und wie oft, die Schneewolken von der Goldmarie oder Pechmarie geschüttelt werden dürfen.
Der Zeitpunkt hierfür war noch nicht gekommen.
Eine der Schneewolken musste niesen und es entstand dabei ein kleiner Wolkenschlitz. Durch diesen Schlitz entwischte eine kleine, vorwitzige Schneeflocke.
Die Schneeflocke schwebte hinab in Richtung Erde.
Auf einmal rief sie: „Hilfe, mir wird so warm, Hilfe, Hilfe.“ Die Erde war noch warm, und je näher sie zur Erde kam, um so wärmer wurde ihr. Hitze und Wärme können Schneeflocken nicht vertragen, dass bedeutet ihren sicheren Tod. Die vorwitzige Schneeflocke rief erneut: „ Hilfe, Hilfe, hört mich denn keiner.“
Plötzlich wurde sie leicht angehoben und zu den Wolken getragen. Der pausbäckige Pustewind hatte ihre Hilferufe gehört und sich ihrer angenommen. Mit lauter Stimme sagte er: „ Kleine Schneeflocke ich werde dir helfen, damit dir nichts passiert.“ Die Schneeflocke sagte: „ Vielen Dank, lieber Pustewind.“ Sie schwebten fliegend über Wälder, Felder, Städte und Dörfer. Die Schneeflocke fühlte sich geboren, und sie schaute sich auf dieser Reise alles an. Auf einmal kamen ihnen Kraniche entgegen geflogen. Die Schneeflocke fragte:“ Liebe Kraniche, wo fliegt ihr denn hin ?“ Die Kraniche antworteten im Chor: „Wir fliegen nach Süden, wo es Palmen und Apfelsinen gibt.“ Da fragte die Schneeflocke weiter: „ Wo ist denn der Süden?“
Die Kraniche antworteten: „Dort wo es warm ist, und die Sonne täglich scheint.“
Man hörte noch eine ganze Weile die Rufe der sich entfernenden Kraniche.
Die kleine Schneeflocke wurde ganz traurig, und die Tränen kullerten über ihr kleines Gesicht.
Der pausbäckige Pustewind wollte sie trösten und er sagte: „ Wenn du nach Süden willst musst du sterben, denn dort scheint die Sonne so heiß, dass du zu einem kleinen Wassertropfen wirst. Du willst doch noch weiter leben, und mit deinen Geschwistern den Kindern auf der Erde viel Freude bereiten.“ Dieses sah die Schneeflocke ein und sie schwebten weiter. Sie hatten gerade eine große Stadt überflogen und befanden sich über einem großen Park. Der pausbäckige Pustewind sagte: „ Hier werde ich dich runterlassen, hier findest du bestimmt einen Ruheplatz.
„ Danke, lieber Pustewind, dass du mir geholfen hast“, sagte die Schneeflocke.
Sie schwebte zur Erde hernieder und landete in einem Blütenkelch eines gelben Krokus. Der Krokus freute sich über den unverhofften Besuch und nahm die Schneeflocke behutsam auf.
Währenddessen flog ein Rotkehlen zu Frau Holle und berichtete: „ Ich habe unterwegs eine kleine Schneeflocke gesehen.“ „Das kann nicht sein“ rief Frau Holle und die Goldmarie, wie aus einem Mund. Sie bedankten sich beide beim Rotkehlen über diese wichtige Mitteilung.
Frau Holle sagte zur Goldmarie: „ Uns bleibt weiter nichts übrig, als alle Schneeflocken in den Schneewolken zu zählen, dann wissen wir mit Bestimmtheit wo eine Schneeflocke fehlt.“ Sie machten sich beide sofort an die Arbeit. Vierzehn Tage und einige Abende brauchten sie bis die Wolke fanden, in der die vorwitzige Schneeflocke fehlte. Frau Holle war sehr verärgert, denn von sich aus hatte sich nie eine Schneeflocke auf die Erde begeben.
Die Goldmarie war aber traurig, ihr tat die einsame Schneeflocke auf der Erde leid.
Sie bettelte und bat Frau Holle doch alle Schneeflocken auf die Erde zu schicken.
Frau Holle blieb jedoch hart.
Am nächsten Morgen tat ihr das Mädchen sehr leid, und sie änderte ihren Entschluss, wissend, dass der Winter ihr Handeln sehr übel nahm.
Sie dachte, mit dem Winter werde ich schon irgendwie ins Reine kommen. Die brave Goldmarie durfte nach Herzenslust die Wolkenbetten schütteln.
Als die Kinder am nächsten Morgen zur Schule gehen wollten, war alles in eine weiße Schneedecke gehüllt. Sie sangen freudig: „Schneeflöckchen, Weißröckchen zu uns kamst du geschneit, du kamst aus einer Wolke dein Weg war sehr weit.“
Nun war sie da, die lang ersehnte Winterzeit, Kinderzeit.

Liebe Kinder ihr wollt bestimmt wissen was aus der vorwitzigen Schneeflocke geworden ist: Sie kletterte aus dem Blütenkelch, und ihre Geschwister nahmen sie freudig in ihre Mitte.
Wenn ihr spät abends im Mondschein hinaus geh, seht ihr die kleine Schneeflocke glitzern.


© Jürgen


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