DAS GESPENST IM GEMEINDEBAU
© 2011
HILLA M. FASELUKA

Es war einmal…
… ein ganz normaler Gemeindebau in Wien. Es war der Reumann Hof, einer der ältesten Gemeindebauten von Wien.
Wenn ihr nicht wisst, was ein Gemeindebau ist, dann werde ich es kurz erklären. Diese Häuser wurden von der Stadt gebaut, damit die Menschen eine schöne Wohnung haben.
Dort lebten Familien, Ehepaare und alleinstehende Menschen.
Aber es war doch etwas Besonderes in diesem Haus.
Ihr wollt wissen, was?
Wenn ich es euch sage, ihr werdet es nicht glauben. In diesem Gemeindebau gab es ein Gespenst!
Ich hab es gewusst, ihr glaubt es nicht. Aber es stimmt!
In diesem Gemeindebau gibt es ein Gespenst, es lebt in der Wohnung von Herrn und Frau Haberzettel. Die beiden leben schon im Reumann Hof seit er gebaut wurde, das ist schon sehr lange her.
Die Wohnung von Herrn und Frau Haberzettel war nicht sehr groß, sie hatten zwei Zimmer, Küche und noch kleine Nebenräume.
Die Tage verliefen immer gleich. Herr Haberzettel stand auf, nachdem er sich angezogen hatte, holte er die Zeitung, Semmeln oder einen kleinen Kuchen. Während Herr Haberzettel weg war, machte Frau Haberzettel den Kaffee und deckte den Tisch. Wenn Herr Haberzettel wieder zu Hause war, begannen sie mit dem Frühstück. Dann gingen sie einkaufen und machten dann gemeinsam das Mittagessen. Nach dem Essen machten sie eine kurze Pause. Am Nachmittag machten sie dann oft Besuche bei Freunden oder gingen in ein Kaffeehaus.
Aber eines Tages war alles anders.
Herr Haberzettel wollte aufstehen, er konnte aber seine Hausschuhe nicht finden.
„ Das gibt es doch nicht!“, murmelte er und er kroch auf allen vieren durch das Zimmer, er schaute unter das Bett, unter dem Kasten und unter der Bank.
„ Das kann doch nicht sein.“, murmelte er.“ Ich hab sie doch, wie jeden Abend neben das Bett gestellt! Und jetzt sind sie weg!“
Er schaute sich noch einmal im Zimmer um.
„ Was hast du denn?“, wollte Frau Haberzettel wissen, weil sie durch das Gemurmel von Herrn Haberzettel wach wurde.
„ Ich kann meine Hausschuhe nicht finden!“, antwortete Herr Haberzettel, er setzte sich auf das Bett.“ Es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.“
Er gab seiner Frau einen Kuss.
Frau Haberzettel lächelte und antwortete:“ Aber das macht doch nichts. Warum suchst du deine Hausschuhe?“
„ Weil sie verschwunden sind!“, sagte Herr Haberzettel.
Frau Haberzettel schaute im Zimmer herum, als ihr Blick beim Esstisch stehen blieb.
„ Ich habe deine Hausschuhe gefunden!“, sagte sie und zeigte zum Esstisch.
„ Wie kommen die denn hier her!“, fragte er.
„ Na, vielleicht haben sie Füße bekommen.“, antwortete Frau Haberzettel.
Jetzt mussten beide lachen.
Herr Haberzettel holte seine Hausschuhe, dann holte er wie immer die Zeitung und Semmeln.
Inzwischen wollte Frau Haberzettel den Kaffee machen, aber sie konnte den Kaffee nicht finden.
„ Wo ist denn der Kaffee!“, murmelte sie.“ Das ist ja wie verhext! Ich hab ihn doch nicht…
Sie schaute sich in der Küche um.
„ Ich weiß genau, es war noch genug Kaffee da!“, sagte sie und schaute noch einmal in alle Kästen und Schubladen nach. Aber sie konnte nichts finden.
„ Was ist denn los?“, wollte Herr Haberzettel wissen, als er wieder nach Hause kam.“ Hast du noch keinen Kaffee gemacht?“
Frau Haberzettel schüttelte den Kopf.
„ Es ist zu dumm! Ich kann den Kaffee nicht finden!“, gab sie zur Antwort.
Jetzt schaute Herr Haberzettel überall nach, auch im Vorzimmer.
„ Da ist er ja!“, rief er und holte den Kaffee aus dem Schuhschrank.
„ Wie kommt der Kaffee in den Schrank!“, fragte Frau Haberzettel.
„ Vielleicht hat auch der Kaffee Füße bekommen.“, gab Herr Haberzettel lachend zur Antwort.
Nachdem sie endlich alles für das Frühstück hatten, machten sie gemeinsam das Frühstück. Danach wollten sie einkaufen gehen.
Als sie plötzlich durch ein lautes Gerumpel aus der Nachbarswohnung erschraken.
„ Was war denn das!“, sagten beide erschrocken und gingen zur Wohnungstür.
„ Da ist doch niemand zu Hause.“, flüsterte Frau Haberzettel.
„ Aber was ist das dann für ein Lärm?“, antwortete Herr Haberzettel und öffnete die Wohnungstür.
Inzwischen waren auch noch die anderen Nachbarn aufmerksam geworden. Sie standen vor der Wohnung aus der der Lärm kam. Alle schauten sich ratlos an.
„ Hat jemand den Schlüssel von der Wohnung?“, fragte Herr Özmen.
„ Ja, ich hab einen Schlüssel!“, antwortete Fräulein Sauras.
Fräulein Sauras war eine junge Frau, sie studierte die Welt der Gespenster und außergewöhnliche Ereignisse.
Fräulein Sauras ging zu der Wohnungstür, sie horchte kurz, dann drehte sie sich zu den anderen und sagte:“ Es ist besser, wenn sie jetzt in ihre Wohnungen gehen!“
„ Aber warum denn?“, wollte der kleine Ahmad Özmen wissen.
„ Es kann sein, dass in dieser Wohnung gerade etwas seltsames passiert.“, gab Fräulein Sauras zur Antwort.
Ahmad Özmen kam zu ihr.
„ Ich hab keine Angst!“, antwortete er.“ Ich kann dich beschützen!“
Fräulein Sauras lachte.
„ Das brauchst du nicht.“, antwortete sie.
„ Aber ich möchte mitkommen!“, sagte er.
Fräulein Sauras schaute Herrn Özmen an.
„ Wenn Ahmad möchte, kann er mit Ihnen gehen.“, antwortete er.
Ahmad schaute seinen Vater an und begann zu lachen. Dann lief er zu Fräulein Sauras.
„ Gehen wir!“, sagte er und nahm ihre Hand.
„ Aber du darfst keine Angst haben!“, sagte Fräulein Sauras.
Ahmad nickte, hielt die Hand von Fräulein Sauras etwas fester. Nachdem das Fräulein die Tür aufgesperrt hatte, war alles anders.
FRÄULEIN SAURIS UND AHMAD WÄHREND DER TÜRKENBELAGERUNG VON WIEN – 1683
Als die beiden in der Wohnung waren, befanden sie sich während der zweiten Türkenbelagerung.
„ Was ist jetzt passiert!“, fragte Ahmad erschrocken.
„ Nicht so laut!“, antwortete Fräulein Sauras.“ Ich hab dir doch gesagt, du darfst keine Angst haben.“
Ahmad schaute sie an und nickte. Sie gingen durch den Gefechtslärm weiter, bis sie von einem alten Mann aufgehalten wurden.
„ Geht bis zum nächsten Eichenbaum weiter.“, sagte er mit krächzender Stimme.“ Ihr müsst euch aber etwas anderes anziehen.“
Der alte Mann hob seine Hände und Fräulein Sauras und Ahmad hatten andere Kleider an.
„ Was ist denn jetzt passiert!“, wollte Ahmad erschrocken wissen.“ Was haben wir für Sachen an!“
Auch Fräulein Sauras war überrascht, sie hatte ein einfaches farbiges Kleid, darunter ein Kleid aus naturfarben an und darüber eine braune Schürze, auf dem Kopf hatte weiße Haube.
Ahmad trug ein weißes Baumwollhemd, eine schwarze Weste, eine braune Kniebundhose und ein Barrett.
„ Warum haben wir das jetzt an?“, wollte er wissen.“ Das kratzt!“
Er kratzte sich an den Armen.
„ Ich weiß.“, gab Fräulein Sauras zur Antwort, sie musste sich am Kopf kratzen.“ Aber das müssen wir jetzt tragen, wir sind jetzt in der Zeit der Türkenbelagerung und da haben die Menschen solche Gewänder getragen.“
„ Wo sind wir?“, fragte er weiter.
„ Wir sind in einem Vorort von Wien.“, gab Fräulein Sauras zur Antwort.
Ahmad schaute sie verständnislos an.
„ Zu dieser Zeit war Wien nur der erste Bezirk und die Bezirke waren kleine Dörfer.“, antwortete Fräulein Sauras.
Sie erschraken, als es in der Nähe eine laute Explosion gab.
„ Wir müssen uns verstecken!“, rief Fräulein Sauras, beide knieten hinter einer Hausmauer.“ Hier können wir nicht bleiben!“
Noch bevor Ahmad etwas sagen konnte, kam ein junger Mann auf die beiden zu. Er rief etwas, aber die beiden konnten ihn wegen des Lärmes nicht verstehen.
„ Ihr müsst vorsichtiger sein!“, sagte er.“ Wenn ihr hier bleibt, dann werdet ihr sterben!“
Nachdem er Ahmad angeschaut hatte, sagte er:“ Warum ist er bei Euch? Er gehört nicht hierher, es sehr gefährlich, wenn man ihn sieht!“
„ Aber er ist mein Freund!“, antwortete Fräulein Sauras.
Jetzt war der junge Mann überrascht.
„ Aber das geht nicht!“, sagte er.“ Er ist ein Türke und wenn ihr nach Wien kommt, wird man ihn einsperren!“
Als wieder in der Nähe eine Kanonenkugel einschlug und dabei Erde und Steine auf die beiden herabfiel, nahm der junge Mann Ahmad und Fräulein Sauras an der Hand und lief mit ihnen zu einer Hausruine.
„ Warum sind wir hier?“, wollte Fräulein Sauras wissen.
„ Ihr werdet jemanden kennenlernen, der für Euch sehr wichtig sein wird!“, gab der junge Mann zur Antwort.
Fräulein Sauras schaute ihn fragend an.
„ Mehr kann ich leider nicht sagen.“, sagte er.
„ Wer sind Sie?“, wollte Ahmad wissen, er schaute den Mann misstrauisch an.
Der Mann war Mitte dreißig, er hatte ein naturfarbenes Hemd, eine graue Kniebundhose, eine grüne Jacke und eine schwarze Kappe.
Er nahm die Kappe ab und stellte sich vor:“ Entschuldigt. Mein Name ist Heinrich Hubert Kurda.“
„ Kommt Ihr aus Wien?“, wollte Fräulein Sauras wissen.
Herr Heinrich Hubert Kurda schüttelte den Kopf und antwortete:“ Nein, ich komme aus Oberlaa. Ich musste aber leider mein Dorf verlassen, weil es von den Türken zerstört wurde."
„ Das tut mir leid!“, sagte Fräulein Sauras.“ Habt Ihr noch Familie?“
„ Warum redest du denn so komisch!“, unterbrach Ahmad.
„ Die Menschen haben zu dieser Zeit so gesprochen.“, antwortete Fräulein Sauras.
„ Ich weiß nicht, wo meine Eltern und Geschwister sind.“, sagte Herr Heinrich Hubert Kurda etwas traurig.“ Ich hab sie das letzte Mal vor einer Woche gesehen.“
Der Gefechtslärm wurde immer heftiger und man konnte auch schon die Schreie der heranstürmenden Türken hören. Die Bewohner liefen, ebenfalls schreiend, ratlos und hilflos herum.
„ Wir können nicht mehr lange hier bleiben!“, sagte Herr Hubert Heinrich Kurda.“ Damit dem Buben nichts passiert, ist es besser, wenn er nicht spricht.“
Fräulein Sauras nickte, auch Ahmad war einverstanden.
„ Wenn Ihr gefragt werdet, wer der Bub ist, dann sagt Ihr, dass es Ihr Bruder ist.“, sagte Herr Hubert Heinrich Kurda.
Auch damit war Fräulein Sauras einverstanden.
„ Darf ich Sie fragen, welchen Beruf Sie ausüben?“, wollte Fräulein Sauras wissen.
„ Ich war Lehrer.“, antwortete Herr Hubert Heinrich Kurda.“ Wir sollten jetzt aber rasch ein anderes Versteck suchen, es wird bald dunkel und dann ist gefährlich im Freien. Die Türken nehmen dann jeden gefangen, den sie finden! Wir müssen in das nächste Dorf!“
„ Wo ist das nächste Dorf?“, wollte Fräulein Sauras wissen.“ Und wo sind wir jetzt?“
„ Wir sind jetzt in Matzleinsdorf, wir müssen aber nach Nikolsdorf.“, gab er zur Antwort.“ Aber jetzt bleiben wir hier, wir können kein Feuer machen, die Türken würden uns sofort sehen. Wir werden morgen, bevor es hell wird, aufbrechen. Bleibt hier! Ich komme gleich wieder.“
„ Wohin geht Ihr?“, wollte Fräulein Sauras wissen.
„ Ich hole uns etwas Brot und Wasser.“, gab er zur Antwort und verließ die beiden.
Ahmad rückte näher zu Fräulein Sauras.
„ Du musst keine Angst haben, ich bin ja hier.“, flüsterte er.
Fräulein Sauras nickte und lächelte. Ahmad schlief bald ein, aber Fräulein Sauras konnte nicht einschlafen. Sie musste immer an Herrn Hubert Heinrich Kurda denken. Wenn sie an ihn dachte, hatte sie das Gefühl, als ob sie ihn schon kannte.
„ Aber das kann doch nicht sein.“, dachte sie.“ Ich habe ihn doch erst kennen gelernt.“
Sie schüttelte den Kopf und versuchte zu schlafen. Als sie ein paar Minuten die Augen geschlossen hatte erschien ihr Herr Hubert Heinrich Kurda.
„ Wir müssen nach Nickolsdorf!“, flüsterte er.“ Dort wartet ein junges Mädchen, sie heißt Marie Rhauris, die werde ich heiraten, wir werden viele Kinder haben und irgendwann, in ein paar Jahrhunderten, wirst du dann meine Ur -, Ur -, Ur -, Ur – Enkelin sein!“
Nachdem er das gesagt hatte, verschwand er wieder.
Fräulein Sauras wurde wieder wach, sie war sehr verwirrt.
„ Hab ich das jetzt geträumt?“, murmelte sie.
„ Was habt Ihr gesagt?“, wollte Hubert Heinrich Kurda wissen, er war inzwischen mit einem halben Laib Brot und eine halbe Flasche Wasser wiedergekommen.
„ Ich hatte einen seltsamen Traum.“, antwortete sie.
„ Vielleicht werden Träume wahr.“, sagte Herr Hubert Heinrich Kurda.“ So sagt man doch. Kommt her, ich hab etwas zum Essen bekommen.“
Fräulein Sauras und Ahmad kamen zu Herrn Hubert Heinrich Kurda. Während dem Essen sprachen sie nichts. Danach legten sie sich hin und schliefen ein.
DIE FLUCHT NACH NIKOLSDORF
Am nächsten Morgen wurden sie von sehr lautem Donner und Geschrei wach.
Es waren die Türken, die gerade in Matzleinsdorf einfielen und die Bewohner liefen schreiend aus ihren Häusern und aus dem Dorf.
„ Wir müssen sofort los!“, sagte Herr Hubert Heinrich Kurda.
Er nahm die beiden an der Hand und lief mit den beiden aus dem Dorf.
Erst als sie einen Wald erreichten, blieben sie. Sie versteckten sich in einem dichten Gebüsch.
„ Da können wir bleiben, bis sich die Lage beruhigt hat.“, sagte er.
„ Wo sind wir hier?“, wollte Fräulein Sauras wissen.
„ Das weiß ich nicht so genau.“, antwortete Herr Hubert Heinrich Kurda.“ Ich glaube, das muss der Wald zwischen Matzleinsdorf und Nikolsdorf sein. Wenn uns nichts passiert, dann sind wir morgen in Nikolsdorf, dort kenne ich eine junge Frau, die euch dann weiterhelfen kann.“
Sie warteten noch ein paar Stunden. Nachdem es aber langsam ruhiger wurde, liefen sie vorsichtig weiter. Sie mussten aufpassen, weil türkische Soldaten durch den Wald streiften.
Es war schon gegen Mitternacht, der Mond wurde durch ein paar Wolken verdeckt, als sie Nikolsdorf erreichten.
„ Wartet hier.“, flüsterte Herr Hubert Heinrich Kurda.“ Ich muss etwas nachschauen.“
„ Müsst Ihr nachschauen, ob Fräulein Marie Rhauris zu Hause ist?“, murmelte Fräulein Sauras.
Herr Hubert Heinrich Kurda schaute sie fragend an.
„ Vielleicht werden Träume wahr.“, antwortete sie.
Herr Hubert Heinrich Kurda war noch mehr verwirrt, aber er lief trotzdem los. Fräulein Sauras und Ahmad blieben hinter einem dicken Baum versteckt. Ahmad wollte etwas sagen, aber Fräulein Sauras schüttelte den Kopf. Als sie im Gestrüpp etwas knacken hörten, erschraken sie. Es war aber nur ein verschreckter Hase. Fräulein Sauras lächelte erleichtert, auch Ahmad war erleichtert. Es dauerte aber noch ein paar Stunden, bis Herr Hubert Heinrich Kurda wieder kam.
„ Wir haben Glück!“, flüsterte er.“ Fräulein Marie Rhauris ist da und sie möchte uns helfen! Wir müssen aber warten, bis es etwas heller ist.“
Während Fräulein Sauras und Ahmad schliefen, passte Herr Hubert Heinrich Kurda auf, dass nichts passierte.
Doch während Fräulein Sauras schlief, erschien ihr das Fräulein Marie Rhauris.
„ Du hast meinem Mann geholfen und ihr seid jetzt hier. Aber jetzt musst du uns weiter helfen, wir müssen nach Wien, dort sind wir sicher!“, sagte sie mit einer leisen Stimme.“ Wir sind nur in Wien sicher und können dann eine Familie gründen. Wenn du uns nicht helfen kannst, dann wirst du nie geboren werden!“
Darüber erschrak Fräulein Sauras und setzte sich auf.
„ Was habt Ihr?“, wollte Herr Hubert Heinrich Kurda wissen.
„ Ich hatte wieder einen Traum.“, antwortete Fräulein Sauras, als sie wieder ein Geräusch im Gestrüpp hörte, hielt sie den Atem an.
Herr Hubert Heinrich Kurda schaute vorsichtig aus dem Gestrüpp.
„ Wir müssen weiter!“, flüsterte er.“ Die Türken kommen immer näher!“
Fräulein Sauras weckte Ahmad, dann schlichen sie weiter, bis sie zum Haus von Fräulein Marie Rhauris kamen. Sie hatte schon ein paar Sachen gepackt und wartete hinter dem Haus.
Nachdem sie sich begrüßt hatten gingen sie bis zum Dorf Ende. Dort versteckten sie sich in einem alten Haus bis es hell wurde.
„ Jetzt können wir weitergehen, wir werden nicht auffallen.“, sagte Fräulein Marie Rhauris.“ Aber wir werden es nach Wien schaffen!“
Sie schaute Herrn Hubert Heinrich Kurda an und lächelte, auch Herr Hubert Heinrich Kurda lächelte glücklich.
DER WEG NACH WIEN
Es dauerte ein paar Tage, bis sie in Wien ankamen. Sie mussten sehr vorsichtig sein, denn überall lauerten Gefahren. Einmal waren es die Türken, dann wieder wilde Tiere. Zum Essen mussten sie Beeren sammeln oder Herr Hubert Heinrich Kurda konnte einen Hasen erlegen, das Glück hatten sie aber nur einmal. Die Nächte waren etwas kühl, aber Fräulein Marie Rhauris hatte ein paar dicke Jacken mit, damit konnten sie sich wärmen.
Aber einmal hatten sie großes Glück. Beinahe wären sie von Türken gefangen worden. Das passierte, als sie den Hasen am Lagerfeuer braten wollten.
Die Türken, die sich im Gestrüpp versteckten, merkten, das Feuer von Fräulein Sauras und den anderen. Vorsichtig schlichen sie sich an, aber ein junger türkischer Soldat trat auf einen Ast.
„ Was war das?“, fragte Fräulein Marie Rhauris erschrocken, sie drehte sich um.
Auch die anderen waren beunruhigt.
„ Löschen wir das Feuer!“, flüsterte Herr Hubert Heinrich Kurda.
Sofort warfen sie Erde auf das Feuer und nach ein paar Minuten war es aus.
„ Dann bekommen wir keinen Hasen?“, flüsterte Ahmad.
Fräulein Sauras schüttelte den Kopf, Ahmad war sofort ruhig. Sie warteten noch einige Zeit, dann packten sie ihre Sachen und schlichen weiter. Wenn es dunkel wurde, mussten sie ein sicheres Versteck suchen und die Nacht verbringen.
„ Jetzt ist es nicht mehr weit!“, sagte Fräulein Marie Rhauris im Traum von Fräulein Sauras.“ In ein paar Tagen seid ihr in Wien und dann musst du mir helfen, das ich Herrn Hubert Heinrich Kurda heiraten kann!“
„ Aber wie kann ich euch helfen?“, wollte Fräulein Sauras wissen.
„ Du wirst schon einen Weg finden.“, gab Fräulein Marie Rhauris zur Antwort.
Noch bevor Fräulein Sauras noch etwas sagen konnte, war auch Fräulein Marie Rhauris verschwunden.
„ Das ist jetzt schon das dritte Mal, dass ich diesen komischen Traum habe.“, murmelte sie.“ Warum träume ich immer von den beiden? Das sollen meine Ur-, Ur-, Urgroßeltern sein?“
Etwas verwirrt schaute sie Herrn Hubert Heinrich Kurda und Fräulein Marie Rhauris an.
„ Wie soll ich die beiden dazu bringen, damit sie heiraten?“, murmelte sie.
„ Haben Sie etwas gesagt?“, wollte Fräulein Marie Rhauris wissen.
„ Nein, ich hatte nur einen seltsamen Traum.“, antwortete Fräulein Sauras.
„ Nun, Ihr werdet schon das richtige machen.“, sagte Fräulein Marie Rhauris.“ Aber jetzt sollten wir weiterschlafen, wir haben morgen noch einen weiten Weg vor uns.“
Beide legten sich wieder hin und schliefen weiter.
Zeitig in der Früh machten sie sich wieder auf den Weg. Herr Hubert Heinrich Kurda ging an der Spitze, er passte auf, dass sie den Türken nicht begegneten. Wenn sie einen kleinen Fluss überqueren mussten, dann trug er Fräulein Marie Rhauris zum anderen Ufer.
Als sie wieder ihr Lager aufschlugen, waren sie schon vor der Stadtmauer.
„ Wir haben es bald geschafft.“, sagte Herr Hubert Heinrich Kurda.“ Wir sind bald in Wien.“
Fräulein Marie Rhauris nickte.
„ Was werden Sie in Wien machen?“, wollte Herr Hubert Heinrich Kurda wissen.
„ Ich kann bei einer Tante bleiben, sie hat ein kleines Geschäft.“, antwortete Fräulein Marie Rhauris.“ Und was werden Sie in Wien machen?“
„ Vielleicht braucht man in Wien Lehrer.“, sagte Herr Hubert Heinrich Kurda.
„ Aber wo werden Sie wohnen?“, fragte Fräulein Sauras.
„ Das weiß ich noch nicht.“, antwortete Herr Hubert Heinrich Kurda.
„ Kann er nicht bei Ihrer Tante wohnen?“, wollte Fräulein Sauras von Marie Rhauris wissen.
„ Sie wird sicher nichts dagegen haben.“, antwortete Fräulein Marie Rhauris.“ Wenn wir in Wien sind, werde ich sie fragen.“
Damit war Herr Hubert Heinrich Kurda einverstanden. Beide waren glücklich. Auch Fräulein Sauras war glücklich, denn sie wusste, dass alles in Ordnung war und dass die beiden heiraten würden.
In dieser Nacht schliefen sie gut, aber leider nicht lange. Die Türken kamen immer näher und so mussten die drei fliehen.
Zuerst wurden wieder Kanonen abgefeuert und es wurden Häuser stark beschädigt, dann griffen berittene türkische Truppen an. Aber die Wiener wehrten sich mit allen Mitteln, sie schossen mit Kanonen zurück, dass warfen sie brennende Holzbündel nach den Angreifern. Und als die türkischen Fußtruppen die Stadtmauer stürmen wollten, wehrten die Wiener sie mit Kellen, Lanzen und einfachen Holzlatten ab.
Das mussten Fräulein Sauras, Herr Hubert Heinrich Kurda und Ahmad mit ansehen.
„ Das ist ja furchtbar!“, flüsterte Ahmad erschüttert.“ Warum haben sie das gemacht?“
Fräulein Sauras legte ihren Arm um ihn und antwortete:“ Das weiß ich leider auch nicht. Aber zum Glück ist das vorbei.“
Fräulein Marie Rhauris und Herr Hubert Heinrich Kurda schauten sich ratlos an.
„ Wie habt Ihr das gemeint?“, fragte Herr Hubert Heinrich Kurda.
„ Das ist eine lange Geschichte.“, sagte Fräulein Sauras.“ Aber so eine Belagerung wird nicht mehr vorkommen, es kommt eine Zeit, in der Türken, wie jeder andere, in Wien leben und arbeiten.“
Die beiden schauten Fräulein Sauras erschrocken an und sagten:“ Seid bitte ruhig und sagt solche Sätze nicht mehr! Ihr kommt sonst in große Gefahr!“
Rasch liefen sie bis zur nächsten Mauernische, dort blieben sie, bis es etwas ruhiger wurde.
Herr Hubert Heinrich Kurda legte seinen Arm sanft und beschützend um Fräulein Marie Rhauris. Fräulein Sauras war glücklich, als sie das merkte.
„ Es wird alles gut.“, flüsterte sie.
Als es endlich dunkel wurde und der Beschuss aufhörte, konnten sie durch ein kleines Stadttor nach Wien fliehen.
DIE ANKUNFT IN WIEN
„ Wir sind endlich in Wien und in Sicherheit!“, sagte Fräulein Marie Rhauris.
Aber in Wien herrschte ein Durcheinander, die Bewohner liefen aufgeregt herum. Die Frauen mit ihren Kindern und die älteren Bewohner suchten Schutz in leeren Häusern oder unter einer Brücke. Während die Männer, egal ob alt oder jung, versuchten die Stadt zu verteidigen.
„ Wo wohnt Ihre Frau Tante?“, wollte Herr Hubert Heinrich Kurda wissen.
„ Bei dem großen Dom.“, gab Fräulein Marie Rhauris zur Antwort.
„ Das ist der Stephansdom.“, sagte Fräulein Sauras.
„ Wieso wisst Ihr, wie der Dom heißt?“, fragte Fräulein Marie Rhauris erstaunt.
„ Auch das ist eine lange Geschichte.“, antwortete Fräulein Sauras.“ Aber in späteren Jahren wird dieser Dom sehr bekannt!“
Herr Hubert Heinrich Kurda und Fräulein Marie Rhauris schauten Fräulein Sauras überrascht an.
„ Es würde zu lange dauern, wenn ich euch diese Geschichte erzähle.“, antwortete Fräulein Sauras.“ Und wir müssen rasch zur Tante von Fräulein Marie Rhauris!“
Da gaben ihr alle Recht.
„ Wo wollt ihr denn hin!“, fragte ein Soldat.“ Ihr könnt nicht hier bleiben!“
„ Das wissen wir!“, gab Herr Hubert Heinrich Kurda zur Antwort.“ Wir möchten zu dem großen Dom.“
„ Dann beeilt euch! Die Türken können bald die Mauer durchbrechen!“, gab der Soldat zur Antwort.
Ohne lange zu zögern gingen die vier rasch weiter und nach ein paar Stunden hatten sie das Geschäft der Tante von Fräulein Marie Rhauris erreicht.
Noch bevor Fräulein Marie Rhauris anklopfen konnte, wurde die Türe geöffnet und die Tante stand in der Tür.
„ Da seid ihr ja endlich!“, rief sie und umarmte Fräulein Marie Rhauris.
Aber Fräulein Sauras stockte der Atem, denn die Tante von Marie Rhauris war in ihren Träumen erschienen.
„ Was haben Sie denn?“, wollte die Tante wissen, sie ging zu Fräulein Sauras.“ Ich habe es gewusst, dass Sie meine Nichte und Herrn Hubert Heinrich Kurda heil zu mir bringen. Dafür möchte ich euch danken. Jetzt wird alles gut weitergehen. Aber gehen wir hinein.“
„ Ich hab nur ein Zimmer, aber wir werden schon alle Platz haben.“, sagte sie.
Die Wohnung von der Tante bestand nur aus einem Zimmer und einer kleinen Küche.
Während dem Essen erzählten sie von ihrer Flucht nach Wien.
„ Gott sei Dank, habt ihr es geschafft und seid hier in Sicherheit.“, sagte sie.
„ Auch wir sind sehr froh, dass wir hier sind.“, sagte Herr Hubert Heinrich Kurda.
Nach dem Essen gingen sie schlafen. Endlich konnten sie ohne Angst und ruhig schlafen.
Aber Fräulein Sauras hatte noch einen seltsamen Traum.
„ Danke, dass du geholfen hast.“, sagte eine Stimme leise.“ Jetzt wird bald die Hochzeit sein und du hast dafür gesorgt.“
„ Kann ich noch bei der Hochzeit dabei sein?“, wollte Fräulein Sauras wissen.
„ Ja, aber dann musst du wieder in deine Zeit zurück kehren.“, antwortete die Stimme.
„ Und wann wird die Hochzeit sein?“, wollte Fräulein Sauras wissen.
„ Schon sehr bald!“, gab die Stimme zur Antwort.
Fräulein Sauras wartete, ob die Stimme noch etwas sagen würde, aber es blieb still und Fräulein Sauras schlief weiter.
Am nächsten Morgen wurde sie wach und war ausgeschlafen und glücklich. Auch Herr Hubert Heinrich Kurda und Fräulein Marie Rhauris wurden wach. Auch die beiden waren sehr glücklich.
„ Haben Sie gut geschlafen?“, wollte er wissen.
Fräulein Rhauris nickte. Herr Hubert Heinrich Kurda schaute sie glücklich an.
„ Ich muss Ihre Frau Tante etwas fragen.“, sagte er.
„ Sie ist in der Küche und macht das Frühstück.“, antwortete Fräulein Marie Rhauris.
Sofort ging Herr Hubert Heinrich Kurda in die Küche. Dort erzählte er der Tante von seinen Gefühlen zu ihrer Nichte.
„ Deshalb möchte ich Sie fragen, ob ich Ihre Nichte heiraten kann?“, fragte er.“ Ich werde gut für sie sorgen, es wird ihr an nichts fehlen!“
„ Das weiß ich!“, antwortete die Tante.“ Ich bin sehr froh, dass Sie meine Nichte getroffen haben und sie zu mir gebracht haben. Natürlich habe ich nichts dagegen, wenn Sie meine Nichte heiraten.“
Herr Hubert Heinrich Kurde schaute die Tante glücklich an.
„ Ich danke Ihnen!“, sagte er und küsste ihre Hand.
„ Ich glaube, Sie sollten Marie etwas von diesen guten Neuigkeiten berichten.“, sagte sie.
Sofort lief er zu Fräulein Marie Rhauris und fragte auch sie, ob sie ihn heiraten möchte. Fräulein Marie Rhauris war natürlich sofort einverstanden.
„ Unsere Hochzeit soll sein, wenn die Belagerung vorbei ist!“, sagte Herr Hubert Heinrich Kurda.
Damit waren alle einverstanden.
Und als nach ein paar Wochen die Belagerung vorbei war, wurde die Hochzeit von Fräulein Marie Rhauris und Herrn Hubert Heinrich Kurda gefeiert.
Aber Fräulein Sauras und Ahmad wurden wieder in unsere Zeit versetzt. Sie kamen wieder zu sich und waren in der Wohnung vom Reumann Hof.
„ Wo waren wir?“, wollte Ahmad wissen.
„ Wir waren in der Zeit der zweiten Türkenbelagerung.“, gab Fräulein Sauras zur Antwort.“ Aber darüber wirst du auch noch in der Schule etwas lernen.“
„ Aber das muss ich doch jetzt nicht mehr, ich weiß doch schon alles!“, sagte Ahmad.
„ Dann hast du doch einen Vorteil!“, sagte Fräulein Sauras.“ Wir sollten jetzt aber den anderen erzählen, dass alles in Ordnung ist.“
Ahmad nickte, beide gingen aus der Wohnung und sagten den anderen, dass ein Fenster offen war und ein Vogel in der Wohnung herumgeflogen war. Die anderen Mieter waren zufrieden. Auch in der Wohnung war es ruhig.
Aber es geschah doch noch etwas Merkwürdiges. Eines Tages zog ein Paar in die Wohnung. Das Paar hieß Marie und Hubert Heinrich Kurda.


© (c) 2011 Hilla M. Faseluka


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Beschreibung des Autors zu "DAS GESPENST IM GEMEINDEBAU"

Diese Geschichte ist eine fantasievolle Geschichte, die auch ein Stück der Geschichte von Wien beschreibt. Können auch Erwachsene und Jugendliche lesen.




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