Wir schrieben das Jahr 1835, an dem in einem Gasthaus in Aachen zwei Reiche um den letzten Platz im Wirtshaus stritten. „Ich bekomme diesen Platz!“, rief der eine.
„Nein, ich bekomme ihn!“, schrie der andere.
Die Wirtin wollte dem Tumult Einhalt gebieten.
Doch der Wortwechsel ging bald in eine Prügelei über. Trotz des ungeduldigen und gewalttätigen Eingreifens der Wirtin und ein paar weiteren Gästen prügelten sich die zwei Streithähne eifrig und mit vielen weiteren gemeinen Wortwechseln weiter.
Als dann der Richter durch puren Zufall das Wirtshaus betrat, flehte ihn die Wirtin an: „Bitte nehmen sie die beiden mit! Sie sehen doch selbst, was hier für ein ungeheuerliches Chaos entstanden ist!“
Er tat wie ihm geheißen, trennte die Zwei, führte sie aus dem Wirtshaus und steuerte den Gerichtssaal an.
Bald fanden sich die beiden Männer in einem Gerichtssaal und vor dem ziemlich grimmig dreinschauenden Richter wieder.
„Also!“, erhob er seine Stimme, „sie beide wurden - von meiner Wenigkeit – dabei erwischt, wie sie ein Wirtshaus um genau 14.36 Uhr in einen miserablen Zustand versetzten. Somit lautet das Urteil wiefolgt: Sie beide werden zu einer Geldstrafe verurteilt. Allerdings wird diese für den einen höher ausfallen als für den anderen.“ Er zeigte auf den ehrlichen Reichen. „Also bitte!“
Nach einem kurzen Blick zu dem anderen Reichen, der neben ihm stand, langte er in seine Taschen und übergab dem Richter das Geld. Danach verließ er mit schnellen Schritten den Saal.
Daraufhin kam der Richter hinter seinem Tisch hervor und trat an den anderen Reichen heran:
„Sie haben auch eine einen kleinen Schuldschein offen, der bis zu 8 Goldstücken und 30 Silberlingen hoch ist.“
Der Mann, der ein sehr habgieriger Mensch war, sah verdutzt den Richter an, der die Hand ausstreckte, grinste und mit einer symbolischen Geste sein Geld verlangte.
„Wie bitte?“, schrie der geizige Mann, nahm die Tasche, die er immer wieder mit sich trug und dessen Inhalt nie verriet, in seinen Schutz und brüllte wieder den Richter an: „Das ist ja eine Unverschämtheit! Ich sollte einen niedrigeren Preis als der andere Zahlen und trotzdem fällt dieser für mich um nur 2 Goldstücke und steigt um 15 Silberlinge!“
„Tut mir leid.“, entgegnete der Richter, „aber so schreibt es das Gesetz vor.“
„ Ich pfeife auf das Gesetz!“, schrie der Reiche, lief vor Wut rot an, holte aus, verpasste dem Richter ein Veilchen, sodass dieser dann zu Boden ging und sich drehte und wendete.
„Wachen!“, rief er vor Schmerz, „fangt diesen Scharlatan, der wegen seines Geizes und seiner Geldgier der Betrügerei verfallen ist!“
Dem betrügerischen Mann, der schon das Weite suchte und durch den ganzen Gerichtssaal irrte, wurde die Türen versperrt und prompt fand er sich in den Armen der Wachen wieder. Der Reiche aber war, wie schon bekannt, ein Raufbold und schlug irgendwie auch die beiden Wachen zu Boden. Dann lief er mit schnellen Schritten aus der Tür, durch das Dorf und in den Wald hinein.
Der Richter sank stöhnend zu Boden. Jetzt allerdings war guter Rat teuer. Wie könnte man am besten einen Mann überführen, der sogar stark genug war zwei kräftige Wächter niederzuschlagen und sich nicht davon abschrecken ließ sogar mit Waffengewalt vorzugehen? Eine schwierige Frage.
Aber während der Richter von seinen Anwälten versorgt wurde, fiel ihm eine schlaue List ein.
Da der Reiche ein Fettwanst war und sich gern in Wirthäusern aufhielt, war es bestimmt ein Leichtes ihn in so einem zu überlisten.

Also ließ sich der schlaue Richter einen guten Plan einfallen.

Der Reiche war zu dem Zeitpunkt schon in einem leerstehenden Haus untergekommen, in dem er auch zwei Jahre lebte. Aber dann wollte er unbedingt noch mal richtig schlemmen gehen.
Deshalb ging er in eine andere Stadt und besuchte das dort befindliche Wirtshaus. Doch als er die Türschwelle betrat und sich der Raum vor ihm in voller Gänze öffnete sah er einen Mann, der ihm irgendwie bekannt vorkam. Und man wird nicht glauben wen er da an einem Tisch sitzen sah.
Es war der Richter! Dieser saß an einem großen Tisch und sprach mit anderen Leuten – welche der Reiche nicht identifizieren konnte – die ihm gegenüber saßen.
Der Reiche sah sich weiter im Raum um. Der Klavierspieler nahm die Hände von seinem Instrument und schaute in Richtung des Reichen. So ziemlich alle hörten auf zu quasseln und drehten sich um.
Dann zog der Reiche alle Blicke auf sich. Als ihn nun der Richter sah, tuschelte er mit seinen Kollegen, erhob sich langsam von seinem Stuhl und trat an den Reichen heran. Hinter dem Reichen versperrten sofort Wachmänner die Tür. Einen Meter vor diesem kam er zum Stehen:
„Wusstest du, dass wir zwei Jahre lang den Wald durchforstet und dich dann in einem kleinen Häuschen gefunden haben?“
„Nein.“, entgegnete der Reiche.
„Nun, somit haben wir ab da auf dich geachtet.“, antwortete der Richter, „und als du dich in Richtung Stadt aufgemacht hast, haben meine Späher die Nachricht überbracht. Und da ich wusste, dass du ein richtiger Fettsack bist und gerne Schlemmen gehst, bin ich schnell hierhergeeilt, um auf dich zu warten.“
„Aber genug der Worte.“, fügte der Richter hinzu und machte eine kleine Handbewegung.
Sofort tauchten hinter dem Reichen die Anwälte auf, die sich dann als Soldaten entpuppten. So wurde der Reiche ohne ein weiteres Wort des Richters verhaftet und abgeführt.
So musste der Reiche für 20 Monate in den Kerker.

Und die Moral von der Geschichte:
Die Habgier ist der Feind des Lebens.


© Angus Scott


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Beschreibung des Autors zu "Der betrügerische Reiche"

(Ist eine Kalendergeschichte.)

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